Mannheim. Die neue „Süddeutsche Erdgasleitung“ soll zum Teil auch durch ein Mannheimer Landschaftsschutzgebiet gebaut werden. Dagegen gibt es nun Widerstand. Ein Überblick.
Was ist die Süddeutsche Erdgasleitung (SEL)?
Dabei handelt es sich um eine neue, rund 250 Kilometer lange Leitung zum Transport von Erdgas. Sie soll von Hessen über Baden-Württemberg bis nach Bayern reichen. Genauer gesagt von Lampertheim bis nach Bissingen. Geplant und gebaut wird sie vom Unternehmen Terranets BW, einer Tochter der EnBW.
Warum braucht es eine neue Gasleitung?
Darauf gibt es zwei Antworten: Nach Angaben von Terranets BW soll die SEL zunächst vor allen Dingen zusätzliches Erdgas liefern, damit bisherige Kohlekraftwerke entlang der Strecke - beispielsweise in Mannheim, Heilbronn, Marbach oder Altbach bei Esslingen - umgerüstet werden können. Eine Abfrage habe ergeben, dass der künftige Gasbedarf höher ist als die vorhandenen Transportkapazitäten. Darum binde die SEL die Regionen Rhein-Neckar und Stuttgart an die Standorte in Hessen und Bayern an, wo jeweils große transeuropäische Gasleitungen vorhanden sind.
Und wie lautet die zweite Antwort auf diese Frage?
Ab 2030 soll durch die SEL Wasserstoff fließen. Terranets zufolge leistet die neue Leitung damit „einen entscheidenden Beitrag zur CO2-neutralen Energieversorgung des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg“. Als erste Pipeline im Südwesten mit Anschluss an europäische Transportrouten solle sie so Wasserstoff in die Region Rhein-Neckar und den Großraum Stuttgart transportieren - um Kraftwerke, Industrie und Haushalte zu versorgen.
Warum werden Kohlekraftwerke umgerüstet?
Deutschland ist bereits aus der Kernkraft ausgestiegen und will künftig zur Reduzierung des Treibhausgases CO2 auch auf Kohle verzichten. Der Großteil des Stroms soll mittelfristig durch erneuerbare Energien wie Wind- oder Solarkraft erzeugt werden. Gaskraftwerke müssen diese jedoch ergänzen, da Wind und Sonne nicht immer zur Verfügung stehen und ausreichende Speicherkapazitäten noch fehlen.
Und warum ist Wasserstoff so wichtig?
Er ist neben der Elektrifizierung das zweite elementare Standbein bei der Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen: weil er klimaneutral erzeugt, gut transportiert und gespeichert werden kann. Darum gilt er als Schlüsseltechnologie für die Bereiche, die nicht auf Strom umgestellt werden können - etwa Kraftwerke.
Was hat das alles mit Mannheim zu tun?
Die neue Gasleitung wird in vier Abschnitten gebaut. Einer verläuft von Mannheim bis nach Hüffenhardt (Neckar-Odenwald-Kreis) - und damit zweieinhalb Kilometer durch das Stadtgebiet: nämlich im Osten bei Straßenheim, nahe der Gemarkungsgrenze zu Heddesheim.
Wann soll die neue Leitung gebaut werden?
Terranets BW will den ersten Abschnitt bei Heilbronn bis nächstes Jahr fertig haben. Der Mannheimer Teil soll ab 2025 gebaut werden und bis 2027 fertig sein.
Wie muss man sich das Ganze vorstellen?
Die Gasleitung hat einen Durchmesser von einem Meter. Sie wird etwas mehr als zwei Meter tief im Boden vergraben, so dass sie mit einer 1,20 Meter hohen Erdschicht überdeckt ist. Laut Terranets ist der Boden darüber „uneingeschränkt landwirtschaftlich nutzbar“. Sollen Sonderkulturen, etwa Spargel, angebaut werden, verlege man die SEL tiefer.
Wie stark sind die Beeinträchtigungen durch den Bau?
