Filmschätze - Historische Aufnahmen vom Mannheimer Planetarium aus dem Jahr 1938 / Abriss trotz geringer Schäden durch den Zweiten Weltkrieg

Erinnerungen an den „Himmelsdom“

Von 
Peter W. Ragge
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Unscharf, aber eine besondere Aufnahme: spielende Kinder 1938 vor dem alten Mannheimer Planetarium. © Marchivum

Sie sind verwackelt, und es sind nur wenige Aufnahmen – aber mit großem Seltenheitswert: Die einzigen bewegten Bilder des alten Mannheimer Planetariums gehören zu den Filmschätzen des Marchivum, die nur durch von Spendern finanzierte Digitalisierung vor dem Verfall zu retten sind. Daher stellen wir jeden Donnerstag an dieser Stelle solch historische Aufnahmen vor.

Sie stammen aus dem Film „Drei Tage in Mannheim“ aus dem Nachlass des Mannheimer Filmemachers Sepp Starck von 1938, erzählt Désirée Spuhler, Leiterin Historische Personenrecherche und Audiovisuelle Sammlung des Marchivum. „Seine Leidenschaft galt dem Naturfilm“, weiß sie, Starcks berühmtestes Werk „Wanderfalken im Neckartal“ befindet sich ebenfalls in den Beständen von Mannheims Archiv.

Der Film zeigt das Planetarium inmitten des Unteren Luisenparks, dazu Bäume und Wiesen. Offenbar hat Starck im Hochsommer gefilmt – im Wasserbecken vor dem Sternentheater sieht man Kinder und Jugendliche, die hier in Badehose oder Badeanzug herumtollen, sich mit Wasser bespritzen.

Als die Aufnahmen entstehen, ist das Planetarium Mannheim gerade mal gut zehn Jahre alt. Das Sternentheater sei „eines der ersten weltweit“, so Helen Heberer, die den Stummfilm von Starck vertont. Wirklich Vorreiter ist indes München, wo das Deutsche Museum 1923 das erste Sternentheater mit einem Projektionsgerät in Betrieb nimmt. 1926 folgen Berlin, Dresden, Düsseldorf, Leipzig und Wuppertal.

Die Quadratestadt beschließt 1925 den Bau, und es ist weltweit das erste städtische Planetarium, das nicht einer anderen musealen Institution untersteht. „Auf alle Fälle gewinnt Mannheim mit dem Planetarium ein Bildungsmittel von höchstem Wert, eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges, die auch auf die Belebung des Fremdenverkehrs von günstigem Einfluss ist“, heißt es in dem Beschluss des Bürgerausschusses dazu. Der Standort ist zunächst umstritten, man bevorzugt den Bereich der Rhein-Neckar-Hallen an der bereits geplanten Autobahn (heute Standort vom Technoseum).

Dann fällt die Wahl auf den Unteren Luisenpark, auf einer kleinen Anhöhe vor dem Sportplatz. 1925 beginnen die Bauarbeiten nach den Plänen von Josef Zizler (Städtisches Hochbauamt), am 22. März 1927 ist die Einweihung. Die Einrichtung solle den „müden, mit Arbeiten überhäuften, von Sorgen erfüllten Städter aus dem Treiben des Tages herauslocken und ihn etwas von Weltgefühl, von Geheimnissen, von Wundern erleben lassen“, sagt Oberbürgermeister Theodor Kutzer.

Eine Freitreppe führt in den offenen Pfeilervorbau, dann folgt eine Vorhalle, schließlich der Kuppelbau, der 514 Personen Platz bietet. Die Rede ist von einem „künstlichen Himmelsdom“ von 25 Metern Durchmesser und 24,5 Metern Höhe, der den bei der Firma Zeiss hergestellten Projektor überwölbt.

Alten Chroniken zufolge bleibt anfangs der erhoffte Erfolg beim Publikum aus. Die Stadt verordnet Sparmaßnahmen. 1929 wird Karl Feurstein (1887-1964), Lehrer am Tulla-Gymnasium, wissenschaftlicher Leiter. Er führt populäre Vorträge über Himmelskunde und Atomphysik ein, gründet eine „Astrophysikalische Arbeitsgemeinschaft“.

Doch dann kommt der Zweite Weltkrieg. Beim Großangriff in der Nacht vom 23. auf den 24. September 1943 zerstören eine Luftmine und vier Sprengbomben, die in der Nähe einschlagen, Hausmeisterwohnung und Vortragsräume. In der Kuppel entstehen Risse – das Gebäude bleibt aber intakt.

Neubau erst 1984

Feurstein kann die meisten Geräte sichern, verpackt sie und lagert sie aus – bei der Herstellerfirma Zeiss sowie in Feldkirch. Nach dem Krieg hat aber keiner Interesse daran. „Eine erneute Inbetriebnahme wäre nach einer umfassenden Sanierung möglich gewesen“, so Andreas Schenk, der beim Marchivum die Baugeschichte erforscht hat. Doch die Stadt erwägt an dieser Stelle lieber ein Parkrestaurant, einen Pavillon für Mineralwasserkuren, ein Jugendheim oder eine Milchbar für den Sportplatz. Sie verkauft 1952 die Projektionsgeräte an die Firma Zeiss, beschließt 1953 den Abriss. „Der ging aufgrund der soliden Ausführung der Betonkuppel keinesfalls leicht vonstatten“, so Schenk.

Zur Bundesgartenschau 1975 ergreift dann „Weltraumprofessor“ und Bloomaul Heinz Haber die Initiative, wirbt für einen Neubau. Aber es dauert bis zum 2. Dezember 1984, bis er realisiert wird.

