Gleich am Anfang der Burgstraße, an der Nahtstelle zwischen Oststadt und Schwetzingerstadt, lebte Karl-Heinz Hedemann von 1972 bis 1985. „In einem engen Umkreis gab es alles“, blickt er zurück: „Mehrere Metzger und Bäcker, die Post, eine Reinigung, Edeka, den Wienerwald und zahlreiche andere Gaststätten.“ Eines aber, so Hedemann, „gab es kaum: Parkplätze. Nach der späten Rückkehr gegen Mitternacht von einer Dienstreise wollte ich nicht lange suchen und stören. Ich stellte den Wagen auf der Bauminsel (Halteverbot!) ab, in der Annahme, es wird schon gut gehen bis früh um 6 Uhr. Falsch gedacht: Ich erhielt um vier Uhr nachts ein Knöllchen!“
Für den „MM“-Leser, der inzwischen in Neckarau wohnt, war wegen seiner 13 Jahre in der Burgstraße die Folge 212 der historischen Rätselserie „Erkennen Sie Mannheim?“ die „leichteste“ überhaupt. Aber auch die knapp 30 weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten keinerlei Mühe, den gesuchten Ort zu erkennen: das Straßendreieck Weidenstraße/Burgstraße/Seckenheimer Straße, im Jahr 1984 fotografiert von der Weberstraße aus.
Denjenigen, die hier oder in der Nähe lebten, ist sehr oft die – im Bild nicht zu sehende und längst geschlossene – Post in Erinnerung geblieben. Werner Hübner hat hier nicht nur Briefe und Päckchen aufgegeben und Briefmarken gekauft. Er weiß auch noch, dass hier „früher das Telegrafenamt untergebracht“ gewesen sei, „wo man durch ,Stöpseln’ Telefonverbindungen per Hand hergestellt hat.
Am selben Ort „wurden die Renten ausgezahlt“, teilt Rolf Pfeifer mit. Und „im Vorraum waren Telefonzellen mit Verbindungen nach überall hin“ – schließlich gab es noch keine Handys. Martina Herbig hat in diesem Gebiet nicht nur ihre Kindheit verbracht. Später, während ihrer Ausbildung, „wurde ich mit der Frankiermaschine zur Post geschickt, um sie dort ,aufladen’ zu lassen, was durch das Gewicht der Maschine anstrengend, aber gleichzeitig auch schön war“. Manfred Kirschbaum fühlt sich gedanklich in das obere Stockwerk der Post versetzt, wo sich „ein Wählersaal des Fernmeldeamtes befand. An den laut ratternden Wählern musste ich Lötarbeiten vornehmen“.
Jetzt aber genug von der Post. An der spitz zulaufenden Ecke Weiden-/Burgstraße ist seit Langem mit Grimminger eine Bäckerei untergebracht. Aber auch schon zuvor gab es hier Backwaren. In dem 1914 gebauten Häuserblock, so berichtet Rolf Pfeifer, hat seine Familie „seit 1960 eine Bäckerei betrieben“.
Der Köchin Vertrauen geschenkt
Apropos Essen: Manfred Kirschbaum ist ganz in der Nähe, in der Burgstraße 24, an Wochenenden mit seinen Arbeitskollegen in „die gut bürgerliche Gaststätte ,Schnitzelbank’ gegangen“. Und war damit nur einer von vielen Kunden. Wie beliebt die „Schnitzelbank“ war, weiß Winfried Blank ganz genau. Denn seine Eltern bewirtschafteten sie von 1951 und 1968 „als reinen Familienbetrieb, wo auch wir Kinder mitarbeiteten“. Mutter und ältere Schwester wirkten in der Küche, „und mein Vater bewältigte als versierter Gastwirt die Dienste im Gastraum, unterstützt vor allem von mir hinter der Theke“. Die Gaststätte „war beliebter Treffpunkt zumeist von Stammgästen. Mittags gab es für etliche, jeden Arbeitstag einkehrende Gäste aus Betrieben der näheren Umgebung ein Mittagessen.“ Mit anderen Worten: Es gab keine Auswahl, alle „vertrauten Tag für Tag auf die (nur selten vorher angekündigte) schmackhafte Hausmannskost meiner Mutter“.
Jeden Mittwoch war Schlachtfest, für die gesamte Familie ein regelrechter ,Großkampftag’. „Auch der Straßenverkauf über den ,Schalter’, ein kleines, aufschiebbares Fenster nach draußen, lief dank unserer bekannt guten Hausmacher Wurst prächtig, zumal hier obendrein unzählige von zu Hause mitgebrachte Milchkannen mit kostenloser Wurstsuppe befüllt wurden.“
Trotz seiner weit über 70 Lebensjahre erinnert sich Winfried Blank „noch lebhaft an die überaus arbeitsame Zeit damals bis in die späten Nachtstunden und dabei an unzählig eindrucksvolle Begegnungen sowie Festivitäten jeglicher Art“.
Taschengeld aus der Telefonzelle
Heiderose Sprenger lebte mit ihrer Familie ab 1967 etwa 15 Jahre in der nahen Augustaanlage. „Die war so laut, dass wir nachts die Fenster zur Straße geschlossen halten mussten“, erinnert sie sich. Ein „Höhepunkt“ war etwa Mitte der 1970er Jahre, als „nachts ein amerikanischer Panzer parkende Autos in der Augustanlage streifte“. Es folgte das absolute Kontrastprogramm: „Nach dem „Umzug in eine Sackgasse in Feudenheim verschliefen wir morgens.“ Statt lauter Autos „war es sehr still, bis uns ein Vogelchor vorm Schlafzimmerfenster im Dachgeschoss nach dem Aufwachen beglückte“.
Noch einmal zurück zur Telekommunikation: Telefonzellen gab es in der Gegend nicht nur in der Post. Wo auf dem historischen Bild aus dem Jahr 1984 die Glasbehälter stehen, „war in meiner Jugendzeit eine der wenigen Telefonzellen der Schwetzingervorstadt und der Oststadt“, berichtet Kurt Kirschner: „Wir Jungen fanden heraus, dass der Münzbehälter zeitweise defekt war. Nach Gesprächsende fiel das Geld nicht in den Münzspeicher, sondern in die Rückgabe. Eine willkommene Gelegenheit, etwas Taschengeld aufzubessern.“
Die Gewinner
- Mannheimer Morgen und Marchivum arbeiten bei „Erkennen Sie Mannheim?“ Hand in Hand.
- Unter den richtigen Einsendungen werden kleine Geschenke aus dem Bestand des Marchivum verlost.
- Als Gewinner der Folge 212 sind gezogen worden: Brigitte Dennes, Rolf Pfeifer und Heiderose Sprenger.
- Folge 213 unserer Rätsel-Serie „Erkennen Sie Mannheim?“ erscheint am Mittwoch, 7. Februar.
- Die Auflösung zu Folge 213 erscheint am Donnerstag, 15. Februar.
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