Mannheim. „Es tut weh“, gesteht Ralph Hartmann. Termine wie den am Freitagabend, „das will niemand, das habe ich mir nie so vorgestellt, als ich das Amt übernommen habe“, so der Evangelische Dekan. Aber am Freitag, 14. März, um 18 Uhr wird er mit Gebet, Musik und Erinnerungen einen Abschiedsabend für die Friedenskirche gestalten, da dieses Gotteshaus in der Schwetzingerstadt aufgegeben wird. Das ist nicht der letzte Abschiedsabend. In den nächsten Jahren trennt sich die Evangelische Kirche Mannheim von 13 ihrer insgesamt 32 Kirchen.
Bei der Friedenskirche geht es jetzt schneller als gedacht. „Das ist vor Ort entschieden worden“, betont Ralf Daum, Vorsitzender der Stadtsynode. Das Gremium hatte im Jahr 2022 Kriterien beschlossen und jede Kirche nach einem Ampelsystem eingeteilt. Eigentlich stand die Friedenskirche nur auf „gelb“, hätte also noch etwas weiterexistieren können - aber, ohne dass viel Geld in Bauunterhaltung fließt.
Aber die Umsetzung liegt bei den sieben Regionen, in die der Stadtkirchenbezirk eingeteilt ist. Dort fiel der Beschluss, den Schlussstrich früher zu ziehen. „Das ist nicht von oben vorgegeben“, betont Daum, sondern im örtlichen Ältestenkreis entstanden. „In der Region gibt es mit der Konkordien- und der Christuskirche zwei ganz große, bedeutende Kirchen, dagegen hat die Friedenskirche bereits seit 30 Jahren nicht mehr die Resonanz gefunden“, bedauert Hartmann.
Buntglasfenster machen eine andere Nutzung schwierig
Deutschsprachige Gottesdienste werden bereits seit März 2023 nicht mehr in der Schwetzingerstadt gefeiert, sondern in der rund einen Kilometer entfernten Christuskirche am Werderplatz. Vier internationale Gemeinden, die noch in der Friedenskirche zusammenkommen, feiern dort bis zum 1. April ihre Gottesdienste. Danach wird das Interkulturelle Kirchenzentrum, bestehend aus der Presbyterian Church of Cameron, der äthiopischen Maranathagemeinde, der evangelisch-arabischen Gemeinde und der ungarisch-protestantischen Gemeinde, in das evangelische Gemeindezentrum Neuhermsheim umziehen. Viele andere Angebote wechseln in die Christuskirche, das „Café für Alle“ ebenso wie die Kinderchöre sowie ab Juli auch das RepairCafé.
Dafür lohne es sich einfach nicht, ein so großes Gebäude wie die 1100 Plätze bietende Friedenskirche weiter zu heizen und angesichts der schlechten Bausubstanz zu unterhalten, wirbt Hartmann um Verständnis. „Klar könnte man das noch eine Weile aufrechterhalten. Aber die Verantwortung gebietet, nicht den Zustand auf Pump zu verlängern, sondern die nötigen Konsequenzen zu ziehen“, so der Dekan. Und sinkende Mitgliederzahlen sowie Kirchensteuereinnahmen bei steigenden Heiz- und Bauunterhaltungskosten bedeuteten eben, sich von Gebäuden zu trennen.
Was aus der Friedenskirche wird, ist offen. Sie war 1904 bis 1906 von Emil Döring im neobarocken Stil errichtet worden. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde sie schlichter wieder aufgebaut. Sie steht unter Denkmalschutz, „und das ist das Problem“, so Hartmann. Solange die Denkmalbehörde auf den Erhalt der Buntglasfenster besteht, „ist jegliche Nutzung schwierig“. Aber auch einen Abriss hält der Dekan derzeit für „nicht vorstellbar“. Daher wurde eine Machbarkeitsstudie beauftragt, die aufzeigen soll, was möglich wäre. Generell hält Hartmann „Wohnungen oder eine gewerbliche Nutzung für denkbar“. Einen Zeitplan gibt es aber nicht.
