Soziales

Wohnungslosenhilfe: Das Matching muss passen

Das Projekt Housing First Heidelberg und Vonovia bieten neuen Wohnraum für Obdachlose in Heidelberg.

Von 
Joachim Klaehn
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„Housing First“ (v.l.) besiegeln (v.l.) Mona Keitel, Lea Schwab und Andrea Witzel besiegeln Vorrang für Sozialmieter. © Jegliche Verwendung ist honorarpflichtig und nur zu journalistischen/publizistischen Zwecken gestattet.

Heidelberg. Der Weg ist das Ziel – und das Thema komplex. Es geht um Menschen, die von der Obdachlosigkeit betroffen oder bedroht sind. Deshalb haben das börsennotierte Wohnungsunternehmen Vonovia aus Bochum und Housing First Heidelberg gemeinsam entschieden, wohnungslosen Personen ein eigenes Zuhause zu vermitteln. Am Mittwochmittag unterzeichnen Mona Keitel, Lea Schwab von der Initiative Housing First und Andrea Witzel, Regionalleiterin von Vonovia, eine Kooperationsvereinbarung, die bis zum 31. Dezember 2026 gilt. Im Karl-Klotz-Haus des SKM Heidelberg wird die Kollaboration symbolhaft besiegelt – und soll möglichst in Zukunft verstetigt werden.

„Heidelberg ist ein Paradebeispiel für die Wohnungslosenhilfe“, sagt Mona Keitel (SKM), die sich das mit einer Vollzeitstelle ausgeschriebene Projekt fifty-fifty mit Lea Schwab (Wichernheim) teilt. Der SKM (Sozialdienst katholischer Männer) ist wiederum ein Wohlfahrtsverband und gemeinnütziger Verein. Und das Karl-Klotz-Haus funktioniert als Rückzugsort von der Straße.

Projekt ist bereits vor einem Jahr gestartet

Das offiziell am 1. Juni 2024 gestartete Projekt „Housing First Heidelberg“ befindet sich in der Trägerschaft der evangelischen Stadtmission und des SKM Heidelberg und wird vom Land Baden-Württemberg, der unternehmensnahen Vector Stiftung sowie der Stadt Heidelberg unterstützt. Da liegt es nahe, sich einen kompetenten wie potenten Kooperationspartner an die Seite zu holen, der adäquaten Wohnraum für in Not geratene Menschen anbietet. In ganz Deutschland sind es rund 500.000 Wohnungen und eine Million Menschen, die Vonovia betreut. Im vergangenen Jahr konnten davon 900 Wohnungen an Wohnungslose zur Verfügung gestellt werden. Dabei hat Vonovia mit 40 verschiedenen Trägern wie etwa der Diakonie, der Arbeiterwohlfahrt (AWO) oder Housing First an anderen Standorten zusammengearbeitet.

Oberste Priorität: ein Dach überm Kopf

Wie funktioniert’s? Die Expertinnen und Sozialarbeiterinnen sind sich einig, dass ein Dach über dem Kopf oberste Priorität genießt, Dreh- und Angelpunkt für ein selbstbestimmtes Leben darstellt. Der Neustart und eine mit Fingerspitzengefühl anvisierte Reintegration können nur so gelingen. Vonovia greift dabei auf seinen Fundus zurück. Das Jobcenter wird frühzeitig eingeschaltet, denn über diese Institution erfolgt die Mietzahlung. „Das Matching muss einfach passen“, konstatiert Andrea Witzel, „wir brauchen die passende Wohnung, den passenden Zeitpunkt und die passende Person.“ Zum Selbstverständnis von Vonovia gehöre es, sich den schwierigen Herausforderungen des aktuellen Wohnungsmarktes zu stellen und soziales wie kulturelles Zusammenleben in Kooperation mit namhaften Trägern zu fördern.

"Housing First": In diesem Doppelhaus in der Ilse-Krall-Straße in Kirchheim wird demnächst die erste Wohnung nach dem neuen System vermietet. © Jegliche Verwendung ist honorarpflichtig und nur zu journalistischen/publizistischen Zwecken gestattet.

Dann kommt Housing First als Clearingstelle hinzu. In Heidelberg gibt es eine Teilnehmendenliste von derzeit zehn Personen – von insgesamt 120 Menschen, die in der Universitätsstadt auf der Straße leben, plus von 500 Wohnungslosen, die sich in verschiedenen Unterkünften aufhalten, schenkt man Angaben von Anfang 2025 Glauben. Belastbares Zahlenmaterial? Nahezu Fehlanzeige. Die Dunkelziffer ist hoch, von „verdeckt Wohnungslosen“ ist die Rede. Mit den Interessierten führt die Vermittlungsinstanz Housing First zwei Aufnahmegespräche, Kooperationsvereinbarung, Abtretung und Schweigepflichtentbindung gegenüber dem Vermietenden zählen zum Portfolio.

Heidelberg einer der teuersten Wohnorte in Deutschland

Laut Informationen dieser Redaktion wurde seit Herbst letzten Jahres eine Wohnung an eine obdachlose Person in Heidelberg vermittelt. Im Stadtteil Kirchheim soll es nun in der Ilse-Krall-Straße ein zweites erfolgreiches Fallbeispiel geben. Ab Anfang August steht eine 42 Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Wohnung leer. Vonovia investiert 15.000 Euro in deren Renovierung und beschäftigt sich mit den ortsüblichen Vergleichsmieten sowie der Satzungsmiete (öffentlich geförderter Wohnraum). Im Durchschnitt liegt diese bei 9,38 Euro in Heidelberg, im Falle von Neuvermietungen bei 9,70 Euro. Die „normalen“ Mietpreise in der Stadt bewegen sich im ersten Quartal 2025 durchschnittlich bei 13,22 Euro – Heidelberg zählt bekanntlich zu den teuersten Wohnorten in Deutschland.

Das Bewerbungsverfahren für das Kirchheimer Domizil ist noch im Gange. Mit einem Einzug kann – realistisch betrachtet – nicht vor 1. November gerechnet werden. Alle Beteiligten brauchen Kraft, Behutsamkeit und Geduld. Das Positive daran? „Die Jobcentermiete ist absolut sicher. Außerdem tritt die Sozialarbeit als ständiger Begleiter und Vermittlungsinstanz auf“, erklärt Lea Schwab.

Viele Vorurteile gegenüber Wohnungslosen

Grundvoraussetzungen: Wohnungslose müssen schon länger in Heidelberg obdachlos oder notuntergebracht sein und der in Frage kommende Wohnraum zum Stadtgebiet gehören, was das Prozedere erschwert. Lea Schwab spricht die Probleme an: Es gebe „gegenüber Wohnungslosen viele Vorurteile“. Stigmatisierung und Ausgrenzung lassen sich nicht von der Hand weisen. Die Anfänge eines Projekts wie Housing First sind mitunter zäh. Gerade die Privatvermietenden zu erreichen, sei „unglaublich schwierig“.

Das erklärte Ziel der Kooperationspartner Housing First und Vonovia ist es, pro Jahr für drei bis sechs Wohnungs- und Obdachlose ein Zuhause zu schaffen. Es klingt nach wenig – doch für alle Betroffenen hat diese schöne Perspektive enorm viel Bedeutung.

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