Sie sind verwackelt, und es sind nur wenige Aufnahmen – aber mit großem Seltenheitswert: Die einzigen bewegten Bilder des alten Mannheimer Planetariums gehören zu den Filmschätzen des Marchivum, die nur durch von Spendern finanzierte Digitalisierung vor dem Verfall zu retten sind. Daher stellen wir jeden Donnerstag an dieser Stelle solch historische Aufnahmen vor.
Sie stammen aus dem Film „Drei Tage in Mannheim“ aus dem Nachlass des Mannheimer Filmemachers Sepp Starck von 1938, erzählt Désirée Spuhler, Leiterin Historische Personenrecherche und Audiovisuelle Sammlung des Marchivum. „Seine Leidenschaft galt dem Naturfilm“, weiß sie, Starcks berühmtestes Werk „Wanderfalken im Neckartal“ befindet sich ebenfalls in den Beständen von Mannheims Archiv.
Der Film zeigt das Planetarium inmitten des Unteren Luisenparks, dazu Bäume und Wiesen. Offenbar hat Starck im Hochsommer gefilmt – im Wasserbecken vor dem Sternentheater sieht man Kinder und Jugendliche, die hier in Badehose oder Badeanzug herumtollen, sich mit Wasser bespritzen.
Als die Aufnahmen entstehen, ist das Planetarium Mannheim gerade mal gut zehn Jahre alt. Das Sternentheater sei „eines der ersten weltweit“, so Helen Heberer, die den Stummfilm von Starck vertont. Wirklich Vorreiter ist indes München, wo das Deutsche Museum 1923 das erste Sternentheater mit einem Projektionsgerät in Betrieb nimmt. 1926 folgen Berlin, Dresden, Düsseldorf, Leipzig und Wuppertal.
Die Quadratestadt beschließt 1925 den Bau, und es ist weltweit das erste städtische Planetarium, das nicht einer anderen musealen Institution untersteht. „Auf alle Fälle gewinnt Mannheim mit dem Planetarium ein Bildungsmittel von höchstem Wert, eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges, die auch auf die Belebung des Fremdenverkehrs von günstigem Einfluss ist“, heißt es in dem Beschluss des Bürgerausschusses dazu. Der Standort ist zunächst umstritten, man bevorzugt den Bereich der Rhein-Neckar-Hallen an der bereits geplanten Autobahn (heute Standort vom Technoseum).
Dann fällt die Wahl auf den Unteren Luisenpark, auf einer kleinen Anhöhe vor dem Sportplatz. 1925 beginnen die Bauarbeiten nach den Plänen von Josef Zizler (Städtisches Hochbauamt), am 22. März 1927 ist die Einweihung. Die Einrichtung solle den „müden, mit Arbeiten überhäuften, von Sorgen erfüllten Städter aus dem Treiben des Tages herauslocken und ihn etwas von Weltgefühl, von Geheimnissen, von Wundern erleben lassen“, sagt Oberbürgermeister Theodor Kutzer.
Eine Freitreppe führt in den offenen Pfeilervorbau, dann folgt eine Vorhalle, schließlich der Kuppelbau, der 514 Personen Platz bietet. Die Rede ist von einem „künstlichen Himmelsdom“ von 25 Metern Durchmesser und 24,5 Metern Höhe, der den bei der Firma Zeiss hergestellten Projektor überwölbt.
Alten Chroniken zufolge bleibt anfangs der erhoffte Erfolg beim Publikum aus. Die Stadt verordnet Sparmaßnahmen. 1929 wird Karl Feurstein (1887-1964), Lehrer am Tulla-Gymnasium, wissenschaftlicher Leiter. Er führt populäre Vorträge über Himmelskunde und Atomphysik ein, gründet eine „Astrophysikalische Arbeitsgemeinschaft“.
Doch dann kommt der Zweite Weltkrieg. Beim Großangriff in der Nacht vom 23. auf den 24. September 1943 zerstören eine Luftmine und vier Sprengbomben, die in der Nähe einschlagen, Hausmeisterwohnung und Vortragsräume. In der Kuppel entstehen Risse – das Gebäude bleibt aber intakt.
Neubau erst 1984
Feurstein kann die meisten Geräte sichern, verpackt sie und lagert sie aus – bei der Herstellerfirma Zeiss sowie in Feldkirch. Nach dem Krieg hat aber keiner Interesse daran. „Eine erneute Inbetriebnahme wäre nach einer umfassenden Sanierung möglich gewesen“, so Andreas Schenk, der beim Marchivum die Baugeschichte erforscht hat. Doch die Stadt erwägt an dieser Stelle lieber ein Parkrestaurant, einen Pavillon für Mineralwasserkuren, ein Jugendheim oder eine Milchbar für den Sportplatz. Sie verkauft 1952 die Projektionsgeräte an die Firma Zeiss, beschließt 1953 den Abriss. „Der ging aufgrund der soliden Ausführung der Betonkuppel keinesfalls leicht vonstatten“, so Schenk.
Zur Bundesgartenschau 1975 ergreift dann „Weltraumprofessor“ und Bloomaul Heinz Haber die Initiative, wirbt für einen Neubau. Aber es dauert bis zum 2. Dezember 1984, bis er realisiert wird.
- Freunde des Stadtarchivs, Stichwort „Digitalisierung Filmbestand“, Commerzbank Mannheim IBAN DE42 6708 0050 0663 636600. Adresse für steuerabzugsfähige Spendenbescheinigung angeben.
- Wer mindestens 50 Euro zahlt, erhält nach Abschluss der Aktion eine ausführliche farbige Broschüre und eine DVD mit Auszügen der digitalisierten Filme. Ab 250 Euro werden die Unterstützer – auf Wunsch – im Abspann eines jeden Films als Unterstützer namentlich genannt.
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