Verkehr

Die bewegte Geschichte des Mannheimer Fahrlachtunnels - und seine unklare Zukunft

Vor 30 Jahren wurde der Mannheimer Fahrlachtunnel für den Verkehr freigegeben. Er sorgte schon vor der Eröffnung für Debatten und tut dies bis heute. Der Tunnel hat eine bewegte Geschichte - und eine unklare Zukunft

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Sebastian Koch
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Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass auch seit der Wiederöffnung wieder täglich bis zu 60 000 Fahrzeuge durch den Fahrlachtunnel fahren. © Christoph Blüthner

Mannheim. Er war eines der teuersten Verkehrsprojekte in der Geschichte der Stadt - und ist bis heute auch eines der umstrittensten. Am Montag vor 30 Jahren, am 22. April 1994, hat Oberbürgermeister Gerhard Widder (SPD) nach fünf Jahren und neun Monaten Bauzeit den Fahrlachtunnel eröffnet. Seitdem liegen aufregende Jahrzehnte hinter dem Bau am Neckarauer Übergang - und vor ihm liegt eine ungewisse Zukunft.

Dabei war es zuletzt sogar verhältnismäßig ruhig um den Tunnel. „Der Betrieb läuft stabil“, sagt Kevin Ittemann, Sprecher des zuständigen von Diana Pretzell (Grüne) geführten Dezernats. Keine Selbstverständlichkeit, schließlich sind die Röhren zwischen 3. August 2021 und 10. Mai 2023 wegen Sicherheitsmängel voll gesperrt gewesen.

Mannheimer Stadrat: "Fahrlachtunnel ist eine Schande in der Geschichte der Stadt"

Grund war eine fast beispiellose Pannenserie bei Planung und Bau des Tunnels. Nachdem die Verwaltung am 17. Januar 2023 dem Technik-Ausschuss des Gemeinderats in einer denkwürdigen Sitzung die vielen Mängel und Schlampereien offenbarte, die sich vor Jahrzehnten zugetragen haben, bezeichnete etwa Achim Weizel (ML) den Tunnel gar als „eine Schande in der Geschichte der Stadt“. Im Juni 2022 hatte die Verwaltung eingeräumt, dass „eine Selbstrettung aus dem Tunnel aktuell nicht möglich gewesen“ wäre.

Auch deshalb musste der Tunnel fast zwei Jahre lang komplett gesperrt werden. Eine Zeit, in der deutlich wurde, welche Relevanz er inzwischen für Anwohner auf der einen Seite, aber auch für Pendler und Unternehmen auf der anderen Seite hat.

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„Der Fahrlachtunnel ist für den Verkehr in Mannheim elementar wichtig. Er ist das Nadelöhr zwischen Mannheim-Nord und Mannheim-Süd“, erklärt Jochen Graeff. 20 bis 30 Lkw seiner Spedition passieren den Tunnel - täglich. „Als er gesperrt war, haben wir massive Probleme gehabt, die viel Zeit und Geld gekostet haben.“

Auch ein Sprecher des ADAC bescheinigt dem Tunnel, den täglich bis zu 60 000 Autos durchfahren, eine „hohe bis sehr hohe“ Bedeutung für die Region. „Für einen Tunnel im Zuge einer Bundesstraße ist das eine überdurchschnittliche Belastung.“

2021: Fahrlachtunnel wegen gravierender Mängel voll gesperrt

Dabei war der Tunnel stets umstritten. Die hohen Kosten haben für Debatten gesorgt, ehe der Gemeinderat im März 1985 eine kostengünstigere Brückenlösung aber doch verwirft - und im Juli 1986 die Verwaltung mit der Ausschreibung des Tunnels beauftragt. Mit Widders symbolischem Spatenstich im Oktober 1988 beginnt schließlich der Bau.

Fahrlachtunnel: 60 000 Fahrzeuge täglich

  • Der Fahrlachtunnel am Neckarauer Übergang ist mit etwa 60 000 Fahrzeugen pro Tag eine der meist befahrensten Straßen Mannheims.
  • Der Tunnel ist etwa 500 Meter lang. In den beiden Röhren mit jeweils zwei Fahrspuren sind 50 Kilometer pro Stunde erlaubt.
  • Seit der Eröffnung verunglückten im Oktober 2011, April 2014 sowie im April 2015 insgesamt bislang drei Motorradfahrer tödlich im Tunnel.
  • Der Tunnel kostete etwa 160 Millionen Mark (etwa 80 Millionen Euro) und gilt als eines der teuersten Verkehrsprojekte der Stadtgeschichte. Dezernatssprecher Kevin Ittemann nennt unter anderem die Schmacher-Brücke (1972 gebaut, 130 Millionen Mark) oder die 1959 gebaute Adenauer-Brücke. Wegen veränderter Baupreise und anderer Rahmenbedingungen sei ein Vergleich aber eher schwierig.
  • Der Tunnel muss in den kommenden Jahren generalsaniert werden. Derzeit rechnet die Verwaltung laut Ittemann mit Kosten von etwa 15 Millionen Euro, verweist aber auch hier auf Kosten, die sich noch verändern könnten. seko/lang

