Naturschutz

Finanzengpass: Stadt stoppt ökologisches Großprojekt am Neckarufer

Die vom Biber gefällte Eiche am Mannheimer Neckarufer sorgt für Gesprächsstoff – und führt zur Finanznot der Stadt Mannheim. Welche Folgen das jetzt hat.

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Thorsten Langscheid
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Der abgenagte Eichenstamm am Neckarufer: Hier hat der Biber ganze Arbeit geleistet. © Stadt Mannheim

Mannheim. Der Biberverbiss am Mannheimer Neckarufer bringt eine idyllische Szene vom September 2024 in Erinnerung – und führt direkt zur Finanznot der Stadt Mannheim. Der nächste Abschnitt des wichtigsten ökologischen Großprojekts, die Renaturierung des Neckarufers, wurde bereits vor längerer Zeit im Rathaus gestoppt.

„Für die Projektphase III Ost wird aktuell mit Kostensteigerungen für die Stadt von über 2,8 Mio Euro gerechnet“, teilte Sprecher Kevin Ittemann vom städtischen Umweltdezernat auf Nachfragen dieser Redaktion mit. „Die extrem angespannte Haushaltslage und die gleichzeitigen Kostensteigerungen bei den weiteren Bauprojekten in der Stadt erfordern eine sorgfältige Lösungsfindung“, so Ittemann.

Derzeit werde eruiert, über welchen Weg die Maßnahme trotz der Kostensteigerungen realisiert werden kann. Die Stadtverwaltung werde mit einem entsprechenden Vorschlag auf den Gemeinderat zugehen, kündigte Ittemann am Freitag an.

Der Baustopp am Neckarufer bei Neuostheim und Feudenheim ist vielen Mannheimern gar nicht aufgefallen. Deshalb zurück zum September 2024: Damals herrschten hochsommerliche Temperaturen, am Himmel ein paar Schönwetterwölkchen – und am Neckarufer unterhalb des Fernmeldeturms die baden-württembergische Umweltministerin Thekla Walker (Grüne), begleitet von ihrem Parteifreund, Mannheims Bürgermeister Dirk Grunert sowie Bernhard Wember, Projektleiter für die Renaturierung des Neckarufers, und der Vorsitzenden der Grünen-Gemeinderatsfraktion, Gabriele Baier.

Die Bundesgartenschau 2023 ist eine ideale Kulisse für dieses ökologische Großprojekt.
André Baumann Staatssekretär im baden-württembergischen Umweltministerium

Die Besuchergruppe besichtigt den erfolgreichen ersten Abschnitt der Neckar-Renaturierung, der im Jahr zuvor während der Bundesgartenschau fertiggestellt wurde. Die steilen Uferböschungen des kanalartig geführten Flusses waren abgeschrägt sowie Nebenarme, Schluten und kleine Inseln angelegt worden, damit in und an dem Gewässer heimische Tier- und Pflanzenarten bessere Lebensbedingungen vorfinden. Die Renaturierung des Neckars dient aber auch dem Hochwasserschutz, da sie dem Fluss mehr Platz bei hohen Wasserständen bietet und die Fließgeschwindigkeit verringert.

Thekla Walkers Staatssekretär André Baumann (Grüne) aus Schwetzingen hatte an derselben Stelle die Förderzusage für den ersten Bauabschnitt überbracht und geschwärmt: „Die Bundesgartenschau 2023 ist eine ideale Kulisse für dieses ökologische Großprojekt.“

Biberverbiss am Mannheimer Neckarufer: Fluss und Landschaft haben sich positiv verändert

Bereits zum damaligen Zeitpunkt konnte sich die Ministerin davon überzeugen, wie sich Fluss und Landschaft durch die Revitalisierung verändert hatten: Es haben sich mehr Kormorane angesiedelt, was eine direkte Folge der zugenommenen Fischpopulation ist; die Arten Barbe und Nase sind gesichtet worden. Verschiedene Libellenarten haben die neu geschaffenen Lebensräume am Fluss angenommen, und ein Biberpaar mit Nachwuchs ist heimisch geworden.

