Integration

Bewerbungen für Mannheimer Migrationsbeirat noch möglich

Nach fünf Jahren endet die Amtszeit der Mitglieder des Migrationsbeirats der Stadt Mannheim. Interessierte können sich noch bis zum 30. Juni bewerben. Zwei Mitglieder erzählen, welche Kompetenzen das Gremium hat

Von 
Sebastian Koch
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Afia Mansoor Ahmed und Erich Schimmel gehören dem Migrationsbeirat an. Noch bis 30. Juni können sich Interessierte für die neue Periode bewerben. © Thomas Tröster

Mannheim. Erich Schimmel kann sich noch genau an seine erste Sitzung als Mitglied des Migrationsbeirats erinnern. Fast fünf Jahre sind seitdem vergangen. „Ich bin hier, weil ich möchte, dass wir endlich anfangen, von ,wir’ zu sprechen“, soll er damals gesagt haben.

In Mannheim, der Stadt, in der fast jede und jeder Zweite einen Migrationshintergrund hat, dürfe man keinen Unterschied zwischen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und Menschen ohne diese Biografie machen. „Wir alle sind Mannheimerinnen und Mannheimer. Wir können nicht von ,uns’ und von ,den anderen’ sprechen. Alles andere, als von ,wir’ zu sprechen, wäre separatistisch“, sagt Schimmel heute und betont, dass er das genau so meine.

Wegen Rassismuserfahrungen für Migrationsbeirat beworben

Schimmel ist immer noch Migrationsbeirat und gemeinsam mit Afia Mansoor Ahmed zum Gespräch ins Café Mood gekommen. Der Mann, dessen familiäre Wurzeln in Südamerika liegen, ist einer von drei stellvertretenden Vorsitzenden des Beirats, Ahmed ist überhaupt das jüngste Mitglied im derzeitigen Gremium.

Mannheim ist meine Heimat. Ich habe geholfen, diese Stadt zu entwickeln und zu verbessern.
Afia Mansoor Ahmed Mitglied im Migrationsbeirat

Die 28-Jährige berichtet von „unschönen Erfahrungen“, die sie vor Jahren durch Rassismus erlebt habe und die sie dazu bewogen haben, sich als Beirätin zu bewerben. Mehr Details möchte sie nicht erzählen. Nur so viel: „Als ich das erlebt habe, war mir wichtig, mit meinem Engagement zu zeigen, dass eine Hijabi (Kopftuchträgerin, Anm.) ein Teil dieser Gesellschaft ist und gleichzeitig der Jugend eine Stimme im Migrationsbeirat gibt“, sagt Ahmed, die in Mannheim geboren ist und Wurzeln in Kaschmir hat.

Migrationsbeirat will in Mannheim das kommunale Wahlrecht für alle

Noch bis zum 30. Juni läuft die Bewerbungsphase für den neuen Migrationsbeirat. Die 20 Beiräte bilden die politische Interessensvertretung der Mannheimer und Mannheimerinnen mit Migrationsbiografie und sind Schnittstelle zwischen Politik, Verwaltung und Gesellschaft.

Ahmed hat sich 2019 übrigens auf den letzten Drücker beworben. Für die nächsten fünf Jahre wird sie nicht mehr kandidieren. Sie müsse sich auf ihre neue Stelle konzentrieren, zumal sie noch europapolitisch und in weiteren Ämtern engagiert ist.

Bereut hat Ahmed ihre Entscheidung, sich für den Beirat zu bewerben, nicht. Im Gegenteil. Mit ansteckender Begeisterung spricht sie über ihre Erfahrungen. „Mannheim ist meine Heimat. Ich habe geholfen, diese Stadt zu entwickeln und zu verbessern.“

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Die Jahre waren lehrreich. Jede und jeder wisse, wie die Fassade des Mannheimer Schlosses aussieht. „Wenn man aber mal im Schloss ist, lernt man, wie Abläufe funktionieren und warum Dinge manchmal sind, wie sie sind“, beschreibt die Politikwissenschaftlerin metaphorisch, was sie über Verwaltung und Kommunalpolitik gelernt hat.

Überhaupt liegen ereignisreiche Jahre hinter Ahmed, Schimmel und dem Beirat. Der hat sich etwa für das Stimmrecht für alle auf kommunaler Ebene eingesetzt. „In Mannheim gibt es viele, die seit Jahren hier leben, aber nicht mal mitentscheiden dürfen, wer ihr Stadtoberhaupt ist und wer im Gemeinderat Entscheidungen fällt, die sie mit betreffen“, kritisiert Ahmed.

