Wir müssen darüber diskutieren, ob diese Bereiche so wie jetzt bereits ideal sind, oder ob sie anders noch besser funktionieren würden.
An seinen ersten Besuch in Mannheim kann sich Andreas Gundelwein noch gut erinnern. Mit dem Ruderverein war der gebürtige Hamburger 1981 bei einer Regatta im Industriehafen - und kenterte schon beim Ablegen, weil es begonnen hatte zu schneien. „Insofern habe ich den Industriehafen in sehr lebendiger Erinnerung - an das Wasser von oben und von unten.“ In den folgenden Jahrzehnten sah er als Pendler lediglich immer mal wieder den Bahnhof der Stadt. Doch das wird sich nun ändern. Denn der 57-Jährige, der in den vergangenen acht Jahren am Deutschen Museum in München gearbeitet hat, ist seit Montag Chef des Technoseums. Also des „flächenmäßig und von der Bedeutung her drittgrößten Technikmuseums in Deutschland“, wie er sagt.
Er folgt auf Hartwig Lüdtke, der das Landesmuseum für Technik und Arbeit 16 Jahre geleitet hatte. Und wer sich mit dessen Nachfolger unterhält, der ahnt, dass dieser Wechsel eine Zeitenwende sein könnte.
Gundelwein sagt zwar: „Ich komme nicht als der Heilsbringer mit dem großen Sack voller Ideen, die nach und nach alle umgesetzt werden.“ Aber „den einen oder anderen Impuls“ will er schon geben. Und an Ideen, die er diskutieren möchte, mangelt es ihm nicht.
Mehr kostenlose Angebote
„Das Museum lebt davon, dass es in der Stadtgesellschaft verankert ist, dass es Angebote macht, die die Menschen wirklich erreichen“, sagt er. Und fügt hinzu: „Da sehe ich noch Arbeit vor uns.“ So will er das Haus mit neuen, unverbindlichen Formaten auch für die Menschen interessanter machen, die nicht unbedingt zu den klassischen Museumsbesuchern gehören.
Längere Öffnungszeiten kann Gundelwein sich da vorstellen, andere Preise, mehr kostenlose Angebote: „Man kann darüber nachdenken, ob man nicht jeden Tag in der letzten Stunde freien Eintritt gewährt.“ Außerdem möchte er die außergewöhnliche Architektur besser nutzen: „Es muss hier Abendveranstaltungen geben. Ich möchte gerne mit anderen Kultureinrichtungen in der Region zusammenarbeiten: Die Rampen hier sind wie gemacht für Theaterstücke oder Konzerte.“
So will er das 1990 eröffnete Haus neu positionieren: „Ein Museum sollte neben der Privatsphäre und dem Arbeitsplatz der dritte Ort der Begegnung und Diskussion sein; wo man etwas lernen oder sich einfach unterhalten lassen kann; es soll der hippe Ort sein, wo man hingeht.“
Der zentrale Baustein zur Umsetzung dieser Vorstellung ist der Umbau des bisherigen SWR-Studios, das nach dem Umzug des Senders an die Schafweide frei wird. Bis zu 7000 Quadratmeter Fläche könnte das Technoseum zu seinen rund 9000 Quadratmetern hinzugewinnen. Doch wann es soweit sein wird, ist noch offen: Das Land hat seinen Finanzierungsanteil von zehn Millionen Euro an den insgesamt vorgesehenen 40 Millionen fürs Technoseum im Doppelhaushalt 2024/2025 nicht eingeplant. Darum wird nun darüber verhandelt, ob trotzdem vorher mit manchen Maßnahmen begonnen werden kann. „Ich gehe davon aus, dass wir bis zum Sommer Klarheit haben“, sagt Gundelwein. „Im Idealfall stehen uns die Räume ab Ende 2025 zur Verfügung.“
„Den Staub abblasen“
Was dann dort entstehen könnte, hat der neue Chef bereits im Kopf: „Es geht nicht darum, einfach die Ausstellungsfläche zu erweitern. Wir wollen einen interaktiven Bereich mit Workshop-Charakter einrichten“, sagt er. „Ich stelle mir vor, dass wir da zum Beispiel Labore und Bereiche haben, wo junge Menschen und Technikfans auch zu ungewöhnlichen Zeiten sein und die halbe Nacht programmieren können.“
Thematisch soll sich dort alles um Kommunikation, Medien, Digitalisierung und Information drehen: „Wie bekomme ich diese? Wie filtere ich sie? Wie bewerte ich sie? Das ist die entscheidende Kulturtechnik unserer Zeit“, sagt er. „Das muss man lernen. Und das ist die zentrale Aufgabe von Technikmuseen.“
Da müsste eigentlich alle 250 Meter ein spannendes Experiment stehen.
Von den zugesagten 40 Millionen Euro ist aber nur ein Viertel für das neue Projekt veranschlagt. Der Rest soll in die Haustechnik und die Dauerausstellung gesteckt werden, wo Gundelwein „an einigen Stellen den Staub abblasen“ will: „Wir müssen überlegen, ob der Gesamtaufbau der Ausstellung, der momentan stark chronologisch geprägt ist, noch verbessert werden kann.“ Denn eigentlich gefällt ihm eine Aufteilung nach Themenfeldern besser: „Meine Idealvorstellung wäre es, die Ausstellung etwas mehr in diese Richtung umzubauen.“ Auch die interaktiven Elementa-Bereiche könnten eventuell neu strukturiert werden: „Wir müssen darüber diskutieren, ob diese Bereiche so wie jetzt bereits ideal sind, oder ob sie anders noch besser funktionieren würden.“
Anderes Ausstellungsprogramm?
Mit den Sonderausstellungen, deren Themen intern eigentlich bereits bis 2028 feststehen, will er sich ebenfalls befassen: Denn zum einen könnte er es sich gut vorstellen, gemeinsam mit anderen europäischen Museen eine große Wanderausstellung zu konzipieren. Und zum anderen würde er gerne etwas Freiraum schaffen, um auch kurzfristig auf aktuelle Themen reagieren zu können: „Das ist etwas, was ein Haus interessanter macht, wenn ich etwas anbieten kann, was draußen gerade aktuell ist. Und nicht fünf Jahre später.“
Sein Ideenreichtum endet jedoch nicht an der eigenen Haustür, sondern schließt die neu gestaltete Augustaanlage ein: „Da müsste eigentlich alle 250 Meter ein spannendes Experiment stehen, wo ich etwas machen kann, damit sich das Technoseum in die Stadt hinein verlängert und schon der Weg dahin mit Experimenten gepflastert ist.“
„Kein Kommentar“
Nur bei einem Punkt gibt sich der neue Technoseum-Chef wortkarg: Zur Zukunft des Museumsschiffs sagt er nur: „Kein Kommentar.“ Offenbar gestaltet sich die Übernahme durch einen von Mannheimern Bürgern gebildeten Verein schwieriger als gedacht. Und eines steht fest: Schiffbruch will Gundelwein in Mannheim nicht noch mal erleiden.
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