Mannheim. Schon beim Einsteigen ist Diana Pretzell begeistert. „Das riecht ja ganz toll“, schwärmt die Mannheimer Umweltbürgermeisterin. So gern sie generell mit der Straßenbahn fahre, fände sie den Geruch bisweilen etwas unangenehm. Hier liegt das angenehme Odeur daran, dass etwa die Hälfte der Plätze mit Pflanzen besetzt ist. Andere schlängeln sich an den Stangen und unter der Decke entlang, was menschliche Fahrgäste im Regelfall ja auch eher nicht machen.
Eine Berliner PR-Agentur hat dafür den Begriff „Dschungelbahn“ ersonnen. Den verwenden die Verantwortlichen in Mannheim allerdings bisher nur sehr dosiert. Der offizielle Name lautet die Grüne Bahn, angeblich handelt es sich um die erste fahrende und durchgängig bepflanzte Straßenbahn weltweit.
Grüne Bahn ist Teil des normalen Tarifsystems
Sie wird von diesem Mittwoch an bis einschließlich Sonntag, 18. Juni, täglich von 10 bis 18 Uhr durch die Innenstadt fahren. Die Route führt vom Hauptbahnhof über Schloss, Marktplatz und Rosengarten wieder zum Hauptbahnhof. Dies dauert ungefähr zwölf Minuten, das dürfte dann auch der Takt sein. An Haltestellen-Schautafeln, in Fahrplänen und Verkehr-Apps wird die „Dschungelbahn“ nicht angezeigt.
Es sind keine speziellen Tickets erforderlich, das normale Tarifsystem gilt. An jeder der insgesamt neun Haltestellen kann man aus- und zusteigen - sofern zwischen all den Pflanzen gerade noch Platz ist, versteht sich. Darauf achten zwei Security-Männer, die Menschen mit eingeschränkter Mobilität bei Bedarf auch über die Stufen helfen.
Leider nicht barrierefrei
Ein barrierefreier Zugang sei leider nicht möglich gewesen, bedauert Christian Specht, der für den Öffentlichen Nahverkehr zuständige Erste Bürgermeister. Es handle sich um eine nostalgische Bahn, die - unbegrünt - schon bei der Bundesgartenschau 1975 in Mannheim im Einsatz gewesen sei. Zuletzt habe man sie nach Helsinki verliehen, davon zeugen noch einige finnische Beschriftungen. So steht auf dem Halteknopf „Pysähtyy Stanar“. Drückt man darauf, ertönt vorne ein dezentes Klingeln. „Sehen Sie, es funktioniert noch!“, frohlockt Specht.
Seine Dezernenten-Kollegin Pretzell wiederum freut sich sehr über den markierten Platz für Kinderwagen. Einen solchen dabeizuhaben, dürfte allerdings nun mit all den Pflanzen schwer möglich sein. Gleiches gilt für Fahrräder. Aber Pretzell, die ihres gern mal in der Bahn mitnimmt, findet das nicht schlimm: „So eine kurze Strecke wie auf dieser Route würde ich natürlich immer gleich mit dem Rad fahren.“
Ohnehin ist bei der Pressetour die Begeisterung bei allen Beteiligten groß. Auch Buga-Chef Michael Schnellbach schwärmt von einem „tollen Projekt“, das hervorragend zur laufenden Gartenschau passe. Aus Besucher-Befragungen wüssten sie, dass fast jeder Zweite mit dem Öffentlichen Nahverkehr käme. Aber warum lässt man die „Dschungelbahn“ dann nicht, wie den Buga-Express, zwischen Hauptbahnhof und Spinelli pendeln? Dazu sei der Weg nach Feudenheim etwas zu weit, erklärt Frank Ehemann von der Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft (RNV). In der Innenstadt erreiche man eine deutlich höhere öffentliche Aufmerksamkeit.
Darum geht es bei diesem Projekt. Maßgeblich getragen wird es von Engagement Global, einer gemeinnützigen Gesellschaft, die sich im Auftrag der Bundesregierung unter anderem um die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung kümmert, die sich die Vereinten Nationen in ihrer Agenda 2030 gesetzt haben.
Diese guten Vorsätze müsse man praktisch anschaulich machen, so Projektleiter Christian Mäntele. Der Öffentliche Nahverkehr eigne sich sehr gut, weil er Ressourcen schone, Umwelt- und Lärmschutz diene.
Die Kosten der Grünen Bahn beziffert Mäntele auf 32 000 Euro. Sie würden von Engagement Global getragen, die Stadt müsse nichts bezahlen. Das macht die Freude der Dezernenten nicht geringer. Als heißeste Stadt Deutschlands sei Mannheim mit seinen ambitionierten Klimazielen für eine solche Aktion auch sehr geeignet, sagt Pretzell. Specht weist indes darauf hin, dass eine Straßenbahn voller Pflanzen im Alltag wenig nachhaltig wäre. Abgesehen von wegfallenden Sitzplätzen seien Wässern, Belüften, Pflege und Schutz ein enormer Aufwand.
Security-Mann mit Sprühflasche
Gärtnerbetreiber Bernd Otto berichtet, nach Fahrtende um 18 Uhr kämen jeden Abend, bei kühlerem Wetter jeden zweiten, seine Mitarbeiter zum Gießen und zur Pflege vorbei. Zum Glück habe sich auch einer der Security-Männer als großer Blumenfreund entpuppt, „der kriegt von mir eine Sprühflasche mit“.
Der Mannheimer Blumenhändler hat die Pflanzen für die Aktion ausgewählt und besorgt. Zum Abschluss werden sie an Interessierte als Souvenirs vergeben. Wer sich vorab unter www.rnv-online.de/gruene-strassenbahn anmeldet, kann sich am 18. Juni zwischen 14 und 18 Uhr eine abholen. Voraussetzung: Er muss zusagen, selbst etwas Konkretes in puncto Nachhaltigkeit zu tun. Da reicht im Zweifel vielleicht schon ein guter Vorsatz.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheimer "Dschungelbahn" ist ein hübscher Werbegag