Eckpunkte vorgelegt

Gemeinsamer rot-grüner Schlussspurt vor der Mannheimer OB-Wahl

Jetzt wollen sie mit vereinten Kräften Thorsten Riehle doch noch zum Sieg verhelfen: SPD und Grüne haben sich vor der zweiten Runde der Mannheimer OB-Wahl auf gemeinsame Eckpunkte verständigt

Von 
Steffen Mack
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Demonstrative Geschlossenheit: Stefan Fulst-Blei (v.l.), Lena Kamrad und Thorsten Riehle von der SPD mit den Grünen Nils-Olof Born (mit Tochter Elise), Sophia Dittes und Tamara Beckh. © Christoph Blüthner

Mannheim. Weit musste Thorsten Riehle nicht gehen. Der schattige, idyllische Hinterhof in der Mannheimer Waldhofstraße, in den SPD und Grüne am Dienstagmorgen zur Pressekonferenz eingeladen haben, liegt nur einen Steinwurf von seinem Capitol entfernt. Jenen „ganz wunderbaren Ort“ hätten sie mit Bedacht gewählt, sagt Riehle. Den Bewohnern dieses Hauses sei vor Jahren gelungen, es zu kaufen und damit Spekulanten zu entziehen. So bleibe bezahlbarer Wohnraum, gerade hier in der Neckarstadt wichtig, dauerhaft erhalten. „Solche Projekte zu unterstützen, ist meine Aufgabe als Oberbürgermeister.“

Doch noch muss der Sozialdemokrat das ja erst mal werden. Zu diesem Zweck haben Spitzenvertreter der beiden Parteien nun eine vierseitige Vereinbarung mitgebracht. Überschrift: „Fortschritt für Mannheim - sozial und ökologisch.“

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Ein Fortschritt, der Begriff steht auch groß auf seinen „Stichwahl“-Plakaten, ist das Papier zunächst mal für Riehle selbst. Damit unterstützen ihn die Grünen nun auf der Zielgeraden der OB-Wahl, ihr Kandidat Raymond Fojkar hat ja auf den zweiten Durchgang am 9. Juli verzichtet.

Riehle zeigt sich für das Vertrauen der Grünen „sehr dankbar“. In guten Gesprächen habe man große Schnittmengen zwischen beiden Seiten festgestellt und daraus die gemeinsamen Eckpunkte entwickelt. Konkret sind etwa zusätzliche zehn bis 15 Millionen Euro für Photovoltaik-Anlagen vorgesehen, je zur Hälfte für Privathäuser sowie für öffentliche Gebäude gedacht. Die Mittel sollen möglichst aus Förderprogrammen von EU, Bund und Land kommen. Im Zweifel müsse sich die Stadt aber „selbst zu diesem Beitrag bekennen“, heißt es im Papier. Mit weiteren zwei Millionen wollen SPD und Grüne die Teilentsiegelung öffentlicher Plätze voranbringen.

Die „erste und letzte“ Generation

„Wir sind die erste Generation, die erlebt, wie wir unter dem Klimawandel leiden“, sagt Riehle. „Wir sind aber auch die letzte Generation, die daran etwas ändern kann.“

Auch in der Verkehrspolitik haben sich die beiden Parteien auf eine gemeinsame Haltung verständigt. Bis 2030 sollen alle Durchgangsverkehre - gezielte Fahrten etwa zum Einkaufen zählen dazu nicht - um die Quadrate herumgeleitet werden und verkehrsberuhigte Bereiche in der gesamten Innenstadt entstehen. Vorgesehen sind auch eine bessere Navigation, zusätzliche „Park & Ride“-Angebote sowie, sofern möglich, vergünstige Nachtstellplätze für Anwohner in Parkhäusern.

Keineswegs wolle man dem Einzelhandel schaden, betont Riehle. „Wir sehen es genau umgekehrt.“ Von einer attraktiveren Innenstadt würden auch die Geschäfte profitieren. Es gehe nicht darum, Autos zu verbrämen. Doch müssten eben auch die Interessen der Anwohner und anderer Verkehrsteilnehmer berücksichtigt werden. Er sei neulich nachts in der Kunststraße gewesen, die dortige Blechlawine habe ihn „tatsächlich schockiert“.

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Bei den im Verkehrsbereich wie generell zum Klimaschutz vereinbarten Maßnahmen sei vor allem Geschwindigkeit nötig, so der Grünen-Kreisvorsitzende Nils-Olof Born. Auf Nachfrage bestätigen er und Riehle indes, dass ihre Vereinbarung am Zeitplan beim Verkehrsversuch nichts ändert. Die Verwaltung will im November Vorschläge vorlegen, wie sich eine Durchfahrt-Sperre in der Fressgasse dauerhaft etablieren lässt. Für die Kunststraße soll erst noch ein ganz neues Konzept erstellt werden. Neu sei nun aber vor allem das miteinander verabredete „Commitment“, Durchgangsverkehre bis 2030 ganz aus den Quadraten herauszubringen, sagt der Grünen-Kreisvorsitzende.

Auf Papas Arm alles besser

Born hat seine sechs Monate alte Tochter Elise dabei. Anfangs weint sie in ihrem Maxi-Cosi. Als sie dann auf Papas Arm darf, bessert sich ihre Laune schlagartig. Neugierig blickt sie umher. Ihrem Vater gefallen indes kritische Fragen, wo Riehle den Grünen denn nun konkret entgegengekommen sei, erkennbar nicht ganz so gut. Lieber lobt er - ebenso wie die anwesenden Sozialdemokraten - den „guten Geist“ der gemeinsamen Vereinbarung. Natürlich seien sie auch mit Forderungen in die Gespräche gegangen. Die seien ihnen zum größten Teil erfüllt worden, mit ihnen hätten sie teils auch quasi offene Türen bei der SPD eingerannt. Konkreter wollen die Beteiligten nicht werden. Sie preisen lieber ihre vielen Übereinstimmungen.

Vereinbart wurde auch, die Verkehrsberuhigung in Stadtteilen voranzutreiben. Riehle kritisiert „eigentlich ja gut gemeinte Eltern-Taxis“ vor Schulen. Als Zielmarke nennt er - wie gerade bei ihm auf der Rheinau geschehen - pro Jahr sechs bis zehn weitere verkehrsberuhigte Bereiche vor Grundschulen.

Das Thema Bildung und Soziales nimmt in der rot-grünen Vereinbarung ebenfalls einigen Raum ein. Die Stichworte lauten etwa Chancengleichheit, Neubau der Stadtbibliothek, Stärkung von Jugendtreffs, Ausbau der Kita-Plätze und Ganztagsbetreuung. Mindestens eine weitere Gemeinschaftsschule soll im Mannheimer Süden entstehen.

Einige Punkte stünden ja auch bereits in den Wahlprogrammen beider Parteien, so Riehle. Aber nun hätten sie die gemeinsam vereinbart. Daran würden sie - erklärt der Fraktionschef im Gemeinderat auf entsprechende Nachfrage - auch festhalten, falls er am 9. Juli nicht gewinne. Doch diese Vorstellung ist den Protagonisten im idyllischen Hinterhof erkennbar fern.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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