Mannheim. Dass Schals auf vielfältige Weise zu gebrauchen sind, dürfte kein Geheimnis sein: Im Winter etwa wärmen sie den Hals- und Nackenbereich und im Sommer kommen sie zum Einsatz, wenn am Wochenende zigtausend Sportfans ihren Verein im Stadion unterstützen. Wahlweise hängen Schals auch über dem Sofa, wenn die Lieblingsmannschaft spielt, die Arena wegen Corona aber zum Geisterstadion wird.
In der Innenstadt haben Schals am Montagabend aber weder zum Wärmen noch zum Anfeuern gedient. Stattdessen werden sie fast schon zu einem Symbol der Demokratie, als sich laut Polizei etwa 400 Personen, laut Veranstalter sogar 500 bis 600, rund um das Rathaus versammeln - und mit Schals für den Corona-Abstand sorgen. Menschen stehen vor dem Rathaus teilweise in zwei Reihen, die Kette zieht sich zwei Quadrate Richtung Paradeplatz weiter.
Der Aspekt, dass die Stadträte Gerhard Fontagnier und Chris Rihm beschriebene Menschenkette offiziell bei der Stadt angemeldet hatten, diese die Kundgebung genehmigte und ein Konzept mit der Polizei abgesprochen war, ist in diesen Tagen gewiss weit mehr als lästige Chronistenpflicht. Stattdessen unterscheidet sich jene angemeldete und genehmigte Demonstration in diesen Punkten von den nicht angemeldeten und von der Stadt untersagten sogenannten Spaziergängen, die aber auch an diesem Montag wieder durch die Quadrate führten.
Gedenken an Corona-Tote
Den Veranstaltern der Menschenkette sei „der Geduldsfaden gerissen“, erklärt Fontagnier, nachdem beim ebenfalls nicht angemeldeten Spaziergang am vergangenen Montag „in der Stadt randaliert wurde und Polizisten verletzt worden sind“. Unter dem Motto „Uffbasse“ wolle man nun „Rücksicht und Solidarität signalisieren“. Gesprochen wird unter den Demonstranten und Demonstrantinnen wenig. Man wolle den Corona-Toten und „all denen Menschen, die in der Pandemie über Gebühr hinaus belastet worden sind“ gedenken, erklärt Rihm, ehe Fontagnier ergänzt: „Sollten weitere Montagsspaziergänge stattfinden, werden auch wir weiter auf die Straße gehen und zeigen, wer die Mehrheit in dieser Stadtgesellschaft ist.“
Indes haben sich - wie erwartet - erneut auch wieder Kritikerinnen und Kritiker der Corona-Politik in der Innenstadt versammelt. Als gegen 19 Uhr am Plankenkopf die Ansage durch die Lautsprecher eines Einsatzwagens ertönt, dass es sich um eine nicht angemeldete Versammlung handle und alle den Innenstadtbereich verlassen sollten, ist das mittlerweile fast Routine. Es folgt die ebenfalls fast schon obligatorische Nachricht des Redakteurs vor Ort an die Kolleginnen und Kollegen in die Redaktion: „Wir warten nochmal ab, was passiert.“
Und es passiert viel. Zwar werden laut ersten Angaben der Polizeisprecher vor Ort an diesem Abend keine Beamten verletzt - dennoch ist die Situation erneut unübersichtlich. Über den Abend hinweg entwickelt sich ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel zwischen Demonstranten und Polizisten, die auf Pferden und mit Hunden unterwegs sind. Ist eine Gruppe an einem Ort gestellt, treten andere Spaziergängerinnen und Spaziergänger an einem anderen Ort auf. Es wird kompliziert, zwischen Demonstranten und jenen Menschen zu unterscheiden, die sich nur zum Einkaufen oder zum Essen in den Quadraten aufhalten.
Mehrere Demonstrationsorte
Später wird eine Sprecherin der Polizei die Zahl der Demonstrantinnen und Demonstranten auf etwa 800 schätzen. Immer wieder sind bekannte Ansagen der Polizei zu hören. Immer wieder stoßen diese wenig überraschend auf wenig Gegenliebe oder gar Gehör.
Am Paradeplatz treffen Spaziergänger und Gegendemonstranten der Antifa aufeinander. Beschimpfungen und Parolen werden ausgetauscht. Wieder folgt die Ansage der Polizei. Wieder laufen wenig später Beamte im Trupp zu einem neuen Brennpunkt. In der Fressgasse werden wieder mehrere Personen eingekesselt. Dieser Einsatz dauerte bis Redaktionsschluss an.
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