Mannheim. Corona hat bereits während der Virus-Pandemie das Mannheimer Arbeitsgericht beschäftigt - mit Klagen gegen Kündigungen wegen Verweigern einer Gesichtsmaske oder Vorlage gefälschter Impfzertifikate. Jetzt erreichen Covid-Streitfälle das Sozialgericht: Es geht meist um das Klären der Frage, ob ein Arbeitsunfall beziehungsweise eine Berufskrankheit vorliegt.
Beim Stichwort Arbeitsunfall dürften zunächst Stürze und Verletzungen in den Sinn kommen. Zu Ereignissen, die während eines unfallversicherten Jobs „zeitlich begrenzt auf den Körper einwirken“, so die gängige Definition, kann freilich auch eine Infektion zählen. Allerdings sind die Beweishürden hoch, wenn die berufliche Tätigkeit nicht in einem anerkannten Gefährdungsbereich, beispielsweise auf einer Krankenhausstation, verrichtet worden ist.
Klage gegen die Berufsgenossenschaft
Dieser Tage verhandelte am Mannheimer Sozialgericht die Kammer von Alexander Angermaier eine Klage gegen die Berufsgenossenschaft (BG): Ein inzwischen schwer lungenkranker Mann, der als Vertriebsspezialist von seinem Arbeitgeber, einem international tätigen Unternehmen, in die USA zur Schulung dortiger Kunden geschickt worden war, will erreichen, dass sein Covid-Ausbruch als Arbeitsunfall oder Berufserkrankung anerkannt wird - was die BG ablehnt.
Dass sich der 51-Jährige während seiner Dienstreise jenseits des Ozeans das Virus „eingefangen“ hat, ist unstrittig. Außerdem hat eine amerikanische Ärztin Covid bestätigt. Allerdings vermag der Kläger lediglich den ungefähren Zeitraum der Infektion einzukreisen - nicht aber auf eine konkrete Kontaktperson oder einen speziellen Arbeitstag zu begrenzen.
Sozialrichter Angermaier führt aus: Als Beweislast zur Anerkennung von Covid als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit sehe die Rechtsprechung vor, dass zumindest eine bestimmte Arbeitsschicht, üblicherweise ein Acht-Stunden-Tag, als zeitliche Spanne einer Virusübertragung nachvollziehbar sein muss. Weil dies nicht gelingt, weist die Kammer die Klage ab - „auch wenn so ein Urteil für den Betroffenen unbefriedigend ist“, wie der Richter einräumt.
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Einkauf als vergleichbares Risiko
Solcherart Fälle sind momentan nicht nur in Mannheim, sondern auch an anderen Sozialgerichten anhängig. Beispielsweise scheiterte Mitte September vor dem Sozialgericht Konstanz eine an Covid erkrankte Büroangestellte mit einer Klage gegen die Berufsgenossenschaft. Die 48-Jährige hatte ihre Ansteckung mit infektiösen Kollegen begründet. Das Gericht sah allerdings keinen zwingenden Kausalzusammenhang - es bewertete die Lebensmitteleinkäufe der Frau während der Inkubationszeit als vergleichbar großes Risiko für eine Virus-Übertragung.
Alexander Angermaier, Vizepräsident des Mannheimer Sozialgerichts, geht davon aus, dass demnächst noch anders gelagerte Corona-Streitfälle juristisch herausfordern werden - rund um die Anerkennung von Spätfolgen einer Covid- Erkrankung, insbesondere wenn Symptome erst stark verzögert aufgetreten sind. Da ärztliche Gutachter für dieses neue Medizingebiet rar sind, befinden sich derzeit noch viele Anträge bei Berufsgenossenschaften in der Warteschleife. Nach deren Bearbeitung dürften so manche nicht akzeptierte BG-Entscheidungen vor Sozialgerichten landen.
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