Dafür wird in der Regel auf einer Breite von 34 Metern der Oberboden abgetragen. Nach Angaben einer Terranets-Sprecherin sei dies erforderlich, weil der Streifen in unterschiedliche Zonen unterteilt werde: etwa eine Arbeitsspur, eine Überholspur und einen Platz für den Aushub. Dieses Vorgehen sei das „bodenschonendste“. In Waldgebieten ist der Streifen 24 Meter breit.
Wie ist der aktuelle Stand der Planungen?
Unterschiedlich. Für drei der vier Bauabschnitte liegen laut Terranets bereits gültige Bau- und Betriebsgenehmigungen vor. Der Teil von Mannheim nach Hüffenhardt ist planerisch gesehen der letzte: Hier hat das Unternehmen im Sommer beim Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe den Antrag auf Planfeststellung eingereicht.
Wie geht es in diesem Abschnitt nun weiter?
Bis Ende vorvergangener Woche konnten Hinweise und Stellungnahmen beim RP eingereicht werden. Wie viele eingegangen sind und aus welchen Gründen, verrät die Behörde nicht. Sie prüft die Einwendungen nun. Danach gibt es voraussichtlich einen Erörterungstermin, bei dem die unterschiedlichen Positionen erläutert werden. Danach trifft das RP eine Entscheidung - mit der es gleichzeitig den Trassenverlauf festlegt. Bis wann damit zu rechnen ist, ließ die Behörde offen.
Wie stehen Umweltschützer zu dem Vorhaben?
Das Umweltforum, also der Dachverband von 16 Mannheimer Umwelt-, Naturschutz- und Verkehrsverbänden, lehnt die SEL ab. Und das aus mehrern Gründen: Zum einen soll die Leitung auf Mannheimer Gemarkung durch das Landschaftsschutzgebiet „Straßenheimer Hof“ führen, das jedoch als wichtiger Lebensraum erachtet wird. Gleichzeitig grenzt unmittelbar daneben das Wiederansiedlungsgebiet für den geschützten Feldhamster an. Hier befürchten die Umweltschützer ebenfalls negative Auswirkungen.
Welche Bedenken haben die Naturschützer noch?
Sie rechnen generell damit, dass künftig weniger Erdgas und Wasserstoff benötigt wird beziehungsweise verfügbar ist als vom Betreiber angenommen - und die Leitung deshalb zu groß ausfällt. Zudem kritisieren sie, dass der Abschnitt zwischen Mannheim und Heidelberg gar nicht im, der Planung zugrunde liegenden, Netzentwicklungsplan Gas aufgeführt sei. Damit fehle jedoch die Rechtsgrundlage. Darum haben sie beim RP beantragt, diesen Abschnitt nicht zu genehmigen und das gesamte Planfeststellungsverfahren zurückzustellen, bis ein aktualisierter Netzentwicklungsplan vorliegt.
Was sagt Terranets BW zu dem Vorwurf?
Das Unternehmen entgegnet, dass der Netzentwicklungsplan den Abschnitt zwar nicht als „unmittelbar versorgungsnotwendig“ einstuft, dennoch aber als „erforderlich“.
Wie steht die Stadt dem Projekt gegenüber?
Das weiß man nicht: Sie hat zwar gegenüber dem RP eine Stellungnahme abgegeben. Diese wurde jedoch nicht veröffentlicht.
Was denken andere Kommunen über die neue Gasleitung?
Heidelberg steht ihr kritisch gegenüber. Die Stadt weist auch darauf hin, dass der Teil zwischen Mannheim und Heidelberg-Grenzhof nicht entsprechend im Netzentwicklungsplan eingezeichnet sei. Zudem bemängelt sie, dass die Umstellung auf Wasserstoff noch nicht ausreichend nachgewiesen sei. Als positiv bewertet sie, dass nach heftiger Kritik die Weinberge in Rohrbach untertunnelt werden sollen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Für Mannheim ist die neue Gasleitung das kleinere Übel