Die Vermutung, dass es einer dieser Nager war, der jetzt die Eiche gefällt hat, liegt dabei nahe. Die Vorarbeiten des nächsten Bauabschnitts hatten damals bereits begonnen, waren aber wegen der starken Regenfälle im vergangenen Sommer wieder gestoppt worden. Wie und wann es weitergeht? Derzeit noch offen.

Durch die Abflachung der Uferböschung ist das Wasser jetzt leichter zugänglich. Im Hintergrund die Riedbahnbrücke und darüber die Buga-Seilbahn (Aufnahme vom Sommer 2023). © Thorsten Langscheid

Immerhin: Für den städtischen Naturschützer Thomas Kilian ist es zwar erfreulich, dass sich die Biber am Neckar inzwischen so wohl fühlen, dass sie dort wieder Bäume zernagen. Dass sie sich ausgerechnet eine Eiche ausgesucht haben, sei allerdings eher schlecht, lässt er auf Anfrage wissen. Andere Gehölze sprießen auch aus einem abgenagten Stumpf wieder neu, das sei bei der Eiche nicht der Fall. Er will jetzt die Bäume im Uferbereich mit Drahtgittern vor dem Verbiss schützen.

Biberverbiss am Mannheimer Neckarufer: „Die Renaturierung funktioniert“

Erfreut reagierte auch Stadträtin Baier auf die Nachricht von den Biber-Aktivitäten: „Die Renaturierung funktioniert, das sieht man auch daran, dass wieder mehr Angler am Neckarufer anzutreffen sind.“ Einer von ihnen ist Andreas Heine, der bestätigt, dass die Renaturierung vom Fischbestand her „super“ sei.

„Wir haben viel mehr Fischbrut jetzt hier.“ Er sagt allerdings auch, dass es bereits vor der Ufer-Renaturierung am Neckar „einen tollen Tierbestand“ gegeben habe und zählt auf: „Eisvögel, Fledermäuse, Biber und die dem Biber ähnlichen, kleineren Nutrias.“

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Ganz in der Nähe der jetzt vom Biber gefällten Eiche liegt auch der Gedenkstein für den Mannheimer Umweltpolitiker Wolfgang Raufelder (1957-2016), der von eigens angepflanzten Pappeln umstanden ist. „Die werden wir jetzt auch mit einem Schutzdraht versehen“, sagte Gabriele Baier, die zugleich Vorsitzende des Fördervereins Wolfgang Raufelder Umweltschutz ist.

Der Verein vergibt in Erinnerung an den Naturschützer, Stadtrat und Landtagsabgeordneten den mit 5000 Euro dotierten Wolfgang-Raufelder-Preis. Dem Namensgeber, so darf man annehmen, hätte es sicher gefallen, dass am renaturierten Neckarufer wieder Bäume vom Biber zernagt werden – als Beweis für den Erfolg der Umweltschutzbemühungen.

Biberverbiss am Mannheimer Neckarufer: Naturnahe Neugestaltung des Flusslaufs kommt ins Stocken

Die Renaturierung oder „Entgradigung“ des Neckars geht auf die Gewässergüte-Richtlinie der Europäischen Union zurück und wurde bereits in den 2010er Jahren planerisch im Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim vorbereitet. Das insgesamt rund 32 Millionen Euro teure Vorhaben gliedert sich in vier Bauabschnitte (Projektphasen). Zwei davon sind bereits abgeschlossen. Der Startschuss zur dritten Phase ist eigentlich im Sommer 2024 gefallen.

Da an den beiden insgesamt rund 3,5 Kilometer langen Ufer-Strecken Buchten und Durchstiche so angelegt werden, dass die vergleichsweise starke Strömung des Neckars den Rest der Arbeit erledigt, können Flachwasserzonen auf natürliche Weise entstehen und sich mit der Zeit auch mehr oder weniger stark verändern.

