Soziales

Caritas kritisiert Umsetzung des Hitzeaktionsplans für Obdachlose in Mannheim

Mannheim gehört zu den heißesten Städten Deutschlands. Warum die Caritas die Hilfe für Obdachlose bei hohen Temperaturen bemängelt.

Von 
Rahel Adel
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Neben Wasser und Sonnenschutz sind auf Lagermöglichkeiten für ihre Habseligkeiten für obdachlose Menschen bei Hitze von großer Bedeutung. © picture alliance/dpa

Mannheim. „Die Hitze war schon schwer“, erzählt Klaus. „Dann hocke ich mich da an den Neckar, bei der Neckarstadt, oder gehe ans Museumsschiff und setze mich da hin. Aber ich soll nicht zu lange, wegen meiner Wunde am Bein.“ Klaus ist seit ungefähr einem Jahr wohnsitzlos, erzählt er im Gespräch mit dieser Redaktion. Und in dem Jahr hat er in Mannheim schon beides erlebt: Die Kälte im Winter und die Hitze im Sommer. Beides hat seine Herausforderungen für die Obdachlosen in der Stadt, weiß er. Nicht nur wegen seiner Wunde am Bein, wegen der er schon im Krankenhaus war und die bei der Hitze nicht gut verheilt.

Die Stadt Mannheim hat im Jahr 2021 einen Hitzeaktionsplan verabschiedet, mit beteiligt daran war die Wohnungslosenhilfe der Stadt. Darin sind wohnungslose Menschen als vulnerable Zielgruppe definiert. Unter den definierten Problemen ist unter anderem die omnipräsente Gefahr von Diebstahl zu finden. Denn obdachlose Menschen tragen ihre Habseligkeiten oft permanent bei sich, was laut Stadt mit einer „höheren körperlichen Anstrengung einhergeht sowie das Transportieren von Trinkwasser erschwert“. Auch die Gefahr von sonnenallergischen Ausschlägen und Sonnenbränden wird im Plan als erhöht eingeschätzt, ebenso wie das langfristige Risiko für Hautkrebs.

Viele obdachlose Menschen halten sich in der Mannheimer Innenstadt auf

Im Plan der Stadt steht deswegen, sichere Stau- und Lagermöglichkeiten für Habseligkeiten zu schaffen. Es soll leichte Kleidung und Sonnencreme verteilt, außerdem sollen die Waschmöglichkeiten ausgeweitet und öffentlich zugängliche Trinkbrunnen ausgebaut werden. Für wohnungs- und obdachlose Menschen sollen kühle Rückzugsorte, sogenannte Cooling Centers, geschaffen werden, so die Empfehlung.

Meiner Meinung nach wurde außer den Trinkbrunnen nichts umgesetzt.
Madlen Steger Sozialarbeiterin Caritas

Auch in diesem Jahr kletterten die Temperaturen in Mannheim wieder hoch – sehr hoch. Bis auf über 35 Grad Celsius. Betroffen von den hohen Temperaturen ist vor allem die dicht bebaute und viel versiegelte Mannheimer Innenstadt. Genau da, wo sich viele obdach- und wohnungslose Menschen aufhalten, wie Madlen Steger, Sozialarbeiterin bei der Caritas in der Tagesstätte für wohnungslose Menschen in D6,7, und Stefanie Paul, zuständige Abteilungsleiterin im Bereich Arbeit – Migration – Soziales bei der Caritas Mannheim wissen.

Caritas: Kritik an der Umsetzung für Hitzeaktionsplan in Mannheim

Bei solchen Temperaturen soll der Hitzeaktionsplan der Stadt einsetzen. Doch Steger und Paul finden: Der Plan an sich beinhaltet zwar gute Überlegungen und Maßnahmen. Aber bei der Umsetzung hapert es. „Meiner Meinung nach wurde außer den Trinkbrunnen nichts umgesetzt“, sagt Steger. Paul meint, der Plan sei in seiner Theorie durchaus nicht schlecht. Aber auch sie meint: „Die Umsetzung fehlt.“

Kommentar Hitzeaktionsplan für Obdachlose: Bei der Umsetzung hapert es

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Zum Beispiel sind da die Stau- und Lagermöglichkeiten für die Habseligkeiten. „Die gibt es nicht“, so Steger. Sie werde oft von ihren Klienten darauf angesprochen, wo sie ihre Habseligkeiten unterbringen könnten.

Ein weiterer Punkt ist die Ausgabe von Koffern für die Verwahrung von Kleidern. „Ich habe noch von keiner Klientin gehört, dass das gemacht wird.“ Außerdem meint Paul: „Dann habe ich meine Klamotten nicht mehr im Sack, sondern im Koffer. Das Problem ist nicht weg.“ Der zuständige Sprecher der Stadt erklärt auf Nachfrage, das Thema der Stau- und Lagermöglichkeiten stehe im Plan unter dem Punkt „Weitere Empfehlungen“ und nicht als konkrete Maßnahme. Daher sei es noch nicht umgesetzt worden.

