Stadtgeschichte - 50 Jahre Bloomaul – oder wie aus einem Fasnachtsorden und einer „unzumutbaren Skulptur“ eine bürgerschaftliche Auszeichnung wurde

Große Ehre mit Augenzwinkern

Von 
Peter W. Ragge
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Verleihung 1972: v. l. Monika Kulczinski, Horst Rienkens, Rainer von Schilling, Anneliese Rothenberger, Heinz Haber, Hans Maurer und Franz Biedermann. © Thomas

Eigentlich gehört sich das ja nicht: jemanden das Hinterteil entgegenstrecken. Und doch ist eine Bronzefigur, bei der ein Männlein genau das macht, zur begehrtesten Auszeichnung Mannheims geworden – der Bloomaulorden. Vor 50 Jahren hat ihn der spätere, langjährige „MM“-Herausgeber Rainer von Schillinger erstmals verliehen; damals noch beim Prinzenfrühstück.

1970 amtiert er als Fasnachtsprinz Rainer I. von Pressalien. Er gilt als unorthodoxer Regent, der eigene Akzente setzen und das strenge Reglement der Funktionäre auch mal durchbrechen will. So kreiert er einen Orden, den der Prinz selbst vergibt – während ja sonst immer die Ordonnanz oder die Elferräte dem jeweiligen Regenten einflüstern, wen er gefälligst auszuzeichnen hat.

Die allererste Verleihung wird im „MM“ damals so geschildert: „Dann aber erhob sich der Prinz, rückte die Kappe zurecht, räusperte sich gedankenschwanger und hub an, die Stiftung eines Ordens zu verkünden“. Er solle alljährlich beim Prinzenfrühstück in einem einzelnen Exemplar verliehen werden, an einen „waschechten Mannemer“ und „klooren Kerl“. „Bloomaul“ sei „ein Ehrentitel und eine ehrenvolle Auszeichnung“, nur mit einer Verpflichtung verbunden: die Laudatio auf den jeweiligen Nachfolger zu halten.

Freche Denkmal-Variante

„Der tut mir jetzt schon leid“, so die spontane Reaktion von dem Mann, der den ersten Bloomaulorden erhält. Es ist Franz Schmitt, „Schmitte Franzl“ genannt, freier Journalist, vor allem legendärer Gerichtsreporter, und Autor des 1960 erstmals und danach ganz oft wieder aufgelegten Büchleins „Des is halt Mannemerisch“ sowie der beliebten Mundart-Hörfunkserie „Knorzebachs“.

Als Orden wählt Rainer von Schilling bewusst eine pfundschwere Bronzefigur des Blumepeter, wie er durch seine gespreizten Beine nach hinten schaut. Sie ist einmal als „unzumutbar“ abgelehnt worden: 1966, als der „Mannheimer Morgen“ zu seinem 20. Geburtstag den Mannheimern einen Brunnen schenkt. Dargestellt werden soll der Blumepeter, freilich nicht als Denkmal für den geistig wie körperlich zurückgebliebenen, 1940 in Wiesloch gestorbenen Blumenverkäufer. Den haben viele zwar schon als ein etwas skurriles, pfiffig-bauernschlaues Original („Kaaf mer ebbes ab“) in Erinnerung, aber viele Anekdoten und Witze hat man ihm wohl eher zugeschrieben. Doch deshalb schien er das richtige Symbol, um der Kurpfälzer Lebensart, der teils etwas aufmüpfigen Lebensphilosophie, dem urwüchsig-derben Mutterwitz der Mannheimer ein Denkmal zu setzen.

Bei einem Wettbewerb für diese Skulptur siegt der Mannheimer Bildhauer Gerd Dehof. In Bronze gegossen und auf den Gockelsmarkt, später den Kapuzinerplanken platziert wird von seinen zwei Entwürfen die „brave“ Variante, bei der die Figur lächelnd dasitzt. Die andere, frechere Variante verschwindet im Schrank.

Geheim tagendes Gremium

Rainer von Schilling holt sie aber ein paar Jahre später heraus – als Orden. Wofür man ihn bekommt, weiß eigentlich bis heute keiner so genau. Regularien gibt es nicht schriftlich, werden lediglich mündlich überliefert. Es heißt, die Person müsse „das Herz auf dem rechten Fleck haben“, Mannheimer Witz, Schlagfertigkeit sowie kurpfälzer Lebensart verkörpern und sich für die Gemeinschaft engagieren. Nur gebürtiger Mannheimer muss man nicht – besser: nicht mehr – sein. Die Entscheidung trifft ein geheim tagendes Gremium, dem neben dem Ordensstifter ein Repräsentant der Bürgerschaft (derzeit Achim Weizel) und ein aus dem Feuerio kommender, der Fasnacht verbundener Mann (derzeit Bert Siegelmann) angehören. Seit dem Tod des Ordensstifters 2007 komplettiert 2008 Markus Haass das Trio.

Die Verleihung ist indes nicht mehr beim Prinzenfrühstück. Schon der zweite Orden, den die berühmte Sängerin Anneliese Rothenberger erhält, wird ihr bei der Feuerio-Prunksitzung überreicht. Die dritte Auszeichnung, 1972 für Weltraumprofessor Heinz Haber findet bereits im Nationaltheater statt.

Längst tragen die Ausgezeichneten „das Figürle“, wie manche liebevoll zu der einst als „unzumutbar“ bezeichneten Bronzeplastik sagen, mit großem Stolz. Aus dem Bloomaulorden ist weit mehr als ein Fasnachtsorden geworden. Er hat den Stellenwert einer, wenn auch etwas augenzwinkernd gemeinten, bürgerschaftlichen Auszeichnung, hoch angesehen und manchmal mit sehr viel Neid betrachtet.

Wer ihn hat, der wird in Mannheim gar bei offiziellen Begrüßungen protokollarisch in vorderer Reihe bedacht. Das liegt an den Ordensträgern selbst – geachteten Bürgern, die sich über den von „blooen“ wie „aufschneiden“ abgeleiteten, aber längst salonfähig gemachten Utznamen freuen und sich auch oft für ihre Vaterstadt oder bei Benefizveranstaltungen stark ins Zeug legen.

Redaktion Chefreporter

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