Mannheim. Die Vergangenheit des Benjamin Franklin Village liegt in grauen Schubladen im Büro von Marvin Kuhn. Der gelernte Möbelschreiner, 40 Jahre alt und ziemlich groß, arbeitet für die städtische Projektentwicklungsgesellschaft MWSP als Hausmeister auf dem Gelände der früheren US-Wohnsiedlung in Mannheim-Käfertal. Seit dem Abzug der letzten Soldaten und ihrer Familien vor sechs Jahren entsteht dort ein neuer Stadtteil. Viele der alten Gebäude sind inzwischen abgerissen worden. Kuhn hat von jedem eine Plastiktüte mit Steinschutt aufgehoben, geordnet nach Hausnummer. Amerikanischen Soldaten, die bei einem Besuch vergeblich ihr früheres Wohngebäude gesucht hatten, habe er zumindest ein wenig Schutt als Andenken mitgeben können, erzählt Kuhn. „Die waren total gerührt.“
Die Zukunft ist ein paar Meter entfernt von Kuhns Büro im „Zeitstromhaus“ auf Franklin sehen. Dort steht ein Modell des neuen Stadtteils, vier Meter lang, drei Meter breit, mit vielen Häusern und vielen Bäumen. „So soll es 2025 aussehen“, erklärt MWSP-Sprecherin Laura Todaro. Fast 10 000 Menschen sollen hier leben, in Einfamilien-, Doppel-, Reihen- und Mehrfamilienhäusern, als Eigentümer oder zur Miete.
140 Hektar groß ist Franklin – das sind dreieinhalb Luisenparks. Der neue Stadtteil besteht aus fünf Bereichen: Franklin-Mitte, die früheren Kasernen Sullivan, Funari und Columbus sowie die Offizierssiedlung. Für alle gibt es verschiedene planerische Schwerpunkte. Und alle sind unterschiedlich weit gediehen, wie die Rundfahrt mit Kuhn und Todaro an diesem kalten Januartag zeigt. In Franklin-Mitte dominieren die von Kränen umstellten Rohbauten genauso das Bild wie bereits bezogene Mehrfamilienhäuser mit schön gestalteten Gärten. Dazu Reihen- und Doppelhäuser, in denen der Innenausbau läuft. Auf Sullivan dagegen türmt sich der Schutt abgerissener Gebäude, jeweils meterhohe Berge in unterschiedlicher Körnung. Ein Bagger und ein Radlader fressen sich während des Rundgangs gerade in die Wände der früheren Bank – auch sie muss weichen.
Die ersten Abrisse, die seien für ihn damals die markanteste Station gewesen beim Entstehen des neuen Stadtteils, erzählt Kuhn. Er ist selbst Sohn eines US-Soldaten, hat eine besondere Beziehung zu der Wohnsiedlung. Seine Mutter arbeitete als Zivilbeschäftigte auf Franklin, „ich bin als kleiner Junge viel hier rumgestromert“. Aber die Abrisse hätten auch deutlich gemacht, dass jetzt das Neue beginne.
„Aktuell wohnen auf Franklin knapp 700 Menschen, die ersten sind vor rund einem Jahr eingezogen“, sagt Todaro. „Ende 2019 werden es 1000 sein, Ende 2020 dann bereits 5000.“ Auf der Andrew-Jackson-Straße in Franklin-Mitte – die neuen Straßen sind zur Erinnerung nach amerikanischen Präsidenten und Soldaten benannt – kommt der Bus der Linie 67 entgegen, er fährt seit September und ist die erste Anbindung des neuen Stadtteils an öffentliche Verkehrsmittel, eine Straßenbahnlinie soll folgen. Klimaschonende Mobilität war den Franklin-Planern wichtig: So soll auf der Linie 67 ab April ein Elektrobus unterwegs sein, und schon heute können sich Bewohner gegen Geld Elektroautos und Elektroroller leihen. MWSP-Geschäftsführer Achim Judt sieht Franklin mit seinen vielen unterschiedlichen Wohnformen als „große Chance“ für die Entwicklung im Nordosten Mannheims. Und gleichzeitig als Projekt, „bei dem man viel ausprobieren kann“ – eben etwa neue Formen der Mobilität.
Experten sehen Imagewandel
Für Projektentwickler ist der Stadtteil attraktiv, wie zum Beispiel Alexander Sander von der Traumhaus AG in Wiesbaden beim Gespräch am Telefon erklärt. „Wir sehen Mannheim als Standort, der sich vom Image her wandelt und immer breitere Zielgruppen anzieht.“ Hier wolle sein Unternehmen dabei sein, das vor allem jungen Familien den Weg von der Miete ins Eigenheim ebnen möchte – mit Angeboten „im niedrig- bis mittelpreisigen Segment“. In Franklin-Mitte hat die Traumhaus AG knapp 50 Doppel- und Reihenhäuser verkauft. Ein Reihenmittelhaus – 140 Quadratmeter Wohnfläche, ohne Keller – kostete je nach Grundstücksgröße und Lage rund 295 000 Euro. Auch auf Funari will Traumhaus in einem mit dem Architekten Winy Maas gestalteten Bereich 120 Reihenhäuser bauen, in unterschiedlichen Preissegmenten. Rund ein Drittel davon gibt es ab 350 000 Euro. Die übrigen kosten bis zu 650 000 Euro, unter anderem weil sie besondere Fassaden oder Grundrisse haben. „Spätestens in der zweiten Jahreshälfte wollen wir mit dem Verkauf beginnen“, sagt Sander.
Info: Fotostrecke unter morgenweb.de/wohnen
Kosten fürs Wohnen
- Auf Franklin entstehen laut der städtischen Projektentwicklungsgesellschaft MWSP 4400 Wohneinheiten. 60 Prozent davon sind zum Kauf, 40 Prozent zur Miete.
 - Von den Mietwohnungen sollen fast zwei Drittel eine Miete von unter 7,50 Euro pro Quadratmeter haben.
 - Von den Immobilien zum Kaufen ist mit mehr als 70 Prozent der größte Teil Wohnungen im mittleren bis gehobenen Segment mit Preisen ab 2800 Euro pro Quadratmeter. Ein Teil der Häuser kostet maximal 300 000 Euro.
 
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