  • Freunde des Stadtarchivs, StichwortDigitalisierung Filmbestand“, Commerzbank Mannheim IBAN DE42 6708 0050 0663 636600. Adresse für steuerabzugsfähige Spendenbescheinigung angeben.
  • Wer mindestens 50 Euro zahlt, erhält nach Abschluss der Aktion eine ausführliche farbige Broschüre und eine DVD mit Auszügen der digitalisierten Filme. Ab 250 Euro werden die Unterstützer – auf Wunsch – im Abspann eines jeden Films als Unterstützer namentlich genannt.
Lokales

"Filmschätze retten": Mannheimer Planetarium im Jahr 1938

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Redaktion Chefreporter

Thema : Filmschätze retten

  • Mannheim Es ging los mit dem Großherzog

    Er trägt Uniform mit Pickelhaube, die Herren um ihn herum Frack und Zylinder – den sie aber flink und ehrerbietig vor ihm ziehen. Schließlich lautet seine Anrede „Königliche Hoheit“. Es ist der Erbgroßherzog Friedrich II. von Baden. Am 1. Mai 1907 kommt er nach Mannheim. Der Film davon sind die ältesten Bewegtbild-Aufnahmen, die es von Mannheim gibt. Sie stellte diese Zeitung im Oktober 2017 vor und begann damit die Serie „Filmschätze retten“. Heute endet sie, und alle Leser können zum Abschluss eine DVD mit historischen Streifen gewinnen. Die Aktion „Filmschätze retten“: hatten Marchivum und Freundeskreis Marchivum gestartet und als Unterstützer dafür diese Zeitung gewonnen. Zunächst ging es um Spenden für die Digitalisierung der rund 500 Filme umfassenden Sammlung. Den alten Rollen drohte das Essigsäure-Syndrom, sie lösen sich also durch chemische Prozesse auf. „Nur wenn der analoge Bestand digitalisiert wird, kann er für künftige Generationen gerettet werden“, so Marchivum-Direktor Ulrich Nieß. 67 500 Euro an Spenden Bis Juli 2018 haben wir jeden Donnerstag unter dem Motto „Filmschätze retten“ historische Aufnahmen aus den Beständen des Marchivum vorgestellt – auf dieser Seite im Kulturteil und im Morgenweb. Wegen der großen Resonanz setzten wir die Serie nach Abschluss der Spendenaktion fort, veränderten aber Ziel und Rhythmus. Ab September 2018 gab es jeweils am ersten Donnerstag im Monat Bilder und Informationen zu einem historischen Film – verbunden mit einem neuen Aufruf des Marchivum. Es bat darum, dass viele Mannheimer ihre privaten Filmschätze dem Marchivum anbieten, damit sie digitalisiert, fürs Archiv erschlossen und (auf Wunsch) zurückgegeben werden. Auf beide Aufrufe gab es sehr viele Reaktionen. Die Spendenaktion erbrachte 67 500 Euro. „Damit haben wir unseren Filmbestand komplett digitalisieren können“, so Désirée Spuhler, der die audiovisuelle Sammlung des Marchivum untersteht. Überwiegend handelte es sich um Stummfilmmaterial. Dazu verfasste dann Julia Scialpi vom Freundeskreis Marchivum Texte für eine Vertonung, die Stadträtin und Freundeskreis-Vorsitzende Helen Heberer als Sprecherin aufnahm. Technische Hilfe bei der Umsetzung leistete Andreas Etzold (RNF). 21 dieser Clips sind nun auch auf DVD verewigt. Aufnahmen vom Krieg, vom Wiederaufbau des zerstörten Mannheim, vom legendären Blumencorso des Einzelhandels 1967, der Tombola für den Wiederaufbau des Nationaltheaters 1957, vom alten Planetarium 1935, von der Überführung des Sargs des Kurfürsten in die Schlosskirche 1957, vom Besuch von Bundeskanzler Konrad Adenauer im Rosengarten 1953, vom Autohaus Kannenberg mitten im „Wirtschaftswunder“ 1956, von einer „Zeppelin“-Landung 1930, vom alten Eisstadion Friedrichspark 1938, aber auch seltene Luftaufnahmen von 1926, von Nazi-Propaganda und den bald darauf enteigneten jüdischen Geschäften weckten viele Erinnerungen und zeigten den beeindruckenden Wandel der Stadt. Außer den vielen Geldspenden sind zudem über 100 private Filmspulen abgegeben worden, die nun – digitalisiert – die Marchivum-Bestände bereichern und künftig auch für Ausstellungen verwendet werden können. Nieß spricht daher zufrieden von „einem höchst erfolgreichen Projekt“. Schauen und Staunen „Wir haben allen Spendern zu danken und sind von der Breite der Unterstützung und dem Engagement des „Mannheimer Morgen“ überwältigt“, so Nieß. Der Erfolg der Aktion „Filmschätze retten“ sei dabei „nicht in Geld aufzuwiegen“, betont der Direktor. „Nicht nur, dass die erforderliche Spendensumme für die Digitalisierung der Filme zusammen kam, vielmehr trägt die Aktion zur Identitätsstiftung mit dem Marchivum bei“, freut er sich. „Hier ist der Ort für eine breit aufgestellte audiovisuelle Sammlung, die eindrucksvoll Mannheims Geschichte in Bildern dokumentiert. Das animiert zum Schauen, Staunen, aber auch zur Nachdenklichkeit, wie wir mit unserem historischen Erbe umgehen wollen“, so Ulrich Nieß.

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