Umwelt

Aktivisten: So wird Mannheim bis 2030 nicht klimaneutral

Während die EU Mannheim für seine Klimapolitik auszeichnet, kritisieren Aktivisten mehrerer Gruppen die Stadtverwaltung in einem offenen Brief. Das prangern sie an

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Martin Geiger
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Das frühere Buga-Gelände ist als Frischluftschneise und Teil des Grünzugs Nordost wichtig für das Klima in der Stadt. © Ben van Skyhawk

Mannheim. Für sein Engagement beim Klimaschutz wird Mannheim immer wieder gewürdigt. So hat Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne) vergangene Woche in Valencia offiziell das Qualitätssiegel der EU-Mission „100 klimaneutrale und intelligente Städte“ erhalten. Dennoch kritisieren mehrere Klimaschutzgruppen die Stadtverwaltung hart und fordern ein deutlich schnelleres Handeln. Derzeit sei ein realistischer Pfad zur Klimaneutralität 2030 nicht zu erkennen - das schrieben die Ortsgruppen von Extinction Rebellion, Fridays for Future und Parents & People for Future sowie Mannheim kohlefrei und Mannheim Zero Ende vergangenen Jahres in einem offenen Brief an die Stadt. Die Klimaschutzinitiativen über . . .

… den Mannheimer Klimaschutzaktionsplan

Er „bietet keine Sicherheit, dass damit tatsächlich Klimaneutralität erreicht wird, weil der Inhalt an vielen Stellen noch sehr unkonkret ist, weil nicht gesichert ist, dass die Maßnahmen auch alle umgesetzt werden, und weil es keine belastbare Abschätzung gibt, in welchem Umfang die CO2-Emissionen dadurch reduziert würden“, so die Aktivisten.

Kommentar Klimaneutralität bis 2030: Mannheims Ziel wackelt bedenklich

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Martin Geiger
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„In Planung und Stand der Umsetzung des KSAP haben zumindest wir bisher nur punktuell Einblick erhalten“, kritisierten sie und forderten: „Wenn das 2030er-Ziel noch realistisch sein soll und dafür auch die nötige Unterstützung der Öffentlichkeit hergestellt werden soll, müssen die Maßnahmen dringend konkretisiert und priorisiert werden.“

… die Wärmeversorgung in Mannheim

Die Gruppen fordern einen konkreteren Plan zur Dekarbonisierung der Fernwärme. Bislang wird diese überwiegend aus Steinkohle im Grosskraftwerk Mannheim (GKM) erzeugt. „Auf jeden Fall vor 2030“ müsse die Stadt von dieser fossilen Erzeugung unabhängig werden. Beim Ausbau des Fernwärmenetzes, das von der MVV betrieben wird, „dürfen die betriebswirtschaftlichen Ziele der MVV nicht wichtiger sein als die Klimaziele“, heißt es im Brief.

Mannheims Klimaschutzmaßnahmen

  • Im November 2022 hat die Stadt ihren Klimaschutzaktionsplan (KSAP) 2030 beschlossen. Er zeigt 81 Maßnahmen auf, um den Treibhausgas-Ausstoß der Stadt deutlich zu reduzieren.
  • Das Ziel: Bis 2030 soll der Ausstoß im Vergleich zu 1990 um 80 Prozent verringert werden. Weil der Rest kompensiert werden darf, wäre die Stadt dann klimaneutral.
  • Einen Überblick über den Umsetzungsstand des KSAP bietet: https://t.ly/iQNtw
  • Die Kommune kann jedoch nur etwa ein Drittel ihres Treibhausgas-Ausstoßes selbst beeinflussen. Darum betont Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) ebenso wie sein Vorgänger: „Klar ist aber auch: Ein derart ambitioniertes Ziel können wir als Kommune nur erreichen, wenn Land, Bund und EU uns dabei ausreichend unterstützen.“
  • Um Unterstützung auf dem Weg zur Klimaneutralität zu erhalten, hat sich die Stadt bei der EU-Mission „100 klimaneutrale und intelligente Städte“ beworben und im April 2022 den Zuschlag erhalten. Seither ist Mannheim EU-Modellstadt in Sachen Klimaschutz.
  • Im Dezember hat die Stadt beschlossen, bis 2030 jährlich zwischen 5,5 und zehn Millionen Euro für Klimaschutz auszugeben. 5,5 Millionen stehen direkt zur Verfügung. 4,5 Millionen können für Projekte abgerufen werden, die bereits mit anderen Fördermitteln unterstützt werden.

