Mannheim. Ein Hauch von Hollywood - und das im Neckarauer Gewerbegebiet. Über einen Roten Teppich schreitet Olaf Scholz, als er das international aufgestellte Familienunternehmen Suntat mit Hauptsitz in Mannheim besucht. Trotz trüben Novemberwetters wird der Bundeskanzler von einer Sonne „überstrahlt“, die symbolträchtig als Firmenemblem am Eingangstor prangt und mittlerweile in 50 Ländern aufgeht.
Üblicherweise werden in der riesigen Lagerhalle mit 25 000 Paletten von morgens bis zum späten Nachmittag Dosen mit Getränken, aber auch mit Peperoni, Oliven, Mais und vielem mehr von oder auf Lastwagen geladen. Am Donnerstag ist bereits um 12.30 Uhr mit dem Rangieren Schluss. Kein Gabelstapler soll in der Halle herumkurven, wenn der Bundeskanzler eintrifft. Dafür wimmelt es vor Security-Leuten, die strikt darauf achten, dass Fotografen wie Journalisten hinter den Absperrbändern bleiben.
Kanzler besucht Suntat in Mannheim: Firmengeschichte erzählt
Begleitet von zwei der einst fünf Firmengründern und den heutigen Geschäftsführern Mustafa und Kadir Baklan sowie zwei Töchtern betritt Olaf Scholz gegen 15 Uhr in dunklem Anzug und mit weinroter Krawatte den Umschlagplatz für südländische Lebensmittel, die den Kern des Unternehmens ausmachen. Vorstandsvorsitzender Mustafa Baklan erzählt zwischen fast haushohen Vorratsregalen die Erfolgsgeschichte des Familienunternehmens, die reichlich Stoff für einen HollywoodFilm böte.
Als der Sohn eines türkischen Gastarbeiters mit 16 Jahren nach Deutschland kam, hatte sich weder der Elektro-Schweißer-Azubi noch dessen Vater träumen lassen, dass fünf Brüder der Familie Baklan mit einem 1986 in Mannheim gegründeten kleinen Einzelhandel die Keimzelle für ein Lebensmittelimperium legen würden, das heute in mehreren deutschen Städten präsent ist und in insgesamt 14 Unternehmen um die 1800 Menschen beschäftigt - davon 100 am Hauptsitz.
Olaf Scholz bei Suntat in Mannheim: Austausch mit der Belegschaft
Mit der Belegschaft sucht Olaf Scholz das Gespräch. Als er wissen möchte, wer am längsten dabei ist, meldet sich ein Mann und berichtet, seit 31 Jahren für die Baklans zu arbeiten. Bei der eigentlichen Fragerunde darf die Presse nicht dabei sein - wohl aber Isabel Cademartori, die Mannheimer Abgeordnete der SPD im Bundestag. Von ihr ist später zu hören, dass die vorwiegend türkischstämmigen Männer und Frauen als Thema die doppelte Staatsbürgerschaft umtreibt. „Dazu konnte der Bundeskanzler mitteilen, dass ein entsprechendes Gesetz noch vor Weihnachten eingebracht werden soll“, so Cademartori. Die Politikerin geht davon aus, dass Olaf Scholz vor seinem Bürgergespräch in der Alten Schildkrötfabrik nicht von ungefähr das Unternehmen einer Familie mit Migrationshintergrund besucht.
Schließlich ist Mustafa Baklan 2018 von der örtlichen SPD als „Musterbeispiel der Integration“ mit einem Preis gewürdigt worden. Dass sich die Baklans auf Zusammenführen verstehen, davon kündet auch der Wahlspruch ihres Erfolgsrezeptes - und dieser lautet: „Deutsche Disziplin mit türkischer Flexibilität“.
Türkische Unternehmer Rhein-Neckar richten Anliegen an Kanzler Scholz
Als Mitbegründer des Verbandes Türkischer Unternehmer Rhein-Neckar (TID) hat Mustafa Baklan zu dem Bundeskanzler-Besuch auch Kollegen der Region eingeladen. Was in dieser internen Runde besprochen wird, ist nicht bekannt - weil die Presse draußen vor der Tür bleiben muss. Aber dafür gibt es eine vorbereitete Erklärung, deren Anrede „Sehr geehrter Herr Bundeskanzler“ lautet. Darin heißt es: „Deutschland ist unsere Wahlheimat. Wir sind Deutsche. Egal wie sehr man es in manchen Kreisen zu leugnen versucht - der aktuelle starke Rechtsruck in manchen Bevölkerungskreisen lässt uns mit großer Sorge in die Zukunft blicken.“
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Genannt werden außerdem Anliegen, die vermutlich auch in dem Gespräch mit dem Bundeskanzler erörtert wurden. Unter der Überschrift „Wir würden ausdrücklich befürworten“ sind drei Punkte aufgeführt: das Ausweiten von Bildungsmöglichkeiten, wenn Jugendliche keinen Ausbildungsplatz finden. Mehr Plätze in Kitas und betreuenden Schulen für Kinder berufstätiger Eltern.
Außerdem sprechen sich türkische Unternehmer dafür aus, dass „Menschen, die Bürgergeld beziehen, zu angemessenen Tätigkeiten verpflichtet werden“. Und ausdrücklich betont Mustafa Baklan: „Wir begrüßen sehr die neue Reform im Staatsangehörigkeitsrecht, wonach die Doppelstaatsangehörigkeit ermöglicht wird.“
Scholz ist zweiter hoher Besuch bei Suntat in Mannheim
Es ist das zweite Mal innerhalb weniger Monate, dass ein hoher Politiker mit einem Besuch in Mannheim die türkische Gemeinschaft würdigt. Im April nutzte Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha ein gemeinsames Fastenbrechen, um den an Rhein und Neckar lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln seinen Respekt für ihr pragmatisches Engagement im Erdbebengebiet ihres Heimatlandes auszusprechen.
„Mannheim ist eine Blaupause für eine vielfältige Gesellschaft“, betonte Lucha. Seine Anerkennung galt auch dem Baklan-Familienunternehmen, das geholfen hat, Hilfen für das zerstörte Krisengebiet professionell zu koordinieren.
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