Wannenbad für Obdachlose im Herschelbad in Mannheim wird geschlossen

Und auch die Ausweitung der Waschmöglichkeiten, wie im Plan festgehalten, sehen die beiden Caritas-Mitarbeiterinnen nicht. „Eher andersrum“, sagt Paul. Denn Oberbürgermeister Christian Specht hat jüngst verkündet, dass das Herschelbad geschlossen wird. Und daran angeschlossen ist das Wannenbad, das von Ehrenamtlichen betrieben wird. Dort können Obdachlose baden, gleichzeitig dient es aber auch als sozialer Treffpunkt.

Nach Anfrage bestätigt die Stadt, dass die Schließung auch das Wannenbad betrifft. „Bedauerlich“ sei das aus Sicht des Sozialdezernats. Dann gebe es nämlich in ganz Mannheim keine öffentlich zugänglichen Wannenbäder mehr. Die Verwaltung betont aber gleichzeitig die Wichtigkeit des Wannenbads, das auch eine wichtige sozial-emotionale Funktion erfüllt und für obdachlose Menschen einen Ort der Erholung und Entspannung darstelle.

Tagesstätten für Obdachlose

In Mannheim gibt es zwei Tagesstätten für obdachlose und wohnungslose Menschen.

Die der Stadt ist in U5,12 zu finden.

Die der Caritas befindet sich in D6,7 .

Außerdem gibt es eine Übernachtungsstelle der Stadt in der Bonadiesstraße 2. rad

Duschmöglichkeiten sind nach Angaben der Verwaltung in der städtischen Einrichtung in U5,12 zu finden. Sollte der Bedarf nach Schließung des Wannenbads die Infrastruktur in U5 an ihre Grenzen bringen, soll geprüft werden, ob nicht ein Ausbau eine geeignete Lösung sein könnte, so die Stadt auf Anfrage. Die Waschmöglichkeiten stehen demnach nach Anmeldung auch für Nichtbewohner zur Verfügung – sofern sie obdachlos seien.

Und wie sieht es mit den Cooling Centers aus, die als Empfehlung auch bei den Maßnahmen für Menschen mit geistiger Behinderung stehen? Auch hier erklärt die Stadt, wie bei den Stau- und Lagermöglichkeiten, dass die Cooling Centers unter dem Punkt „Weitere Empfehlungen“ im Hitzeaktionsplan stehen, und nicht als konkrete Maßnahme. Daher sei dieses Thema ebenfalls nicht umgesetzt worden.

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Die Stadt weist nach Anfrage darauf hin, dass bei Hitze an Obdachlose in der Notübernachtungsstelle kostenloses Mineralwasser ausgegeben wird. Außerdem können sich die Personen in der städtisch geförderten Tagesstätte und in der Stätte der Caritas aufhalten. Die Wohnungslosenhilfe gehe außerdem allen Meldungen nach, die obdachlose Personen in prekären Situationen betreffe – also auch bei Hitze und Kälte. Sie mache dabei Hilfsangebote, könne die Menschen aber nicht zwingen, diese anzunehmen.

Caritas Mannheim: „Frage der Haltung“

Von der Stadt gibt es die Aktion „Kühle Orte“. Auf dem Geoportal ist online eine Übersichtskarte kühler Rückzugsorte zu finden. Darunter sind Schattenplätze und kühle Orte in Gebäuden. Dieser Plan sei zusätzlich in Form eines Stadtplans erhältlich, der an verschiedenen Auslagestellen in Mannheim ausliege, erklärt die Stadt. Auf der Karte sind auch die öffentlichen Trinkbrunnen markiert.

Eine solche Karte sei auch bei der Caritas Tagesstätte zu finden, sagen Steger und Paul. Doch sie haben das Gefühl, dass die obdachlosen Menschen in den Gebäuden eher geduldet werden – beispielsweise im Vorraum der Stadtbibliothek. „Es wird nicht aktiv beworben von wegen ‚Hey, es gibt die und die öffentlichen Gebäude, die sind alle klimatisiert, ihr könnt euch da drinnen aufhalten‘“, kritisieren die beiden.

„Es ist auch eine Frage der Haltung“, sagt Paul. „Auch wenn wir es nicht glauben wollen, Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Und vielleicht sollte sich das manchmal auch im Umgang mit denen zeigen, die wirklich am allerletzten Ende der Nahrungskette sind.“ Auch Klaus wünscht sich einen eigenen Rückzugsort, wo er seine Ruhe hat. „Wenn ich ein Zimmer habe, ein Bett und einen Fernseher, das reicht vollkommen“, sagt er. „Als Wohnsitzloser – das ist kein Leben. Das ist kein Leben und sehr gefährlich.“

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