Mannheim. „Wir bilden Brücken der Sympathien zwischen den Kulturen Mannheims“, erklärt Arbeitsökonom Franz Egle, der über gute Kenntnisse migrantischer Strukturen der Region verfügt. Die Potenziale migrantischer Unternehmen der Region veranlassten Egle, Gründungspräsident der Hochschule der Wirtschaft für Management Mannheim, und Mustafa Baklan, Gründer des deutsch-türkischen Lebensmittelkonzerns Suntat, zur Initiierung ihres ersten gemeinsamen Projektes: „2012 fingen wir an, junge Migranten aus Mannheim auf ihrem Karriereweg zu begleiten und zu unterstützten“, so Egle.
Junge Mannheimer mit Migrationshintergrund erfolgreich vermittelt
Die Synergien, die sich aus Egles breitem Netzwerk aus engagierten Studierenden und Baklans Kontakten in die migrantische Gründerszene ergaben, wurden zum Garanten für die erfolgreiche Vermittlung junger Mannheimer mit Migrationshintergrund in regionale - auch migrantische - Unternehmen.
Unsere Annahme, dass zum Beispiel türkische Jugendliche sehr gut im Vertrieb sind, hat sich durch die Beobachtungen während der Projektlaufzeit bestätigt.
„Unsere Annahme, dass zum Beispiel türkische Jugendliche sehr gut im Vertrieb sind, hat sich durch die Beobachtungen während der Projektlaufzeit bestätigt. Diese Zielgruppe konnte hohe kommunikative Kompetenzen aufweisen und war besonders für den Studiengang Vertriebsmanagement geeignet. Allein im Anfangsjahr haben wir in diesem Studiengang 50 Studenten mit passenden Unternehmen gematcht“ so Egle.
Der Erfolg der ersten Kooperation bestärkte beide darin, ihre Kooperation fortzusetzen: 2012 gründen sie das gemeinnützige Deutsch-Türkische Institut für Arbeit und Bildung (DTI) und verschreiben sich dem Ziel, migrantischen Jugendlichen und Kindern durch wirtschaftliche Teilhabe und Aufstieg eine bestmögliche Integration zu ermöglichen und dabei auch ihr Demokratieverständnis zu stärken.
Seit 2015 unterstützt die inzwischen 39-jährige Gizem Weber das DTI als festangestellte Projektkoordinatorin. Weber hatte am türkischen Eliteinstitut Galatasaray Kommunikationswissenschaft studiert und weiß aus eigener Erfahrung ihrer Migration nach Deutschland, wie wichtig beruflicher Erfolg für eine gelungene Integration ist.
Deutsch-Türkisches-Institut für Arbeit und Bildung verwirklicht dutzende Projekte
Zu Webers Lieblingsprojekten gehört die Anbringung von Stolpersteinen in der Mannheimer Innenstadt. In Kooperation mit der Stadt Mannheim verlegen Weber und migrantische Jugendliche Stolpersteine und setzen ein Zeichen gegen Antisemitismus. „Demokratieverständnis braucht Begegnungen, Bildung und Beteiligung. Ohne interaktive Projekte wie dieses ist es schwerer, Jugendliche für Themen wie den Kampf gegen Antisemitismus und gegen autoritäre Bewegungen zu begeistern“, lautet Webers Credo für mehr Demokratieförderung für migrantische Jugendliche der Region.
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Auch ein Podcast, der in einfacher Sprache die Grundrechte erklärt, zeugt von Webers guten Zugängen zu migrantischen Jugendlichen. „In diesem Projekt erklären Kinder und Jugendliche einzelne Artikel des Grundgesetzes anhand von Beispielen aus ihrem Schulalltag“, so Weber.
Die Erfolge des Instituts sprechen für sich. Innerhalb von elf Jahren ist es Projektteam und Vorstand gelungen, Dutzende Projekte zur Förderung der wirtschaftlichen Teilhabe, Aktionen zum Ausbau interkultureller Begegnungen und gut besuchte Großveranstaltungen zu verwirklichen.
Mit der Einbettung in ein interdisziplinäres Netzwerk mit Kooperationspartnern aus Bildung, Wirtschaft, Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Arbeitsagentur, Kunst und Kultur wurde der Grundstein für weitere Projekte wie „Ausbildung (k)ein Thema!“ (AkT) gelegt. Mit diesem Projekt möchte das DTI regionale Betriebe bei ihrer Akquise von Auszubildenden unterstützten.
