Innenstadt

Händler rund um Mannheimer Marktplatz verzeichnen starken Umsatzrückgang

Nach dem Attentat am Mannheimer Marktplatz beobachten Unternehmen rund um den Tatort das Wegbleiben vieler Kunden. Wirtschaftsdezernent, Händler und Polizei beraten nun, wie man das Viertel wieder attraktiver gestalten kann

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Sebastian Koch
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Auch am Donnerstag, an dem das Foto entstanden ist, besuchen Menschen die Gedenkstätte am Brunnen des Marktplatzes. © Thomas Tröster

Mannheim. Fast eineinhalb Monate sind vergangen, seitdem Sulaiman A. auf dem Marktplatz sechs Menschen mit einem Messer verletzt hat. Der Polizist Rouven Laur war danach seinen Verletzungen erlegen. Auch deshalb beschäftigt das Attentat die Stadt noch immer, was sich an den Menschen zeigt, die auch am Mittwoch gegen 18 Uhr an der Gedenkstätte innehalten und Blumen niederlegen.

Aber auch in umliegenden Quadraten wird an diesem Abend über jenen 31. Mai gesprochen. In einem Nebenzimmer im Café Taksim in H 3 haben Wirtschafts- und Sozialdezernent Thorsten Riehle (SPD), die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sowie der Vorstand des Ortsvereins Marktplatz Mannheim (OMMA) Journalistinnen und Journalisten eingeladen, um über die Auswirkungen das Attentat auf das Viertel zu sprechen. Vor allem soll das Treffen Startschuss dafür sein, die Gegend attraktiver zu gestalten.

Kommentar Bei der Aufwertung von Mannheims Marktplatz-Viertel sind viele Seiten gefordert!

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Sebastian Koch
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Wer steht hinter der Idee und welchen Grund gibt es dafür?

Riehle erklärt, dass nach dem Attentat sowohl der Landesjugendvorsitzende der GdP, Jonas Witzgall, als auch der Vorsitzende des OMMA, Kenan Nalci, auf ihn zugekommen seien, um über das „schwieriger“ werdende Thema Zusammenhalt zu sprechen. So würden etwa die Händler merklich unter Umsatzverlusten leiden. „Wir wollen mit den Händlern, aber auch mit Vertreterinnen und Vertretern von Vereinen in den Austausch kommen“, sagt Riehle. Der Dezernent fürchtet, dass das Attentat das, wie Riehle es nennt, Schwarzweiß-Denken in der Gesellschaft über „die“ Muslime, die das zugelassen hätten, und „wir“, die vor denen Angst haben müssen, befördert habe. „Ich hatte gehofft, wir sind da schon weiter. Das Attentat hat aber gezeigt, dass es kein Selbstläufer ist, dieses Denken abzulegen.“

Wie ist die Situation in den G- und H-Quadraten um den Marktplatz?

Schwierig. Seit dem islamistisch motivierten Attentat seien „alle Umsätze“ rund um den Marktplatz zurückgegangen. „Menschen von außerhalb haben Angst, hierher nach Mannheim zu kommen. Das Image der Stadt ist verletzt“, sagt OMMA-Vorsitzender Nalci. „In den Wochen nach dem Attentat ist fast die Hälfte der Kunden weggeblieben.“ Mehrfach betont er, wie tief die Händlerinnen und Händler vom Attentat, „von diesem schrecklichen und schlimmen Tag“, betroffen seien. Rouven Laur sieht Nalci „wie einen Bruder oder einen Sohn“, der getötet worden ist. Gleichzeitig sieht er die Gefahr, als Muslim mit dem Attentäter über einen Kamm geschert zu werden. „Dieses Viertel, auf das die Stadt stolz ist, darf nicht kaputtgehen. Wir dürfen das nicht verlieren.“

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Diese Sorge äußert auch Unternehmer Nuri Tanis. Die Integrationsarbeit von Stadt und Gesellschaft der vergangenen Jahre leide. „Wir spüren, dass das schlimme Ereignis uns allen geschadet hat.“ Mannheim sei immer stolz auf die Abertausenden Menschen verschiedener Nationalitäten gewesen, die an Wochenenden rund um den Marktplatz zusammengekommen waren. „Um das nicht zu gefährden, müssen wir uns zusammensetzen und diskutieren, wie wir die Zukunft gestalten.“

Ist das Attentat der alleinige Grund für den Rückgang?

Nein. Die Händlerinnen und Händler sehen auch die vielen politisch polarisierenden Demonstrationen kritisch, die seit einiger Zeit auf dem Marktplatz stattfinden, und die - so der Tenor - bei vielen Unternehmern auf Unverständnis stoßen. „Bei uns herrscht Angst, dass wir wieder alle verdächtig sind, wenn da was passiert. Egal, was und welche politische Richtung das hat.“

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Riehle, so der Eindruck, versteht diese Sorge prinzipiell. Die vielfache Bitte, als Stadt keine politischen Demonstrationen und Kundgebungen auf dem Platz mehr zuzulassen, kann er aufgrund des Versammlungsrechts aber wohl nicht nachkommen. Die Händler kritisieren auch den Zustand der Breiten Straße, die Verschmutzung oder organisierte Bettlerbanden. Das sind Probleme, die lange vor dem 31. Mai, teilweise seit Jahren, zu beobachten sind. Inwieweit Umsätze bereits vor dem Attentat zurückgegangen sind, lässt sich während der Pressekonferenz nicht abschließend klären.

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Riehle moniert seinerseits den Zustand der Breiten Straße und zudem die fehlende Angebotsvielfalt am und um den Marktplatz. „Immer dasselbe vom Gleichen ist keine Vielfalt.“ Ähnlich hatte er sich auch Ende Juni im Interview mit dieser Redaktion geäußert. Am Mittwoch berichtet er von Gesprächen, die er mit Gewerbetreibenden dazu führe.

Wie geht es nun weiter?

Direkt im Anschluss an die Pressekonferenz hat es einen ersten Austausch aller Beteiligten gegeben, an dem laut Riehle etwa 50 Gewerbetreibende sowie Vorstände von Moschee- und Kulturvereinen sowie Lutz Pauels, Vorsitzender der City-Werbegemeinschaft, teilgenommen haben. Es bestehe das „große Bedürfnis“, erklärt der Dezernent, zusammenzurücken. Es sei vereinbart worden, sich in Arbeitsgruppen weiter auszutauschen. Zudem sei über einen großen Tisch gesprochen worden, an dem Menschen nach der Sommerpause auf dem Marktplatz zusammen essen und miteinander ins Gespräch kommen können, sagt Riehle. Während der Pressekonferenz kommt außerdem die Idee eines Straßenfests auf, das im Viertel stattfinden könne.

Welche Rolle spielt die GdP?

Der Vorsitzende der Landesjugend erklärt, Stadt und Demokratie nur gemeinsam stärken zu können. „Es darf nicht passieren, dass der Vorfall einen Rechtsruck in Deutschland ermöglicht“, sagt Witzgall. Durch höhere Präsenz könne die Polizei die (gefühlte) Sicherheit im Viertel erhöhen. Chiara Thirolf, stellvertretende Vorsitzende, erklärt, dass Unternehmer bei Straßenfesten die Polizei einbinden können. „Wir können Straßenfeste nicht organisieren, aber wir können sie schützen, damit Menschen das Viertel als Ort der Zusammenkunft sehen können.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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