Mannheim. Sie sind viele gewesen, sie sind laut gewesen, sie haben Fahnen und israel-kritische Transparente dabei gehabt - sind sie deshalb aber auch unerwünscht gewesen oder haben sogar nicht rechtmäßig an der Kundgebung teilgenommen? Der Auftritt von Free Palestine am Samstag bei der Kundgebung gegen Rechtsextremismus auf dem Alten Meßplatz sorgt im Nachgang noch immer für Diskussionen - auch in zahlreichen Mails an diese Redaktion.
In einer Stellungnahme zeigte sich der Veranstalter bereits am Sonntag verärgert, weil Free Palestine trotz anderslautender Aufforderungen Palästina-Fahnen schwenkte. Jüdinnen und Juden berichten, dass sie sich während der Kundgebung nicht sicher gefühlt hätten, und kritisieren, dass Polizei und Ordnungsamt nicht eingeschritten sind. Die weisen diese Kritik zurück. Die Gruppe Free Palestine selbst lehnt am Montagnachmittag eine Gesprächsanfrage dieser Redaktion ab. Am Montagabend reagierte die Gruppe auf sozialen Medien auf die Kritik.
Worum drehen sich die Diskussionen?
Bereits am Freitagabend hatte Free Palestine während einer Demonstration am Hauptbahnhof angekündigt, an der Kundgebung am Samstag teilnehmen zu wollen. Der Veranstalter hatte zuvor darauf hingewiesen, dass während der Kundgebung das Zeigen von Nationalflaggen untersagt sei. Das stimmte rechtlich allerdings nicht.
Am Samstag hatten Mitglieder von Free Palestine wenige Minuten vor 16 Uhr den Alten Meßplatz betreten - mit großen Fahnen sowie mit Parolen, die die deutsche Israel-Politik und die israelische Siedlungspolitik scharf kritisierten. Während der Kundgebung kam es zu Diskussionen zwischen Aktivisten von Free Palestine und anderen Teilnehmern der Kundgebung.
Durfte Free Palestine mit Flaggen an der Kundgebung teilnehmen?
Ja. Laut einer Sprecherin der Versammlungsbehörde der Stadtverwaltung hatte der Veranstalter in Vorgesprächen zwar erklärt, keine Nationalflaggen auf der Versammlung zu wünschen, und das so auch dieser Redaktion mitgeteilt. Das aber sei rechtlich nicht durchsetzbar gewesen, erklärt die Sprecherin. Auch sei es nicht möglich, „einzelne Teilnehmer aufgrund des Zeigens von Nationalflaggen von der Versammlung auszuschließen“. Es ist demnach also auch nicht möglich gewesen, die Gruppe bereits am Betreten des Platzes zu hindern.
Wie reagierte der Veranstalter während der Kundgebung auf die Flaggen im Zentrum des Platzes?
Mitinitiator Gerhard Fontagnier hatte die Gruppe während der Kundgebung von der Bühne aus aufgefordert, die Fahnen einzuholen - auch wegen der vielen jüdischen Menschen, die am Holocaust-Gedenktag gegen Rechtsextremismus demonstrieren wollten. Die Gruppe kam dieser Bitte nicht nach.
„Ein solches Verhalten können wir nur als unbelehrbar und unerträglich bezeichnen“, kritisieren die Veranstalter, die betonen, sie hätten eine Eskalation der Situation angesichts der Menschenmassen „auf jeden Fall vermeiden“ wollen. In einer Stellungnahme am Sonntag erklärten sie: „Unsere Haltung und unser Anliegen ist klar antirassistisch, klar gegen Antisemitismus und gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit. Der Einsatz gegen rechts ist zugleich ein Kampf gegen Antisemitismus.“
Hätte der Veranstalter die Gruppe ausschließen können?
Nein. Laut der Sprecherin der Versammlungsbehörde darf das ausschließlich die Polizei, da sie die Aufgabe hat, die Versammlungsfreiheit gegen Beeinträchtigungen zu schützen. „Sofern eine grobe Ordnungsstörung erkennbar darauf ausgerichtet ist, die Versammlung zu verhindern oder ihre Durchführung zu vereiteln, wird das polizeiliche Ausschlussrecht zur Ausschlusspflicht“, teilt die Sprecherin weiter mit.
Ein Ausschluss von der Versammlung wäre also nur bei einer „groben Ordnungsstörung“ möglich gewesen, etwa durch Lärmerzeugung mittels Trillerpfeifen, das Zeigen von Transparenten mit strafbaren Inhalten oder das Werfen von Rauchbomben. „Es muss ein Verhalten sein, das eine besonders schwere Beeinträchtigung des Verlaufs der Veranstaltung darstellt.“ Fontagnier erklärte am Montag, von einem eventuellen Abbruch der Kundgebung hätte Free Palestine am meisten profitiert.
Gab es Gespräche zwischen Polizei und Free Palestine?
Nein. Laut einem Sprecher der Polizei hatte das Anti-Konflikt-Team, das bei vielen Versammlungen zum Einsatz kommt, während der Kundgebung zwar „viele Gespräche“ geführt - allerdings nicht mit der Gruppe Free Palestine.
Wie haben jüdische Menschen die Situation wahrgenommen?
Laut Heidrun Kämper, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde und SPD-Stadträtin, hätten sich Jüdinnen und Juden „gewissermaßen im Stich gelassen“ und gefährdet gefühlt. Ausgerechnet am Holocaust-Gedenktag, erklärt sie dieser Redaktion, hätten deshalb viele die Kundgebung gegen Rechtsextremismus wieder verlassen. Auch Amnon Seelig, Kantor der Jüdischen Gemeinde, berichtet von einer bedrohlichen Atmosphäre, die sich in Beschimpfungen jüdischer Teilnehmer und in Israel-feindlichen Parolen geäußert habe.
Viele Jüdinnen und Juden hätten die Kundgebung verlassen, nachdem „ihnen klar wurde, dass gegen die AfD zu versammeln in Mannheim nur unter der Flagge der Hamas möglich ist“. Seelig kritisiert, dass das Motto der Kundgebung - „Nie wieder ist Jetzt“ - auf ironische Weise deutlich wurde, und spricht von einer „absoluten Schande“. Er wirft den Behörden vor, dass es wichtiger gewesen sei, „eine Eskalation zu vermeiden“ als Jüdinnen und Juden zu schützen.
Wie steht die Versammlungsbehörde zu dieser Kritik?
Die Sprecherin verweist darauf, dass es keine Handlungen der Gruppe gegeben habe, die darauf abgezielt hätten, die Versammlung in ihrem Verlauf zu stören. „Strafbare Parolen oder verbotene Kennzeichen wurden nicht festgestellt.“
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