Sie kommen jetzt im Stundentakt, drei Tage lang: In der Kunsthalle hat die Endphase für den Aufbau der Sonderschau „Inspiration Matisse“ begonnen, die ab nächste Woche zu sehen ist. Ständig bringen Kuriere aus aller Welt die kostbaren Leihgaben. Restauratorin Katrin Radermacher und ihr Team müssen 135 Gemälde, Plastiken und grafische Arbeiten entgegennehmen, alle prüfen, aufhängen, platzieren. Erst ein Drittel davon ist bisher da.
„Solch eine Dimension hatten wir schon lange nicht mehr“, sagt Inge Herold, die 1992 in der Kunsthalle anfing und seit 2006 stellvertretende Direktorin ist. Nicht allein Werke von Henri Matisse (1869–1954) sind zu sehen, sondern zudem Arbeiten, die von dem berühmten Wegbereiter der expressionistischen Malerei beeinflusst sind. Das bedeutet: Viele prominente Namen, ein in die Millionen gehender, hoher Versicherungswert sowie entsprechend strenge Sicherheitsvorkehrungen. „Aber über die reden wir nicht“, stellt Herold gleich klar.
Gerade ausländische Leihgeber oder private Kunstliebhaber legen auf Sicherheit und Vertraulichkeit größten Wert. Allein rund 25 Leihgaben wird die Kunsthalle aus den USA erhalten, aus Chicago, Washington, New York, Baltimore. Ein Gemälde kommt aus Kanada. Auch die Nationalgalerie Berlin, die Pinakothek München, das Musée Matisse Nizza, die Tate London, die Nasjonalgalleriet Oslo oder das Museo Thyssen-Bornemisza Madrid sind vertreten, „und Ludwigshafen“, wie Kurator Peter Kropmanns wegen des Hack-Museums ergänzt. „Ich bin aus Köln, alles auf der anderen Rheinseite ist für uns schon Sibirien“, merkt er humorvoll an.
Flugpläne und Klimakisten
Denn trotz Stress – es geht locker und angenehm zu, auch kostbare Leihgaben sind für die Kunsthalle schließlich nicht ungewohnt. 72 Werke kommen in Begleitung von Kurieren, also sachkundigen Museumsmitarbeitern, welche mit der Kunst auf Reisen gehen und sie persönlich in Mannheim übergeben. Radermacher, Registrar Selini Andres und die Mitarbeiter vom „Art Handling“ – sprich das Aufbauteam – mussten einen auf Flugpläne und Lkw-Touren abgestimmten genauen Zeitplan machen, wer wann kommt. „So eng getaktet – das ist schon herausfordernd, anstrengend“, räumt Radermacher ein.
Nicht jeder Kurier mag auch Zuschauer, wenn er seinen Schatz übergibt. Tanja Narr dagegen bleibt gelassen. Die Registrar der Fondation Beyeler (Riehen/Basel) ist mit dem Zug gefahren, das von ihr betreute Werk „Jardin à Issy (L’Atelier à Clamart)“ per Klimakiste im Lkw. In dieser Kiste bleiben die Werke auch – je nach Länge des Transportwegs – einen Tag oder mehr im Depot der Kunsthalle, um sich langsam an das Umgebungsklima zu gewöhnen.
Dann kommt der große Moment. Die Türen öffnen sich, Filip Antonijevic und Manuel Suhr vom „Art Handling“-Team rollen das um 1917 entstandene Ölgemälde in der Holzkiste mit der großen Aufschrift „Fragile“ (deutsch: zerbrechlich) aus dem Fahrstuhl. „Ein besonderes Bild“, erläutert Kurator Peter Kropmanns: „Matisse hat vom Wohnzimmer aus mit dem Blick nach draußen seinen Garten gemalt, der ist sonst sehr, sehr wenig dargestellt“, würdigt er das 130,5 mal 89,5 Zentimeter große Werk aus Basel.
Alles protokolliert
Noch kann man aber davon nichts sehen, es surren nur die Akkuschrauber. 18 Schrauben müssen Filip Antonijevic und Manuel Suhr lösen, Schaumstoff-Polster und speziellen Vliesstoff entfernen. Radermacher setzt dann eine Spezialbrille auf, greift zur extrem hellen Stablampe. Zentimeter für Zentimeter prüft sie mit Tanja Narr, ob das Bild auf der Reise einen Schaden genommen hat und in welchem Zustand es die Kunsthalle nun leihweise übernimmt. Alles, jeder millimetergroße Abplatzer der Ölfarbe, wird protokolliert und mit dem Zustandsprotokoll verglichen, das Narr vor dem Einpacken und der Abfahrt in Basel gefertigt hat. Aber Tanja Narr versichert, dass ihr die Trennung auf Zeit von dem Werk nicht schwer fällt: „Ich weiß ja, dass es in gute Hände geht, das ist schön – und wir freuen uns ja auch immer über Leihgaben anderer Museen für unsere Ausstellungen“, so die Fachfrau aus Basel.
Derweil wissen Kropmanns und Inge Herold längst, wo das Werk platziert wird – denn Kartons in der richtigen Größe der Gemälde hängen überall an den Wänden. Mit diesen Dummys, erläutert Herold, planen sie den Aufbau der Ausstellung und die richtige Abfolge an den Wänden. Für die endgültige Hängung bleiben nur 14 Tage vor der Ausstellung – lediglich diesen Zeitraum deckt die Versicherung ab.
Info: Fotostrecke und Dossier unter morgenweb.de/kunsthalle
Zeiten und Preise
Die Ausstellung „Inspiration Matisse“ ist vom 27. September bis 19. Januar 2020 in der Kunsthalle Mannheim zu sehen.
Sie umfasst 135 Gemälde, Plastike, Keramike und graphische Arbeiten von dem Pionier der Moderne im Kreis seiner Zeitgenossen: von den französischen Fauvisten über deutsche Expressionisten bis Schülern der „Académie Matisse“.
Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag bis Sonntag und Feiertage 10 bis 18 uhr, Mittwoch 10 bis 20 Uhr.
Eintritt (Sammlung und Sonderausstellung): Erwachsene 14 Euro, Ermäßigt 12 Euro, Familienkarte 24 Euro. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren Eintritt frei. Beim MVV-Kunstabend am ersten Mittwoch im Monat 18 bis 22 Uhr ist der Eintritt frei. pwr
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