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Gedenkfeier für Rouven Laur: Hat Mannheimer AfD-Abgeordneter Unwahrheit gesagt?

Keiner der drei Mannheimer Bundestagsabgeordneten hat am 31. Mai an der Gedenkfeier auf dem Marktplatz teilgenommen. AfD-Mann Heinrich Koch verstrickt sich anschließend in Widersprüche.

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Sebastian Koch
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Rund 1.500 Menschen haben an der Gedenkfeier für Rouven Laur am 31. Mai 2025 in Mannheim teilgenommen. © Christoph Blüthner

Mannheim. Rund 1.500 Menschen haben am 31. Mai auf dem Marktplatz an den Tod von Rouven Laur erinnert. Auch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt war nach Mannheim gekommen und hatte auf dem Platz gemeinsam mit Oberbürgermeister Christian Specht und Landesinnenminister Thomas Strobl Gedenktafel und Gedenkstein für den vor einem Jahr getöteten Polizisten enthüllt. Neben Angehörigen Rouven Laurs haben mehrere Dezernenten und Mitglieder des Gemeinderats an der Gedenkfeier teilgenommen. Hingegen fiel das Fehlen aller drei derzeitigen Mannheimer Bundestagsabgeordneten – Isabel Cademartori, Heinrich Koch und Gökay Akbulut – auf.

Kommentar Gedenkfeier am Mannheimer Marktplatz: Für die AfD sind Zweifel wichtiger als Fakten

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Die bestätigen auf Anfrage jeweils, dass sie nicht teilgenommen haben. Sozialdemokratin Cademartori führt dafür „schon lange geplante familiäre Verpflichtungen“ an, Linken-Politikerin Akbulut erklärt, in eine andere Veranstaltung eingebunden gewesen zu sein. Beide verweisen darauf, ihrer Trauer bereits in der Vergangenheit Ausdruck verliehen zu haben und sich der Bedeutung des Tages für die Stadt sehr wohl bewusst zu sein.

Wurde AfD-Politiker Koch nicht zum Gedenken auf dem Marktplatz Mannheim eingeladen?

Auch AfD-Politiker Koch hat an der Gedenkfeier nicht teilgenommen, erklärt dessen Büroleiter. Koch sei am 31. Mai bereits in Berlin gewesen, um sich dort „intensiv“ auf die Sitzung des Verteidigungsausschusses am 4. Juni vorzubereiten. Doch das Statement endet an dieser Stelle eben noch nicht. „Zudem wurde Herr Koch von der Stadt Mannheim offiziell nicht zur Veranstaltung eingeladen“, heißt es weiter. „Diese Ausgrenzung findet Herr Koch, gerade bei einer überparteilichen Gedenkfeier zum Jahrestag eines so tragischen Ereignisses, nicht nur befremdlich, sondern beschämend.“

Auch habe Koch seine Anteilnahme am Tod Rouven Laurs bereits mehrfach in Stellungnahmen und über soziale Medien zum Ausdruck gebracht. „Das Andenken an Rouven Laur verdient den Schutz aller Demokraten – unabhängig von parteipolitischer Zugehörigkeit. Aus diesem Grund setzte er sich bereits letztes Jahr mit seinen Kollegen von der Gemeinderatsfraktion für die Umbenennung des Mannheimer Platzes in den Rouven-Laur-Platz ein – der Antrag wurde von den anderen Fraktionen im Gemeinderat wohlgemerkt abgelehnt“, heißt es wörtlich.

Heinrich Koch sitzt seit Februar für die AfD im Bundestag. Er ist außerdem Sprecher der AfD Mannheim, Stadtrat und stellvertretender Vorsitzender der Gemeinderatsfraktion. © AfD

Hat die Stadt also nur zwei der drei Mannheimer Bundestagsabgeordneten eingeladen? Das würde die Verwaltung, die politisch zur Neutralität verpflichtet ist, in Erklärungsnot bringen.