Auch das führe dazu, dass sich Menschen nicht als vollwertiger Teil einer Gesellschaft fühlen könnten. Als erste Stadt in Baden-Württemberg hat Mannheim deshalb - auch auf Bemühen des Migrationsbeirats hin - die Erklärung „Unsere Stadt, unsere Stimmen“ unterzeichnet. „Mittlerweile folgen uns viele Städte“, freut sich Schimmel, der sich wieder bewerben will.

Migrationsbeirat hat sich für Denkmal für Gastarbeiter bei der Buga eingesetzt

Das Wahlrecht für alle gibt es zwar noch nicht - bei der Oberbürgermeisterwahl und der Kommunalwahl waren nur jene wahlberechtigt, die einen deutschen Pass oder den eines EU-Staats besitzen. Für die Oberbürgermeisterwahl aber hatte der Migrationsbeirat eine symbolische Wahl für Menschen organisiert, die offiziell nicht abstimmen durften.

Das Gremium hat sich zudem unter anderem für das Denkmal für Gastarbeiter auf dem Gelände der Bundesgartenschau eingesetzt oder hat das Café Czernowitz mitinitiiert, wo Ukrainisch und Russisch sprechende Geflüchtete Hilfe bei Fragen des täglichen Lebens finden.

Der Migrationsbeirat hat sich im Dezember 2019 konstituiert - kurz danach brach die Pandemie aus. Trotz der daraus folgenden erschwerten Einarbeitung sei die Pandemie für das Gremium auch eine Chance gewesen, sagt Schimmel.

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Häufig hätten die Mitglieder Fragen öffentlich aufgeworfen, die Kinder aus allen sozial schwächer gestellten Familien betroffen haben - fehlende technische Ausstattung, mangelnde Unterstützung beim Lernen oder schlichtweg Probleme bei der Betreuung etwa. „Bei diesen Problemen war es egal, welche Herkunft die Familien und Kinder hatten“, sagt der 51-jährige Familienvater.

Immer wieder kommt Schimmel, der in der Entwicklungszusammenarbeit gearbeitet hat und heute als Coach tätig ist, auf das Gemeinsame zurück. Es gefällt ihm nicht, wenn von Problemen gesprochen wird, die nur Menschen mit Migrationshintergrund oder die ohne Zuwanderungsgeschichte beträfen.

„Wenn die eine Gruppe Probleme hat, hängen die oft auch mit der anderen zusammen.“ Der Beirat müsse das Verbindende suchen, den Weg, der Probleme gesamtgesellschaftlich löst. „Wir wollen Brücken bauen, um Unterschiede zu beseitigen.“

Mannheimer Migrationsbeirat mit vergleichsweise starker Stellung

1999 hat der Gemeinderat die Bildung eines Beirats beschlossen, der 2000 erstmals zusammenkam. Damals konnten ausländische Einwohner und Einwohnerinnen das Gremium für vier Jahre wählen. Seit 2009 werden die Mitglieder über ein Berufungsverfahren von einer Kommission aus Vertretern des Gemeinderats, des Migrationsforums sowie Mitgliedern des amtierenden Migrationsbeirats, die sich nicht mehr bewerben, für fünf Jahre ausgewählt.

Der Migrationsbeirat hat eine vergleichsweise starke Stellung. Beirätinnen und Beiräte können in Ausschuss- und Gemeinderatssitzungen nicht nur zuhören, sondern haben auch das Recht, sich zu Aspekten der Integration und Migration zu Wort melden. Seit 2018 dürfen sie sogar Anträge stellen, über die der Gemeinderat entscheidet. In anderen Städten ist das kein Standard. „Die Stadt Mannheim räumt uns viele Privilegien ein und bindet uns stark ein“, sagt Schimmel.

Für den Migrationsbeirat bewerben können sich Menschen, die am 30. Juni volljährig sind, ihren Erstwohnsitz seit drei Monaten in Mannheim und einen Migrationshintergrund haben - man selbst oder mindestens ein Elternteil muss aus dem Ausland zugewandert sein. Zudem sind ein unbefristeter Aufenthaltstitel sowie ausreichende Sprachkenntnisse erforderlich. Wie jedes politische Ehrenamt ist der Beirat mit Zeitaufwand verbunden.

Wer sich bewirbt, sagt Schimmel, dem müsse klar sein, dass der Beirat überparteilich arbeitet. „Man muss seine politischen Ansichten so zurückstellen können, dass man neutral im Sinne des Migrationsbeirats entscheiden kann.“ Auch verhalten sich die Beiräte zu außenpolitischen Fragen, etwa dem Krieg in der Ukraine oder im Gaza-Streifen, in der Öffentlichkeit neutral. „Wir sind für alle Menschen da und machen keinen Unterschied zwischen den einen und den anderen“, sagt Ahmed.

Informationen unter: mannheim.de/migrationsbeirat

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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