Man spürt die Begeisterung – an den Bildern und in der Stimme, mit der sie unterlegt sind: Eine komplette Amateurfilmer-Dokumentation auf sieben Super-8-Rollen über die Bundesgartenschau in Mannheim im Jahr 1975 zählt zu den privaten Filmschätzen, die dem Marchivum zur Digitalisierung übergeben wurden. Dadurch können sie nun für die Nachwelt erhalten bleiben.
In einem der Filme steht der Herzogenriedpark im Mittelpunkt – und besonders die Multihalle. „Sie liegt immer im Blickpunkt. Wo man sich im Park befindet – die Multihalle sieht man immer“, so der Sprecher. Schließlich sind die Bäume und Büsche damals noch nicht so groß, dass sie das Gebäude mit der – anfangs grauen – Kunststoff-Haut verdecken. Die frei tragende Dachkonstruktion aus hölzernen Latten, die größte der Welt, gilt schon damals als viel bestauntes „architektonisches Wunder von Mannheim“. Sie stammt von den Architekten Carlfried Mutschler und Joachim Langner sowie von Frei Otto, bekannt vom Münchner Olympiastadion.
Eine große Sportshow mit Trampolinsprüngen bis knapp unter das Dach, Jazzkonzerte, Trachtenfeste, Gastspiele der Volksschauspiele Ötigheim mit rasant quer durch die Halle galoppierenden Pferden, Fernseh-Aufzeichnungen wie der „Blaue Bock“ mit Heinz Schenk – all das findet in der Multihalle statt.
Zur Eröffnung im April und zum Abschluss der Bundesgartenschau im Oktober dient sie zudem großen Blumenschauen mit hunderttausenden von Blüten und Pflanzen, während es in einer anderen Halle in der Nähe die ganze Zeit grünt und blüht: Sieben Blumenschauen finden in der eigens dafür aus flexiblen Stahlteilen gebauten „Merohalle“, postiert am Haupteingang beim Neuen Messplatz, statt.
Dort steht, als weithin sichtbarer Blickfang, auch das Riesenrad – mit einem Durchmesser von immerhin 42 Metern eine der Hauptattraktionen des Herzogenriedparks 1975. Dieses Riesenrad nehmen die Amateurfilmer ebenso immer wieder in den Blick wie die Kleinschienenbahn, die quer durch den Park verkehrt – vorbei am Modellbootweiher und an Sportanlagen, an herrlich bunten, riesigen Blumenbeeten mit allein 75 000 Tulpen und üppigen Staudenpflanzungen, vielen Spielplätzen, am Höhlenlabyrinth für Kinder und der sogenannten „Rosenvergleichsschau“ mit 112 neuen Sorten, deren Reste heute noch das „Rosarium“ darstellen. Auch die Kleingärtenanlage und das neu angelegte Wohngebiet werden durchfahren – denn auf das neue Areal mit 2000 Miet- und Eigentumswohnungen sowie einem Studentenwohnheim zum Leben mitten im Grünen ist die Stadt seinerzeit besonders stolz. Und dass das kleine Bähnchen im Park über eine „Abgasentgiftungsanlage“ verfügt, wird 1975 – und damit lange vor Umwelt- und Feinstaubdebatten – auch eigens hervorgehoben.
Echtes Mondgestein
Eine Haltestelle der Bahn trägt den Titel „Mondbahnhof“ – mit gutem Grund. Dort, wo sich heute der Evangelische Kindergarten befindet, kann man echtes Mondgestein sehen – nur sechs Jahre nach der ersten Mondlandung eines Menschen ist das damals eine Sensation. Auch zwei Mondkameras und eine Kapsel des amerikanischen Raumschiffs Gemini aus den 1960er Jahren werden in dieser sogenannten „Weltraumausstellung“ gezeigt. Initiiert hat sie Heinz Haber, 1972 mit dem Bloomaulorden ausgezeichneter Physiker, der durch viele Fernsehauftritte als „Weltraumprofessor“ populär geworden ist.
Der Film ist „liebevoll zusammengestellt mit selbstgebasteltem Titel und zeigt das vielfältige Programm und die Attraktionen der Bundesgartenschau“, lobt Désirée Spuhler, die Leiterin der Filmsammlung vom Marchivum. Idee und Zusammenstellung gehen auf Renate Schott zurück, mit Beiträgen von Wolfgang Pohlmann. Kamera und Technik oblagen Werner Schott. Für Spuhler stehen diese Aufnahmen „exemplarisch für die zahlreich bei uns eingegangenen Filme zur Bundesgartenschau und machen deutlich, welch großes Ereignis es war“.
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