Derzeit ist das Dekanat ja bei vielen Kirchen, die aufgegeben werden sollen, auf der Suche nach neuen Lösungen. Ein Gönner wie einst 2016 bei der Epiphaniaskirche Bloomaul und Teppichkaufmann Horst Engelhardt, der mit einer Spende von 1,2 Millionen Euro den wegen großer Betonschäden sonst sicheren Abriss verhinderte und die Renovierung als Kulturkirche ermöglichte, ist nirgendwo in Sicht. Bei der Paul-Gerhardt-Kirche habe ein Verein zwar 400.000 Euro gesammelt, erzählt Daum: „Aber damit kommt man nicht weit“, bedauert er, weshalb mit dem Geld nun im Pfarrhaus ein Diakoniepunkt eingerichtet werde.
Bei der 1951/53 gebauten, aber schon lange aufgegebenen Hafenkirche hat die Montag Stiftung Urbane Räume ein Projekt gestartet mit dem Ziel, zu prüfen, ob hier – nach dem Initialkapital-Prinzip – ein Begegnungs- und Gemeinschaftsort für den Jungbusch entstehen kann und wie dies, mit Stiftungsmitteln angeschoben, inhaltlich wie wirtschaftlich tragfähig sein könne. Ziel war Mitte 2025. „Es gab einen Personalwechsel“, so Hartmann, daher sei es zeitweise nicht vorangekommen, „aber Ende des Jahres wissen wir, ob es funktioniert“.
Von Abriss bis zur Galerie ist vieles möglich
Viel skeptischer ist der Dekan bei der Thomaskirche. Die steht nach Rohrbruch und Wasserschaden bereits seit 2009 leer. Gebaut wurde sie 1949/50 nach Plänen von Christian Schrade als erster neuer Sakralbau nach dem Zweiten Weltkrieg in Mannheim. Bis Frühjahr 2025 hat das Dekanat eine letzte Frist gesetzt, dass sich ein Investor findet – für Gewerbe, Wohnen, Gastronomie. Dazu wurde das Gebäude bundesweit auf Immobilienplattformen angeboten. „Das ist für die Kirche Neuland. Aber wir wollten zeigen, dass wir wirklich nichts unversucht lassen, um eine Lösung zu finden“, betont Ralf Daum auch mit Blick auf eine Bürgerinitiative, die in Neuostheim Unterschriften für den Erhalt sammelt. Doch von den über 100 Interessenten, die sich meldeten, blieben 20 übrig, die sich wirklich näher erkundigten. Aber konkret ergeben hat sich bisher nichts. „Wenn das nichts wird, stellen wir einen Abrissantrag“, sagt Dekan Ralph Hartmann ganz klar.
Viel positiver schaue es bei anderen Kirchen aus, etwa der Markuskirche. Der berühmte Backsteinbau der Markuskirche, 1937/38 von Max Schmechel innerhalb weniger Monate erbaut, ist Mittelpunkt der Almenhofsiedlung. Sie könnte künftig als Wohnraum genutzt werden oder teilweise als Wohnraum und als Gemeinschaftsraum. „Wir sind da mit einer Stiftung im Gespräch“, sagt Hartmann. Für die seit Oktober geschlossene Lukaskirche von Carlfried Mutschler interessiert sich ein Berliner Galerist. „Dann wäre sie der Öffentlichkeit weiter zugänglich“, hofft Daum.
Erhalten bleiben könne wohl auch die Martinskirche, 1965/1967 von Fritz Henning in Rheinau-Süd gebaut. Sowohl die Stadt als auch der Internationale Bund als Träger der Jugendarbeit in Rheinau-Süd hätten „großes Interesse“, sie als Jugend- oder Stadtteilzentrum zu erhalten. Ein Gutachten zum Grundstückswert liege der Stadt vor. „Das wäre eine gute Lösung“, so der Dekan. Bei der 1966 errichteten Gethsemanekirche in der Gartenstadt, seit September geschlossen, sieht es anders aus. Da liefen Gespräche mit der Stiftung Schönau, der das Grundstück gehört. Die Kirche wolle den Pachtvertrag auflösen, „dann wird es dort Wohnungsbau und womöglich einen Kindergarten geben“. Was aber auch bedeutet: Zuvor steht ein Abriss an.
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