Mannheim. Buga-Geschäftsführer Michael Schnellbach spurtet die Stufen vom Neckarvorland hinauf auf den Damm und strahlt: „Eine Bürde? Nein ganz im Gegenteil! Das ist ein tolles Projekt!“
Schnellbach zeigt über das Flussufer am Fernmeldeturm in Richtung Riedbahnbrücke: „Wir haben die einmalige Chance, hier eine richtige Neckarwiese zu gestalten, auf der sie mit den Füßen ins Wasser können – wenn Sie wollen.“
Doch es geht bei um mehr als eine schöne Wiese am Fluss. Die lange geplante Renaturierung des Neckarufers zwischen dem Fernmeldeturm und dem Wasserkraftwerk bei Feudenheim soll – zumindest in zwei von insgesamt vier Bauabschnitten – bis zur Bundesgartenschau (Buga) im kommenden Jahr fertig werden.
„Entgradigung“ des Neckars
- Das insgesamt rund 32 Millionen Euro teure Vorhaben der Neckar-Renaturierung (oder „Entgradigung“) gliedert sich in vier Bauabschnitte (Projektphasen).
- Die Projektphase Nord umfasst das Augewässer unterhalb des Hochgestades des Aubuckels. Die Arbeiten sind bereits weitgehend abgeschlossen, in Teile der Anlage wurde bereits Wasser gepumpt. Das Schilfreinigungsbecken wird jetzt bepflanzt.
- Die Projektphase West (Altneckar zwischen Fernmeldeturm und Riedbahnbrücke) soll neben der ökologischen Aufwertung die „Erlebbarkeit des Neckars“ verbessern. Hier beginnen nun die Bauarbeiten, dieser Abschnitt wird bis zur Buga fertig.
- Nach 2023 soll dann die Projektphase Ost (Altneckar von Riedbahnbrücke bis Kraftwerkskanal Feudenheim) erfolgen.
- Im Anschluss daran – wahrscheinlich ab 2026 – steht der Anschluss des Augewässers über einen Durchstich an den Neckarkanal an.
Zugabe zur Gartenschau
Den Rückbau des kanalartig ausgebauten Flussufers und die Reaktivierung der ehemaligen Neckarschleife in der Feudenheimer Au treibt das Land Baden-Württemberg als Teil der Gewässerschutz-Auflagen der Europäischen Union (EU) voran.
Das Gewässer in der Feudenheimer Au und den Abschnitt eins der „Entgradigung“ des Flussufers kann man – wenn nicht als Bürde – als eine Art „Zugabe“ zur Gartenschau im großen Areal zwischen Luisenpark und Spinelli auffassen.
Lebensraum für Insekten entsteht
Es sollen auf beiden Neckarufern (also auch auf der Maulbeerinsel) Buchten und Inseln entstehen, Lebensräume für die verschiedensten heimischen Tier- und Pflanzenarten. Dieser westliche Abschnitt des Altneckars zwischen Riedbahnbrücke und Fernmeldeturm (Kosten knapp zehn Millionen Euro), über den Buga-Macher Schnellbach nach seinem Treppenspurt zeigt, steht jetzt im Blickpunkt: Er soll die Buga im kommenden Jahr als ökologisches Mustervorhaben krönen.
Für die Fischarten Barbe und Nase als Leitarten, aber auch für zahlreiche Insekten sollen die Lebensräume neu geschaffen werden, die durch die Kanalisierung des Neckars zu Beginn des 20. Jahrhunderts verloren gegangen waren.
Mannheimer Neckarwiese wird „tiefergelegt“
Schnellbachs Projektleiter Bernhard Wember: „Die Uferböschungen sind hier teilweise sogar gemauert.“ Die Wiederherstellung und Aufwertung der Auenlandschaft, die auch als natürlicher Wasserspeicher diene, sei deswegen ein wichtiges Naturschutzziel, das auch die Stadt verfolgt.
Vorgesehen sind am Altneckar neue kleine Nebenarme, die Neckarwiese wird „tiefergelegt“, damit der Fluss auch bei niedrigem Wasserstand wieder zugänglich wird, so die Pläne, die der Nachbarschaftsverband Mannheim-Heidelberg seit 2015 intensiv vorbereitet hat.