Der Mangel an Fachkräften - insbesondere im regionalen Handwerk - hat sich in den letzten Jahren verschärft. Mit diesem Projekt möchten wir die Ressourcen migrantischer Jugendlicher aktivieren und sie auf ihrem Weg in die Ausbildung begleiten
„Der Mangel an Fachkräften - insbesondere im regionalen Handwerk - hat sich in den letzten Jahren verschärft. Mit diesem Projekt möchten wir die Ressourcen migrantischer Jugendlicher aktivieren und sie auf ihrem Weg in die Ausbildung begleiten“, erklärt Egle. Anders als andere Träger hat das DTI durch bisherige Projekte und die Mehrsprachigkeit des Teams gute Zugänge in die migrantischen Gemeinden der Region und kennt durch seine ebenfalls bestehenden Netzwerke zu regionalen Betrieben deren Personalbedarfe.
„Auch bei migrantischen Jugendlichen sind es oft die Eltern, die sich für die Kinder statt Ausbildungen im Handwerk akademische Berufe wie Chefarzt ausmalen und nicht selten Druck auf den Nachwuchs ausüben“, erläutert Egle.
Arbeitgeber „bewerben“ sich beim Institut
Im Rahmen des Projektes AkT werden migrantische Schüler der 9. und 10. Klassen an Mannheimer Partnerschulen als Praktikanten oder Auszubildende in handwerkliche Betriebe der Region vermittelt. Zusätzlich zu den Praktika bietet das Institut ein erweitertes Bildungsangebot an Nachmittagen an.
In diesen Kursen bekommen die Schüler für den Beruf wichtige soziale Kompetenzen vermittelt und erstellen Profile ihrer Interessen und Hobbys. Diese Profile werden in anonymisierter Form an die Unternehmen weitergeleitet, die sich dann bei passenden Kandidatinnen oder Kandidaten „bewerben“ können.
„Beim Bäcker-Matching fragen wir die Schüler zum Beispiel, ob sie sich vorstellen können, sehr früh aufzustehen. Wer das mit ,Nein’ beantwortet, wird nicht an einen Bäckerbetrieb weitergeleitet“ erklärt Weber. Startschuss des Projektes ist im September, allerdings können Egle und Weber schon vor Projektbeginn mehr als 50 Unternehmen aufweisen, die Interesse an dringend benötigtem Nachwuchs haben.
Projekt für migrantische Jugendliche soll Nachwuchs für Mittelstand akquirieren
Egle glaubt an die Potenziale migrantischer Kinder und Jugendlicher und ist sich sicher, mit diesem Projekt dauerhaft Nachwuchsfachkräfte für mittelständische Unternehmen der Region zu akquirieren. Weber schließt sich diesem Optimismus an, ihre Erfahrungen zeigten ihr, wie hoch das Interesse an beruflichem Erfolg in dieser Gruppe sei und dass es oft nur das Fehlen eines Mentors oder einer Orientierung sei, die Schüler von Ausbildungen in den sogenannten Engpassberufen abhielten.
Für Egle kommt eine weitere Komponente ins Spiel, die ihn von dem Erfolg des Projektes überzeugt: Migrantische Jugendliche seien eher bereit, später eine selbstständige Existenz aufzubauen. Nicht nur positive Beispiele aus der Familie und im Bekanntenkreis schaffen ihm zufolge positive Vorbilder, auch die Bereitschaft, unternehmerisches Risiko einzugehen, sei in dieser Gruppe größer als in Vergleichsgruppen.
Finanziert wird das Projekt für ein halbes Jahr über die Stadt Mannheim. Für die Engagierten des DTI steht fest, dass sie das Projekt über die geförderte Laufzeit hinaus aufrechterhalten werden, sie hoffen auf eine Anschlussfinanzierung. „Wir möchten die Jugendlichen auch über die Projektlaufzeit hinausbegleiten und sicher sein, dass sie ihre Karrierewünsche umsetzen. Wer weiß, vielleicht stehen diese Jugendlichen uns in Zukunft dann als Arbeitgeber für die nächste Generation von Mannheimer Jugendlichen bereit“, schmunzelt Egle.
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