Mannheim. Am Donnerstagabend, hinter verschlossenen Türen, soll es soweit sein: Im nichtöffentlichen Teil der Sitzung des Gemeinderats will Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) mitteilen, was eine ab 2022 mögliche Generalsanierung des Nationaltheaters kosten würde. Nach Informationen dieser Zeitung muss man von mindestens 200 Millionen Euro ausgehen. Das ergibt die erste konkrete Kostenberechnung, die jetzt vorliegt. Die bisher bekannte Zahl betrug 185 Millionen Euro – sie war eine Schätzung.
Bereits heute sitzt der sogenannte „Lenkungsausschuss“ zusammen, der aus der Intendanz des Nationaltheaters sowie dem Oberbürgermeister und den zuständigen Bürgermeistern besteht. Da will man sich die Zahlen noch einmal genau ansehen, dabei nach möglichen Einsparpotenzialen suchen.
Mit am Tisch: Architekt Andreas Schmucker vom Mannheimer Architekturbüro Schmucker und Partner. Er hatte den Auftrag, eine „beschlussfähige Kostenermittlung und ausschreibungsfähige Planung“ vorzulegen. Diesen Beschluss fasste der Gemeinderat bereits im Juni 2015, bewilligte dafür 3,5 Millionen Euro.
Doch die europaweite Ausschreibung des Projekts brauchte einige Zeit. Sie erfolgte im November 2015. Im Herbst 2016 erhielt Schmucker den Zuschlag. Es solle „ein aus Sicht des Baurechts, der Sicherheit/Brandschutzes, des Denkmalschutzes und des Spielbetriebs funktionstüchtiges und modernes Theatergebäude hergestellt werden“, so die Beschlussvorlage 2016 für den Gemeinderat. Dabei seien „die Sanierung der haustechnischen Anlagen und die Verbesserung des Angebots für die Besucher durch Gastronomie und Serviceeinrichtungen“ ebenso Bestandteil des Projekts. Im Juli 2017 präsentierte Schmucker eine erste, vorläufige Kostenschätzung: 185 Millionen Euro. Nun legt er eine Kostenberechnung mit Bestandserfassung und Entwurfsplanung vor.
Präzise habe diese erste Zahl noch nicht sein können, betont Schmucker. Denn erst in den vergangenen Monaten hat er Experten für Tragwerksplanung, Bühnentechnik, Brandschutz, Schallschutz und Akustik, Technische Gebäudeausstattung sowie die Außenanlagen mit ins Boot holen, mit ihnen sowie dem Denkmalschutz eine Bestandsaufnahme in allen Ecken des Gebäudes machen können.
„Anforderungen gewachsen“
Dabei stieß man auf manche Probleme. So stellte sich, nur als ein Beispiel, heraus, dass die Verankerung aller bodentiefen Fenster des Foyers im Erdboden komplett durchgerostet ist – was nur entdeckt, wer den Boden öffnet und nachschaut.
„Die Anforderungen sind kräftig gewachsen“, sagt Schmucker dazu nur, will vor der entscheidenden Sitzung des Gemeinderats aber keinen weiteren Kommentar abgeben. Doch fest stehe: „Wir haben erst jetzt wirklich belastbare Zahlen!“ Dabei entfielen etwa ein Drittel der Summe auf reine Baukosten, zwei Drittel auf Haus- und Bühnentechnik.
Klar ist, dass sich bestimmte Stellen, gerade im Bereich der Technik, als noch maroder als gedacht erwiesen haben. Zudem reichte das Theater eine lange Liste an Umbauwünschen ein – damit nach einer eventuellen Sanierung auch die Besucher Verbesserungen spüren, nicht nur hinter den Kulissen Technik und Brandschutz auf den nötigen Stand gebracht werden. Es gab auch die Idee, den Orchesterprobensaal so auszustatten, dass CD-Aufnahmen stattfinden können und man dafür nicht ein Tonstudio anmieten muss.
