Mannheim. Es passt in die politisch unruhige Zeit, dass auch auf kommunaler Ebene die Übergabe der Amtsgeschäfte eines Oberbürgermeisters fast zur Hängepartie wird. Zwar geht der Begriff der chaotischen Amtsübergabe für die Mannheimer Kommunalpolitik definitiv zu weit - was allen voran das Verdienst aller unterlegenen Protagonisten der Oberbürgermeisterwahl ist, die das knappe, aber nun mal doch eindeutige Wahlergebnis sofort akzeptiert haben. Dennoch kommt Christian Specht wohl nur über Umwege ins Amt.
Früher Amtsverweser, heute bestellter Oberbürgermeister
Der Grund sind zwei beim Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe eingelegte Einsprüche gegen die Wahl. Specht soll deshalb am Donnerstag in einer Sondersitzung des Gemeinderats zunächst als sogenannter bestellter Oberbürgermeister bestellt werden - früher war das der Amtsverweser. Die Mehrheit des Gremiums muss dafür stimmen.
Specht führt dann die Bezeichnung Oberbürgermeister und hat auch alle Rechte, als solcher zu handeln. Ein Stimmrecht im Gemeinderat hat er aber nicht. Die im Prinzip vorläufige Amtszeit endet laut Gemeindeordnung, wenn die Oberbürgermeisterwahl rechtskräftig ist, spätestens aber nach zwei Jahren.
Was kompliziert klingt, wird am Mittwochnachmittag noch etwas unübersichtlicher. „Die Wahl des Oberbürgermeisters der Stadt Mannheim am 18. Juni 2023 und die Neuwahl am 9. Juli 2023 sind gültig“, teilt das RP gegen 16 Uhr mit. Das sei das Ergebnis einer Prüfung. Demnach sei ein Einspruch zurückgezogen worden. „Die Einspruchsgründe des anderen Wahlberechtigten hat das Regierungspräsidium Karlsruhe als unzulässig und im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.“
Kurz darauf erklärt Stadtsprecher Ralf Walther, das habe keine Auswirkungen auf die Sitzung des Gemeinderats, der Specht dennoch als bestellten Oberbürgermeister einsetzen soll. Schließlich könne gegen die Entscheidung des RP innerhalb eines Monats geklagt werden. „Deshalb wird die Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl nicht unmittelbar bestandskräftig, was die Amtsübernahme durch Herrn Christian Specht verzögern würde“, heißt es in der Vorlage für den Gemeinderat.
Einsprüche von Reichsbürgern?
Nach übereinstimmenden Informationen dieser Redaktion sollen die Einsprüche mindestens teilweise aus der Reichsbürger-Szene kommen. Demnach soll eine Person kritisieren, das Wählerverzeichnis sei nicht mit dem der Staatsangehörigkeiten abgeglichen worden. Stadtsprecherin Monika Enzenbach verweist auf Anfrage an das RP als zuständige Behörde. Das will die Informationen mit Verweis auf das noch nicht abgeschlossene Verfahren weder bestätigen noch dementieren.
Das Wählerverzeichnis werde automatisiert auf Basis des Einwohnerverzeichnisses und der darin enthaltenen Daten erstellt, erklärt Enzenbach. „Das Wählerverzeichnis enthält alle für die jeweilige Wahl wahlberechtigten Personen Mannheims. Dabei wird logischerweise auch die Staatsangehörigkeit berücksichtigt.“
Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) sieht im Regierungsbezirk Karlsruhe keinen Schwerpunkt der Reichsbürger-Szene. Auf etwa 730 bis 780 schätzt das Amt die Zahl - landesweit sind es etwa 3800 Anhänger, erklärt ein Sprecher. Die Zahl sei zuletzt „deutlich gestiegen“. Er sagt: „Die Argumentation von Szeneakteuren, wonach Wahlen ohne einen vorherigen Abgleich mit den Staatsangehörigkeitsausweisen der Wählenden unrechtmäßig seien, ist dem LfV bekannt.“ Dass gegen Wahlergebnisse Einspruch eingelegt werde, sei aber „eher ein seltenes, jedenfalls nicht gängiges Vorgehen der Szene“.
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