Mannheim. Städte, die stark versiegelt sind, entwickeln sich zu „städtischen Hitzeinseln“ und sind anfälliger für die Folgen von Starkregen, Hitzeperioden und Dürren. Obwohl das Problembewusstsein wächst und Konzepte wie das der „Schwammstadt“ existieren, mangelt es vielerorts an konsequenten Umsetzungsstrategien und politischem Willen. Das thematisierte die SWR-Dokumentation „Zugepflastert! Wie schützen wir unsere Städte vor dem Hitzekollaps?“ – und bringt als Beispiel die Stadt Mannheim an.
Diese bekommt durch die mit der Dokumentation einhergegangenen Recherchen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Plattform „FragDenStaat“ soeben den Titel der „heißesten Stadt Deutschlands“. Ein unrühmlicher Titel, der bei der Stadtverwaltung nicht auf ungeteilte Zustimmung stößt. Auf Anfrage dieser Redaktion verweist die Stadt auf besondere historische und geografische Bedingungen – und betont zugleich eigene Fortschritte.
Privatgrund und Bestandsschutz – das sind Mannheims Grenzen bei der Entsiegelung
Über 90 Prozent der Flächen mit hohem oder sehr hohem Entsiegelungspotenzial liegen in Privatbesitz: Industrieareale, Parkplätze, Gewerbeflächen. Hier ist der Einfluss der Stadt begrenzt. Trotzdem versucht sie, den Prozess voranzubringen, indem sie berät und fördert. „Zum Beispiel gibt es aktuell bis zu 25.000 Euro Förderung für Dach- oder Fassadenbegrünungen oder die Begrünung von entsiegelten Flächen“, erinnert ein Sprecher der Stadt (hier geht es zum Programm). Faktisch bleibt vieles Flickwerk – solange keine stärkeren Eingriffsmöglichkeiten bestehen.
Was ist eine Schwammstadt?
Der Begriff Schwammstadt bezeichnet ein städtebauliches Konzept , das Städte so umbaut, dass sie Regenwasser wie ein Schwamm aufnehmen, zwischenspeichern und bei Bedarf wieder abgeben können – statt das Wasser schnell in die Kanalisation abzuleiten. Dafür setzen Planer auf naturnahe Maßnahmen, auch bekannt als blau-grüne Infrastruktur .
Das soll weniger Überflutungen bei Starkregen, Kühlung durch Verdunstung und mehr Grün sowie eine höhere Biodiversität erreichen. Als Maßnahmen gelten etwa begrünte Dächer und Fassaden, Bäume mit Speichersystemen, wasserdurchlässige Beläge sowie Regenrückhalteflächen.
Mannheim gilt als Modellstadt in Baden-Württemberg für klimaresiliente Stadtentwicklung und hat deshalb den scherzhaften Namen „Schwammheim“ bekommen.
Diese Maßnahmen gehören dazu: Klimakorridore (Frischluftschneisen) vom Käfertaler Wald in die Innenstadt, eine Klimaschutzabteilung seit 2005, ein Klimaschutzkonzept (2009), einen Hitzeplan (2018) sowie Förderprogramme bis 25.000 € für private Begrünungsprojekte.
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In einigen Aspekten nimmt Mannheim auch eine Vorbildfunktion ein: Kommunale Flächen würden überprüft, neue Bebauungspläne enthalten strengere Begrünungsvorgaben – von Dach- und Fassadenbegrünungen bis hin zu wasserdurchlässigen Stellplätzen, heißt es. „Das Konzept zur Anpassung an den Klimawandel, die Stadtklimaanalyse und die Begrünungssatzung“ seien wichtige Grundlagen, so die Verwaltung.