Zeitweise war daher von mehr als 220 Millionen Euro die Rede. Dann wurden nach und nach einzelne Posten wieder gestrichen oder zumindest zurückgestellt. Dem Vernehmen nach hat Kurz intern 200 Millionen Euro als Obergrenze gesetzt – was aber nicht unumstritten ist. Mancher im Theater argumentiert, wenn das Haus schon vier Jahre geschlossen sei, müsse man einen „großen Wurf“ machen. Noch vor der Sommerpause will Kurz über das Thema im Gemeinderat debattieren, aber noch keinen Beschluss zum Baubeginn fassen. Den könne es erst geben, wenn die Finanzierung geklärt ist, sagte er stets.
Bisherige Schätzung
- Die bisherige, im Juli 2017 veröffentlichte Kostenschätzung für eine Generalsanierung vom Architekturbüro Schmucker ging von 185 Millionen Euro aus.
- Sie ergab sich aus einem geschätzten Sanierungsaufwand von 86 Millionen Euro, einem Aufschlag von 7,5 Prozent an möglichen Preissteigerungen sowie einem Risikoaufschlag von 30 Prozent für unvorhersehbare Kosten. Hinzu kommen 30 Prozent Nebenkosten (Planung/Steuerung) sowie 19 Prozent Mehrwertsteuer.
- Auch in der neuen, konkreteren Kostenberechnung sind Risikoaufschläge und Nebenkosten eingerechnet, nicht aber die Kosten für Ersatzspielstätten während der vier Jahre dauernden Schließung.
Ausstellung im Architekturmuseum: „MM“ bietet Fahrt nach Frankfurt
- Nicht nur in Mannheim wird eine Theatersanierung diskutiert, sondern in vielen weiteren Städten. Das Deutsche Architekturmuseum (DAM) Frankfurt bietet dazu derzeit gemeinsam mit dem Kulturdezernat der Stadt Frankfurt unter dem Titel „Große Oper – Viel Theater?“eine Ausstellung an, die auch für Mannheimer sehr interessant ist.
- Dafür wurden Gebäude ausgewählt, die unterschiedliche Aspekte und Strategien des Umgangs mit Theatern, Opern- und Konzerthäusern in Städten aufzeigen. Dazu gehören Beispiele für gelungene Sanierungen historischer Anlagen wie in London, in Berlin die Staatsoper Unter den Linden oder das Düsseldorfer Schauspielhaus. Gezeigt werden jedoch ebenso spektakuläre Neubauten, die zum Teil Akzente für die Stadtentwicklung gesetzt haben – darunter die Oper Kopenhagen, das Musiktheater am Volksgarten in Linz sowie die neue Elbphilharmonie in Hamburg. Es geht um die technischen Möglichkeiten und Anforderungen, ebenso um den Wandel, der Inszenierungen und der Wünsche des Publikums.
- Der „Mannheimer Morgen“ möchte seine Leser nicht nur mit der Serie „Nationaltheater – Was wird daraus?“ ausführlich informieren. Passend zur Serie bieten wir eine spezielle Morgentour an. Sie führt am Montag, 14. Mai (Abfahrt ab Treffpunkt Dudenstraße um 9.15 Uhr) zunächst nach Frankfurt, wo die beiden Kuratoren Yorck Förster und Andrea Jürges durch die Ausstellung führen. Nach einer Mittagspause geht es zurück nach Mannheim. Dort wird ab 15.30 Uhr ein exklusiver Blick hinter die Kulissen des Nationaltheaters geboten.
- Die Anmeldung ist nur telefonisch unter 0621/392-2500 (Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr) möglich. Der Preis pro Teilnehmer beträgt 42 Euro, Morgencard-Premium-Inhaber zahlen 33,60 Euro. Jeder Teilnehmer erhält ein Lunchpaket. Melden sich mehr Teilnehmer als Plätze im Bus und bei der Führung vorhanden sind, entscheidet das Los.
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