Unglück

Chemieunfall in Mannheim: Darum werden die Ermittlungen eingestellt

Nach dem Unfall im Mannheimer Hafen im August 2022 hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen nun eingestellt. So begründet die Mannheimer Behörde die Entscheidung

Von 
Sebastian Koch
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Die Feuerwehr hatte den Container, in dem die chemische Reaktion stattgefunden hat, tagelang mit Wasser gekühlt. Erst nach anderthalb Wochen waren die Fässer geborgen. © Michael Ruffler, ASB

Mannheim. 204 Tage sind vergangen, seit am Nachmittag des 23. August eine chemische Reaktion Mannheim anderthalb Wochen lang mit Sorge auf den Hafen hat blicken lassen. Nun ist klar: Strafrechtliche Konsequenzen hat der Unfall wohl nicht. Die Staatsanwaltschaft jedenfalls teilte am Mittwoch auf Anfrage dieser Redaktion mit, ihre Ermittlungen gegen Unbekannt wegen fahrlässiger Körperverletzung eingestellt zu haben.

Was ist am 23. August gegen 14.30 Uhr im Hafen passiert?

In einem mit Fässern der BASF beladenen Container kommt es am Nachmittag zu einer chemischen Reaktion. In den Fässern befindet sich das hochreaktive und bei unsachgemäßer Handhabe zur Selbstentzündung neigende Natriumdithionit, das als Bleichmittel in der Textilindustrie verwendet wird. Eine Giftwolke steigt in den Himmel auf. Das Gebiet wird abgesperrt, der Verkehr kommt teilweise fast zum Erliegen. Am Abend löst die Stadt Sirenenalarm aus. Beim Unfall werden 16 Polizeibeamte und ein Kranfahrer verletzt. Alle können bald danach das Krankenhaus verlassen. Die Fässer werden nach einem schwierigen Einsatz am 1. September - anderthalb Wochen danach - geborgen.

Warum stellt die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ein?

Seit Oktober hat die Behörde ermittelt und zwei Gutachten zur Unfallursache in Auftrag gegeben. Zunächst hatte es geheißen, mit einem Ergebnis könne man „frühestens im Dezember“ rechnen. Anhand der Gutachten und einem weiteren, das die BASF zur Verfügung gestellt hat, erklärt die Staatsanwaltschaft nun: „Es hat sich kein strafrechtlich relevantes Verhalten ergeben.“

Worum drehen sich die insgesamt drei Gutachten?

Die Staatsanwaltschaft unterteilt die Gutachten in drei Gebiete: Das erste Gutachten beschäftigt sich demnach damit, ob an den Fässern Schäden festzustellen waren, die zum Unfall geführt haben. Das zweite untersucht die Umstände der Verladung und des Transports der Fässer. Im dritten - von der BASF ausgestellten - Gutachten geht es darum, unter welchen Umständen Natriumdithionit chemisch reagiert.

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Sind Fässer denn beschädigt gewesen?

Ja. An einem der Fässer sei ein Schaden entdeckt worden. Die „schlitzförmige Beschädigung“ sei mit „großer Wahrscheinlichkeit“ durch einen Gabelstapler beim Beladen des Containers verursacht worden. Das könne man aber nicht zweifelsfrei sagen. „Dass das Fass bereits vor dem Verladevorgang beschädigt war oder erst innerhalb des Containers beschädigt wurde, ist nach den Ermittlungen allerdings mit ziemlicher Sicherheit auszuschließen.“

Welche Rolle spielt der Schaden am Fass bei dem Unfall?

Darauf gibt das Gutachten der BASF Antwort. Laut Staatsanwaltschaft geht aus dem hervor, dass die Reaktion in den „luftdicht verschlossenen Fässern“ auch bei höherer Temperatur mehr als die viereinhalb Stunden gebraucht hätte, die zwischen dem Zwischenlagern der Fässer ab 10 Uhr und dem Beginn der Reaktion ab 14.30 Uhr lagen. Weil aus dem Riss im Fass aber Natriumdithionit ausgetreten ist und es im Container eine hohe Luftfeuchtigkeit und Temperatur gegeben habe, sei es zur chemischen Reaktion gekommen, „die letztlich den gesamten Containerinhalt erfasst“ habe. „Hätte keine Beschädigung am Fass vorgelegen, wäre es nach dem Ergebnis unserer Ermittlungen hier wohl zu der Reaktion nicht gekommen“, erklärt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Nachfrage.

Mit diesem Wärmebild veranschaulichten die Einsatzkräfte die Hitzeentwicklung in dem Container mit den Fässern. © ASB

Also war der Riss wohl für die Reaktion verantwortlich. Warum wird dann nicht gegen den Gabelstaplerfahrer ermittelt?

Zwar geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der Schaden beim Verladen passiert sei. Das Fass sei aber so ausgerichtet gewesen, „dass der Anstich nicht unmittelbar wahrgenommen werden konnte“. Laut dem Sprecher bedeutet das: Die Behörde könne „nicht davon ausgehen, dass die Beschädigung durch den Staplerfahrer bemerkt wurde“. Und weiter: „Dass eine solche Beschädigung derartige Folgen haben könnte, war für den Staplerfahrer zudem nicht vorhersehbar.“ Das sei aber eine Voraussetzung für einen Vorwurf auf Fahrlässigkeit.

Es wurde spekuliert, ob die dunkelblaue Farbe des Containers die Reaktion begünstigt hätte und es besser gewesen wäre, wenn der Container weiß oder hellfarbig gewesen wäre. Was sagt die Staatsanwaltschaft dazu?

Da ein Fass beschädigt war, aus dem Stoff austrat, gehe man davon aus, „dass die hohe Temperatur im Container zusammen mit einer höheren Luftfeuchtigkeit letztlich die chemische Reaktion verursacht hat“, sagt der Sprecher. Er könne aber nichts dazu sagen, „ob die dunkle Farbe einen ,entscheidenden Beitrag’ zur hohen Temperatur im Container geleistet hat“. Eines der Gutachten kommt laut Behörde zum Schluss: „Die maßgeblichen gesetzlichen Sicherheitsbestimmungen wurden eingehalten. Insbesondere war der Container von seiner Beschaffenheit her als geeignet anzusehen.“ Es sei „kein Verstoß gegen Sicherheitsbestimmungen feststellbar“ gewesen.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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