Die Zeit zwischen politischer Entscheidung und Baubeginn sei „bemerkenswert“ kurz, erklärt der ADAC-Sprecher. „Das würde heute wohl deutlich länger dauern, weil die Planungs- und Genehmigungsphase bis zur Erlangung von Baurecht in der Regel lange dauert.“

Entlastung für Mannheimer Straßen bleibt zunächst aus

Seinen Zweck erfüllt der Tunnel allerdings nur schleppend. Zwar sei jede der 160 Millionen Mark gut investiert, erklärt Widder zur Eröffnung. „Der Tunnel muss den Ost-West-Verkehr übernehmen, der nicht nach Mannheim, sondern eigentlich auf die Altriper Brücke gehört.“ Die war aber verworfen worden, so dass der Tunnel den Lindenhof, die Innenstadt, die Schwetzingerstadt und die Neckarauer Straße entlasten sollte.

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Im Oktober 1994 diskutiert der Gemeinderat ein Gutachten, nach dem der Tunnel zwar eine „tendenzielle Entlastung des Innenstadtrings“ bewirkt habe. Aber: „Insbesondere in der Neckarauer Straße und der Augustaanlage ist die Verkehrsentlastung nicht in der gewünschten Größenordnung eingetreten“. Erst mit Inbetriebnahme der Südtangente stellt sich auch die gewünschte Entlastung ein.

Immer wieder gibt es kleinere Reparaturen am Tunnel - bis die Röhren wegen gravierender Mängel voll gesperrt werden. Im Zuge einer Notertüchtigung werden größte Fehler zwar behoben. Dennoch muss der Tunnel generalsaniert werden.

Mannheimer Fahrlachtunnel soll ab 2026 generalsaniert werden

Man halte am Plan fest, mit der Sanierung 2026 zu beginnen, sagt Ittemann. „Wir gehen weiterhin von einer vierjährigen Sanierung ohne erneute dauerhafte Vollsperrung aus.“ Die Beeinträchtigungen sollten auf das „unvermeidbare Mindestmaß“ beschränkt bleiben. Es sei geplant, dass während der Sanierung alle Fahrzeuge, also auch Lkw, den Tunnel passieren könnten.

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Graeff verbindet mit der Generalsanierung auch die Hoffnung, danach wieder Gefahrgüter durch den Fahrlachtunnel transportieren zu können. Vor der Vollsperrung war dies möglich - seit der Öffnung im Notbetrieb ist das verboten. Sicherheit gehe vor, betont Graeff. „Trotzdem stellt sich die Frage, ob es nicht mehr hilft, wenn wir Gefahrgüter wieder im Tunnel zulassen als sie auf Umwegen durch bewohntes Gebiet viel weiter fahren zu müssen.“

Pläne der Deutschen Bahn könnten mit Tunnel in Mannheim kollidieren

Ittemann aber gibt zu bedenken, dass das Risiko eines Unfalls „mit schweren Folgen für viele Verkehrsteilnehmer im Falle von Gefahrguttransporten deutlich erhöht“ sei. Auch Rettungskräfte würden in diesen seltenen Fällen unter erschwerten Bedingungen arbeiten. „Im Zuge der Generalsanierung wird erneut eine Risikobewertung durchgeführt“ und entschieden, ob Gefahrguttransporte wieder möglich seien.

Unter Umständen steht Stadtverwaltung, Speditionen und Pendlern aber auch eine ganz andere Debatte bevor: Für das Projekt Mannheim-Karlsruhe prüft die Bahn fünf Optionen für eine Tunneltrasse, die unter Mannheim hindurch verlaufen soll. Bei zwei dieser Varianten würde die Rampe zum Tunnel an der Stelle des Fahrlachtunnels liegen. „Die Vorbereitungen für die Sanierung hängen daher auch von der Vorzugsvariante der Bahn ab, die Ende dieses Jahres feststehen soll“, erklärt Ittemann.

So oder so: Ruhig wird es in den nächsten Jahren nicht bleiben. Aber mit Diskussionen um den Fahrlachtunnel ist Mannheim ja vertraut.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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