Das Neckarufer unterhalb des Fernmeldeturms wurde renaturiert. Im Bild eine Besuchergruppe, die sich im Sommer 2023 auf dem gerade fertiggewordenen Areal umschaut. © Thorsten Langscheid

Die Projektphase Nord umfasst das Augewässer in der Feudenheimer Au unterhalb des Hochgestades des Aubuckels. Die Projektphase West umfasst den Altneckar zwischen Fernmeldeturm und Riedbahnbrücke. Beide Projektphasen wurden im Zuge der Bundesgartenschau 2023 fertig gestellt. Die jetzt anstehende Projektphase Ost umfasst den Altneckar von Riedbahnbrücke bis zum Kraftwerkskanal in Feudenheim.

Der Altneckar in Höhe des ehemaligen Campingplatzes Neuostheim. Am gegenüberliegenden Ufer ist der Abzweig des Feudenheimer Kraftwerkskanals (Bildmitte) zu erkennen. © Thorsten Langscheid

Danach muss noch der Anschluss des Augewässers über einen Durchstich an den Neckarkanal erfolgen. Darauf macht Stadträtin Baier aufmerksam. Denn die millionenschwere Förderung des gut 32 Millionen Euro umfassenden Gesamtvorhabens mit EU- und Landesgeldern aus Stuttgart müsse zwingend als Ganzes abgeschlossen werden, sonst erhalte die Stadt nicht nur zugesagte Fördergelder nicht.

Neckarrenaturierung © Kartographie

Sie müsste andernfalls auch bereits erhaltene Millionenbeträge für fertiggestellte Teile des Vorhabens zurückbezahlen. Gefördert werden 85 Prozent der Gesamtsumme, sodass hier mehr als 27 Millionen Euro, von denen die Stadt einen großen Teil bereits erhalten hat, zur Debatte stehen.

Veränderungen der letzten Jahre am Neckarufer



  • In weiten Bereichen ändert sich gerade das gewohnte Bild des Neckars, vor allem der Ufer und Gewässerränder.
  • Mit den Renaturierungsmaßnahmen werden Lebensräume für Pflanzen und Tiere aufgewertet und neu geschaffen.
  • Laut Stadtverwaltung entstehen ökologische Verbesserungen am Gewässerlauf. Auch im Vorlandbereich wird die Tierwelt durch Totholzhaufen, Steinhaufen und über 90 neu aufgehängte Nisthilfen gefördert.
  • Dafür sind Erdarbeiten auf beiden Uferseiten oberhalb der Riedbahnbrücke bis zum Feudenheimer Neckarkraftwerk geplant – vergleichbar mit den Veränderungen, di unterhalb der Riedbahnbrücke bereits realisiert wurden.
  • Gleichzeitig erfolgt die Verschwenkung des Stromstrichs. Hierbei wird durch Ufervorschüttungen und -rücknahmen ein leicht mäandrierender Uferverlauf geschaffen. Diese Arbeiten finden sowohl im westlichen und auch im östlichen Bauabschnitt statt.
  • Schwerlastverkehr im Stadtgebiet wird trotz der umfangreichen Erdbauarbeiten auf ein Minimum reduziert. Überschüssige Erdmassen werden per Schiff zur Wiederverwendung abtransportiert.
  • Gehölze, die für die Arbeiten am Neckar weichen müssen, werden durch Anpflanzungen an beiden Ufern ausgeglichen.
  • Es werden anderthalb Mal mehr Pflanzen gesetzt als zuvor dort waren, Wiesenflächen werden wieder artgerecht angesät.

Beim Besuch von Ministerin Thekla Walker, die an jenem hochsommerlichen Septembertag 2024 eine 11,2 Millionen Euro schwere Förderzusage für den dritten Bauanschnitt im Gepäck hatte, waren die Biber leider nicht in Erscheinung getreten. Die Weiterführung der ins Stocken geratenen Bauarbeiten am Neckarufer war indessen zum Greifen nah und für – damals – „kommende Woche“ geplant.

Redaktion koordiniert die Berichte aus den Mannheimer Stadtteilen.

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