Mannheim. Kaum jemand kennt seinen Namen, dabei hat er viele Leben gerettet und Teile des Stadtbilds geprägt: Vor hundert Jahren, am 1. April 1921, trat Oberbaurat Josef Zizler die Leitung des Hochbauamts an. Zuvor in Fürth und dann in Berlin-Neukölln tätig, ist der Architekt in Mannheim vor allem für das von ihm geleitete Bunkerbauprogramm bekannt.
Aber nicht nur die grauen Kolosse hat er geplant. Das heute von den Bürgerdiensten genutzte Verwaltungsgebäude in K 7, einst für die Wasser-, Gas- und Elektrizitätswerke gebaut, ist an seinem Reißbrett entstanden, ebenso das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Planetarium im Unteren Luisenpark oder die später zur Straßenverbreiterung wieder abgebrochene Feuerwache II in der Neckarauer Straße, ferner die Albrecht-Dürer-Schule in Käfertal, die Schönauschule, die Haltestelle Tattersall mit Kiosk und Warteraum oder die Geschäftshäuser in P 5 und P 6 und schließlich das – als Technisches Rathaus errichtete – heutige Rathaus in E 5 mit einem H-förmigen Grundriss. Immer wieder hat das zu den – unbelegten – Spekulationen Anlass gegeben, man habe mit dem „H“ Hitler huldigen wollen.
„Er treibt die städtebauliche Entwicklung Mannheims voran, wobei er auf Neue Sachlichkeit und Bauhaus setzt“, so Angelika Dreißigacker vom Marchivum, die Zizlers Nachlass ausgewertet hat. „Seine Bauten sind modern und funktional, und er leitet ein Bauprogramm zur Schaffung kostengünstiger Wohnanlagen und Siedlungshäusern ein.“
Von ganz entscheidender Bedeutung für die Stadt wird aber das, was Zizler später plant und bauen lässt. Der entscheidende Tag ist etwa ein Jahr, nachdem Deutschland den Zweiten Weltkrieg begonnen hat. Im Oktober 1940 erhält Zizler in Berlin von Fritz Todt, Reichsminister für Bewaffnung und Munition, den Befehl, sofort mit dem Bau von Luftschutzbunkern zu beginnen. Anstelle der von der Führung geforderten vielen kleinen Bunker setzt Zizler aber auf ein anderes Konzept. „Jedenfalls entschloß ich mich, schon bei der Heimfahrt am 11. Oktober, gegen die Empfehlung des Reichsministers Dr. Todt, Großanlagen zu bauen (...),“ zitiert Dreißigacker aus seinem Nachlass.
Platz für bis zu 130 000 Menschen
Diese 56 Bunker bieten im Zweiten Weltkrieg in Mannheim Platz für bis zu 130 000 Menschen – und die Betonbauten retten Leben. Trotz der massiven Bombardements gibt es in keiner vergleichbaren Stadt weniger Tote durch Luftangriffe der Alliierten als in der Quadratestadt. Ein anonymes Gedicht vom 16. März 1944 rühmt den Architekten daher mit diesen Worten: „Und gibt es einst wieder vernünftigen Wein, und Federweißer und Bitzler, Verdammt, das erste Prosit ist Dein, O Massenretter Sepp Zizler!“ So reimt ein – laut Unterschrift – „dankbar Geretteter“ über Josef Zizler.
„Gegen Vorwürfe, mit den Nazis zusammengearbeitet zu haben, setzt sich Zizler nach dem Krieg entschieden zur Wehr“, weiß Andreas Schenk, der Architekturexperte vom Marchivum. Zizler sei tatsächlich nie Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Organisationen gewesen, „was ihm in der NS-Zeit manche Anfeindungen einbrachte“. Ja, einmal wird er gar aus dem Goetheplatz-Bunker „hinauskomplimentiert“ – ein Racheakt des NSDAP-Ortsgruppenleiters wegen seiner politischen Einstellung. Er habe sein lebensrettendes Programm aber umsetzen und auch das Stadtbild an manchen Stellen vor Verschandelung bewahren können, denn an markanten Plätzen realisiert er Tiefbunker statt großer Kolosse.
Zizler 1881 in Zwiesel geboren, bleibt über das Kriegsende im Amt, tritt aber 1946 altersbedingt in den Ruhestand. 1954, ein Jahr vor seinem Tod, ehrt ihn die Stadt mit der Schillerplakette. Sein Nachlass und seine Erinnerungen, die er im Ruhestand niederschreibt, befinden sich heute im größten Bunker, den Zizler gebaut hat – dem Ochsenpferchbunker, dem heutigen Marchivum.
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