Mannheim. Ein Qualitätssiegel für seine Klimaschutzbemühungen hat Mannheim vergangene Woche von der EU überreicht bekommen. Das ist eine nette Geste. Viel besser wäre es jedoch gewesen, die EU hätte der Stadt einen Scheck in die Hand gedrückt.
Ein realistischer Weg, wie Mannheim bis 2030 klimaneutral wird, ist zurzeit nicht zu erkennen.
Denn die Kommune braucht keine Bestätigung, um ihr ehrgeiziges Klimaziel zu erreichen – sondern passende Rahmenbedingungen und Geld. Da beides aber fehlt, muss man den Aktivisten, die sich unlängst mit einem offenen Brief zu Wort gemeldet haben, recht geben: Ein realistischer Weg, wie Mannheim bis 2030 klimaneutral wird, ist zurzeit nicht zu erkennen.
Allerdings wäre es besser gewesen, Fridays for Future, Extinction Rebellion und Co. hätten ihr Schreiben anstatt an die Stadt an die EU geschickt. Diese hatte die 100 europäischen Kommunen durch ihre „Mission“ ja dazu aufgerufen, sich dem ehrgeizigen Ziel zu verschreiben. Abgeleitet ist dieser Begriff übrigens von der Mond-Mission der NASA. So viel zum Anspruch, der dabei mitschwingt.
Doch nun, da die Modellstädte wie Mannheim große Vorleistungen erbracht haben, kommt aus Brüssel wenig bis nichts Substanzielles. Auch bei Land und Bund scheint die Bereitschaft, den Vorreiterkommunen besonders stark unter die Arme zu greifen, sehr überschaubar zu sein. Wenn sich das nicht bald ändert – womit angesichts der gewaltigen Finanznöte und der zahlreichen weiteren politischen Krisen kaum zu rechnen ist – muss man früher oder später vermutlich feststellen: Mannheims hohe Erwartungen an das EU-Modellstadt-Projekt erfüllen sich wohl nicht.
Denn dass Unternehmen oder Bürgerinnen und Bürger durch übergroßes Engagement dieses Vakuum füllen, ist ebenfalls nicht anzunehmen: Erstere haben derzeit mit ganz anderen Problemen sowie den bundes- und EU-weiten Klimazielen zu kämpfen. Und Letztere haben nach dem monatelangen Hickhack um das Heizungsgesetz vielfach schlicht die Schnauze voll von Klimaschutzmaßnahmen. Mannheims Ziel der Klimaneutralität bis 2030 wackelt also bedenklich.
Das heißt aber noch lange nicht, dass das kommunale Engagement sinnlos wäre. Denn viel mehr als in anderen Bereichen gilt hier das Motto: Der Weg ist das Ziel. Es kommt nämlich weniger darauf an, dass die Stadt zu einem gewissen Zeitpunkt rechnerisch kein Treibhausgas mehr ausstößt – sondern vielmehr, dass bis dahin so wenig wie möglich in die Atmosphäre gelangt. Jede eingesparte Tonne hilft dem Klima. Das darf man bei aller Ernüchterung nicht vergessen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Klimaneutralität bis 2030: Mannheims Ziel wackelt bedenklich
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