Doch wo „wild und unberechenbar“ drauf steht, sind dem freien Mäandern des Flusses doch gewisse Grenzen gesetzt. Denn die Uferzonen sollen zugleich als Naherholungsgebiet deutlich aufgewertet werden.
„Dort, wo sie jetzt steht, ist in Zukunft Wasser“
Mitte der 2020er Jahre soll dann auch der östliche Altneckar in neuer Natürlichkeit, aber weniger offen für Besucher zugänglich, erstrahlen. Da an den beiden insgesamt rund 3,5 Kilometer langen Ufer-Strecken Buchten und Durchstiche so angelegt werden, dass die vergleichsweise starke Strömung des Neckars den Rest der Arbeit erledigt, können Flachwasserzonen auf natürliche Weise entstehen und sich mit der Zeit auch verändern.
„Dort, wo sie jetzt steht, ist in Zukunft Wasser“, verdeutlicht Schnellbach am Beispiel einer mitten auf dem Vorland stehenden Kollegin die kommenden Veränderungen am Neckar.
Das Augewässer im Norden der Feudenheimer Au sowie der zugehörige Wasserlauf sollen ebenfalls bis zur Buga fertig werden (und sind es auch schon fast) – damit die ehemalige Neckarschleife am Aubuckel wieder sichtbar wird.
Entschärfung vieler Weltkriegs-Blindgänger
Der als Projektphase Süd bezeichnete Durchstich zum Neckarkanal ist noch nicht komplett durchgeplant – müsse aber ab 2026/27 kommen, da der Anschluss des Augewässers laut Buga-Geschäftsführer Schnellbach Bestandteil der Gesamt-Baugenehmigung ist.
Am Dienstag begannen nun die Bauarbeiten für das größte Renaturierungsprojekt an einem Flussufer im ganzen Land endlich „richtig“, wie es Schnellbachs Pressesprecherin Corinna Brod formulierte. Die Vorarbeiten waren wegen der aufwändigen Kampfmittelbeseitigung äußerst langwierig – sind aber jetzt abgeschlossen.
Die Anwohner in Neuostheim und Feudenheim mussten mehrfach evakuiert werden, weil Weltkriegs-Blindgänger entschärft werden mussten. „Ich kann’s natürlich nicht zu hundert Prozent ausschließen, dass wir noch etwas finden, die gut 4000 Verdachtspunkte sind aber abgearbeitet, so dass Überraschungen sehr unwahrscheinlich sind“, zeigte sich Schnellbach optimistisch.
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Es muss nun auch zügig vorangehen, denn in sechs Monaten – rechtzeitig vor Gartenschau-Beginn – muss alles fertig sein. Niederlassungsleiter Oliver Schmuck von der beauftragten Baufirma Johann Bunte hat seine Bagger bereits in Stellung gebracht und will zur Not auch samstags arbeiten lassen, damit die Gesteins- und Erdmassen bewegt und entsorgt werden können.
Füße ins Wasser stellen
Schmucks Berechnungen zufolge werden 160 000 Kubikmeter Erde und Steine bewegt werden müssen, etwa 90 000 Kubikmeter davon lässt Schmuck entsorgen – per Neckarfrachter. „Wir haben noch keine elektrisch angetriebenen Bagger – leider“, sagt er.
Dass zum Transport der Wasserweg genutzt werden kann, spare weit über 1000 Lkw-Fahrten durch die Stadt ein. Der Aushub werde in Ladenburg aufgearbeitet und teils entsorgt, teils wiederverwendet.
Im Buga-Sommer haben die Bauarbeiter Pause – und die Besucher der Gartenschau können, ganz ohne Treppenspurt, aus den Gondeln der Seilbahn den Blick von oben auf das Öko-Vorzeigeprojekt genießen. Oder Schnellbachs Vorschlag folgen, beim Spaziergang am Flussufer die Füße ins Wasser zu stellen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mehr Natur am Altneckar - das ist ein ökologisches Vorzeigeprojekt