Gedenkfeier auf dem Marktplatz: Stadt Mannheim kann Vorwurf nicht nachvollziehen

Im Büro des Oberbürgermeisters kann man den Vorwurf allerdings nicht nachvollziehen. Die Verwaltung habe für die Gedenkfeier etwa 250 Personen aus der Stadtgesellschaft eingeladen, sagt ein Sprecher. Unter diesen Personen seien neben den Mitgliedern des Gemeinderats auch alle Abgeordneten aus Mannheim gewesen.

„Herr Koch erhielt die Einladung über seine bei der Stadt Mannheim hinterlegte Mailadresse im Deutschen Bundestag. Am 19. Mai ging auf die Mail hin eine Absage im Online-Anmeldesystem der Stadt ein“, erklärt er. Laut einem Auszug aus dem zentralen Anmeldesystem der Verwaltung ist die Absage von Kochs Bundestag-Mailadresse am 19. Mai um 20.28 Uhr dokumentiert. Kochs Absage war zu diesem Zeitpunkt die 38., wie aus dem Auszug hervorgeht.

Auch Kochs Verweis auf den Antrag im Gemeinderat, den alle anderen Fraktionen abgelehnt haben sollen, wirft Fragen auf. Unmittelbar nach dem Attentat hatte zwar die Gruppe R21 ein Banner mit der Aufschrift „Rouven-Laur-Platz“ an den Marktplatzbrunnen gehängt. Die Gruppe wirbt auf Telegram unter anderem für Veranstaltungen des bekannten österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner. Von diesem Banner unabhängig hatte auch ein 22-Jähriger aus Ulm in einer Online-Petition Unterschriften für eine Umbenennung des Marktplatzes gesammelt.

Sprecher von Mannheimer AfD-Abgeordnetem Koch: „Müssen unsere Ressourcen auf Sicherheitslage in Europa fokussieren“

Ein entsprechender Antrag der AfD aber ist im Bürgerinformationssystem nicht zu finden. Auch laut Spechts Sprecher „liegt kein Antrag der AfD im Gemeinderat vor“, der die Umbenennung des Marktplatzes fordert. Zwar verweist er auf die Möglichkeit, dass ausgerechnet dieser Antrag technisch nicht erfasst worden sein könnte. Das allerdings wäre großer Zufall.

Auch auf der Webseite der Gemeinderatsfraktion der AfD sind zahlreiche Anträge aus 2024 und 2025 aufgeführt – keiner allerdings, der eine Umbenennung des Marktplatzes zum Thema hat. Neben seinem Bundestagsmandat, das Koch seit der Bundestagswahl im Februar innehat, ist der Stadtrat auch stellvertretender Vorsitzender der Gemeinderatsfraktion sowie Sprecher der AfD in Mannheim.

Die Redaktion bittet Kochs Büro am Dienstagvormittag nochmals um Stellungnahme. Wie erklärt Koch die im System der Verwaltung dokumentierte Absage, die doch im krassen Widerspruch zu seinem Vorwurf steht, er sei gar nicht erst eingeladen worden, was er als „befremdlich“ und „beschämend“ bezeichnet? Auch bittet die Redaktion Kochs Büroleiter, den ihm zufolge abgelehnten Antrag der AfD-Fraktion zur Umbenennung des Marktplatzes noch einmal zu schicken.

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Am frühen Abend teilt sein Büroleiter dann per Mail mit: „Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass unser Büro momentan nicht die zeitlichen Ressourcen aufweist, um entsprechende Recherchen bezüglich Ihrer Nachfragen initiieren zu können. Herr Koch ist offiziell vom Arbeitskreis Verteidigung der AfD-Bundestagsfraktion in seiner Zuständigkeit für die Themen Ukraine und Israel bestätigt worden. Außerdem ist er als Delegierter für die Parlamentarische Versammlung des Europarates gewählt und bestätigt worden. Wir bitten um Verständnis, dass wir uns in Anbetracht der aktuellen Sicherheitslage in Europa unsere zeitlichen und personellen Ressourcen dahingehend fokussieren müssen.“

Eine nochmalige Fristverlängerung bis zum frühen Mittwochnachmittag bleibt dann ebenso unbeantwortet wie die Anfrage an die Geschäftsführung der AfD-Gemeinderatsfraktion am Dienstagabend, ob diese den betreffenden Antrag bis Mittwochnachmittag zur Verfügung stellen kann.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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