Im „MM“-Klimamonitor können Sie das aktuelle Wetter mit dem historischen vergleichen.

Weiterhin steht dort: „Für die energetische Gebäudesanierung und den gegebenenfalls nötigen Heizungstausch müssen sehr schnell Beratungsangebote und ergänzende kommunale Förderprogramme (die nicht immer nach kurzer Zeit wieder vergriffen sind!) aufgesetzt werden.“ So sollten unter anderem die Voraussetzungen „für eine warmmietenneutrale Sanierung geschaffen werden“.

… den Verkehrssektor

Hier wollen die Klimaschützer, „dass die Verkehrsplanung sehr schnell auf eine weitgehende Verlagerung des innerörtlichen Autoverkehrs auf Fuß- und Radverkehr und den ÖPNV und eine leichtere Erreichbarkeit der Stadt aus dem Umland ohne Auto ausgerichtet wird“. Voraussetzung sei zunächst jedoch, dass Busse und Bahnen wieder regelmäßig und verlässlich fahren.

Aktuelle Daten

Klimamonitor für Mannheim - das tägliche Wetter im historischen Vergleich

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Daniel Kraft
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„Daneben müssen Planungsprozesse für Infrastrukturmaßnahmen wie zusätzliche Straßenbahnlinien und ein Vorrangnetz für den Radverkehr sehr kurzfristig eingeleitet werden. Es müssen auch konkretere Pläne für eine Umverteilung der Verkehrsfläche zugunsten des nicht-motorisierten Verkehrs und für Verkehrsberuhigungsmaßnahmen in der Innenstadt und in Stadtteilzentren und Wohngebieten erstellt werden“, so die Unterzeichner des Schreibens.

… die Mannheimer Industrie

Von dieser verlangen die Initiativen offenzulegen, „in welchen Betrieben in welchem Umfang fossile Brennstoffe zur Erzeugung von Prozesswärme oder zur Eigenerzeugung von Heizwärme und Strom genutzt werden“. Besonders für energieintensive Prozesse der Grundstoffindustrie müssten schnell Konzepte für die klimaneutrale Transformation - also den Umstieg auf erneuerbare Energien - entwickelt werden.

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Die Antwort von OB Specht und Umweltdezernentin Pretzell

Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) und Umweltdezernentin Pretzell haben nach Angaben eines Sprechers inzwischen auf den Brief geantwortet und sich für das „kritisch-konstruktives Engagement“ bedankt. Zuletzt seien „viele wichtige und grundlegende Weichenstellungen zugunsten des Klimaschutzes erfolgt“, schreiben der OB und seine Stellvertreterin.

„Zentrale Anliegen aus Ihrem Brief setzen wir um.“ So sei im Dezember im Internet die Informationsplattform „Climate-View“ freigeschaltet worden, die über den Stand der Umsetzung des Klimaschutzaktionsplans informiere. „Die Transparenz und Detailliertheit des Mannheimer Monitorings“ so die Verwaltungschefs, seien „deutschlandweit einzigartig“.

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Zwar werde die Fernwärme nicht vor 2030 dekarbonisiert. Doch mit dem Haushalt 2024 seien „weitreichende Beschlüsse inklusive erheblicher Finanzmittelausstattung“ für den Klimaschutz verabschiedet worden. „Einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Umsetzung des KSAP stellt der jüngst beschlossene Klimafonds 2030 dar“, betonen Specht und Pretzell.

Damit stünden bis 2030 jährlich zwischen 5,5 und zehn Millionen Euro für Klimaschutz zur Verfügung. Allerdings liegt alleine der Investitionsbedarf der Stadtverwaltung und der städtischen Tochterunternehmen - ohne die MVV - ihrer Schätzung nach bei mehr als dem 25-Fachen.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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