Die Stadt verweist auf positive Beispiele: die Frischluftschneise auf Spinelli, die Entsiegelung des Habichtplatzes in Käfertal, das 1000-Bäume-Programm, Entwicklungen auf den Flächen von Taylor, Turley oder der Turbinenfabrik. „Sehr große Grünflächenanteile“ seien auf allen Konversionsflächen geschaffen worden, so die Verwaltung, „diese stehen exemplarisch für zahlreiche andere städtebauliche Projekte“. Doch diese Flächengewinne waren ein historischer Glücksfall – ermöglicht durch den Abzug der US-Armee. „Großflächige Veränderungen in bebauten Gebieten sind in der Regel nur möglich, wenn größere Areale brachfallen und neugestaltet werden können“, antwortet der Stadtsprecher. „Die militärischen Konversionsflächen […] waren hier eine einmalige Chance.“
In den dicht bebauten Innenstadtquartieren bleibt die Realität also unverändert grau. Denn für bestehende Gebäude gilt Bestandsschutz. „Letztlich sind bauliche Änderungen in bestehenden und genutzten Gebieten nur über längere Zeiträume möglich“, so die Stadt, „sodass auch die dadurch ermöglichten positiven Veränderungen erst über längere Zeiträume wahrnehmbar sind.“ Das bedeutet: Was Mannheim heute beschließt, wird erst in zehn oder zwanzig Jahren wirken – den Bürgerinnen und Bürgern, die heute unter Hitzetagen und Tropennächten leiden, hilft es also nicht.
Mannheim belastet durch Oberrheingraben und Infrastruktur
Auch abseits der in der Kurfürstenzeit entstandenen Quadrate befindet sich Mannheim in einer besonderen Lage: „Wie in der SWR-Dokumentation ,Zugepflastert!‘ korrekt erwähnt, liegt Mannheim im Oberrheingraben, der schon im 18. Jahrhundert wegen seines warmen Klimas als ‚Toskana Deutschlands‘ bezeichnet wurde“, erklärt der Sprecher. Tatsächlich gilt die Oberrheinische Tiefebene als eine der wärmsten Regionen Deutschlands. Laut Deutschem Wetterdienst liegt die Jahresmitteltemperatur hier bei rund 11 Grad – ein Wert, der über dem bundesweiten Schnitt von 8 bis 9 Grad liegt. Hitzeperioden sind häufiger und intensiver.

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Aufgrund der topographischen Lage könne die Stadt das Großklima nicht beeinflussen, so die Verwaltung, aber „mittel- bis langfristig durch Frischluftschneisen oder Begrünungen“ auf Quartiersebene Veränderungen erreichen. Entsprechend befassen sich zwei von acht Handlungsfeldern im Klimaschutzaktionsplan 2030 mit Entsiegelung und Begrünung.
Hinzu komme: Mannheim hat bei der Gebietsreform der 1960er- und 70er-Jahre keine Flächenzuwächse erhalten. Es wurde lediglich der ehemalige Landkreis Mannheim aufgelöst und in den Rhein-Neckar-Kreis eingegliedert. Heute leben über 320.000 Menschen auf weniger als 145 Quadratkilometern – die kleinste Fläche aller deutschen Großstädte mit mehr als 300.000 Einwohnern. „Dementsprechend muss die Stadtfläche verständlicherweise zu einem vergleichsweise großen Teil versiegelt sein“, argumentiert die Verwaltung.
Gleichzeitig unterhält Mannheim Infrastruktur, die weit über die Stadt hinaus genutzt wird – vom zweitgrößten Binnenhafen Europas bis zum Rangierbahnhof. Beides trägt zusätzlich zur Versiegelung bei.
Mannheim erklärt also viel – und nicht zu Unrecht. Historische Grenzen, geografische Lage, Infrastrukturlasten: All das prägt die Stadt. Doch wer in den Quadraten im Hochsommer unterwegs ist, spürt vor allem die Hitze und die fehlenden Bäume. Bis aus den ambitionierten Plänen und Maßnahmen eine spürbare Abkühlung wird, können Jahre vergehen – vielleicht Jahrzehnte. Bis dahin bleibt Mannheim die Stadt, die sich gegen ihren Titel wehrt, ihn aber noch nicht loswird: die heißeste Stadt Deutschlands.
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