Kommunalwahl

AfD-Wahlkampf auf der Rheinau: Erika Steinbach und der Finger in der Wunde

Mit Erika Steinbach als Gastrednerin macht die Mannheimer AfD im Nachbarschaftshaus des Stadtteils Rheinau Wahlkampf. Wie der Abend ablief und welche Themen die Partei ansprach

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Rüdiger Ernst (v.l.), Erika Steinbach und Jörg Finkler bei der Veranstaltung der AfD im Nachbarschaftshaus Rheinau. © Michael Ruffler

Mannheim. Achtzig ist sie inzwischen, Erika Steinbach. Das Alter merkt man ihr aber nicht an, als sie im Rheinauer Bürgersaal des Nachbarschaftshauses bei einer AfD- Wahlkampfveranstaltung  ans Mikrofon tritt. Obwohl oder vielleicht gerade, weil   sie vom Manuskript abliest, blitzt ihre Erfahrung im Formulieren und   Argumentieren auf. Die Gastrednerin mit der bewegten Polit-Biografie spricht - begleitet von begeistertem Zwischenapplaus - viele Themen an, stellt aber den Vorwurf in den Mittelpunkt:  Die AfD werde ausgegrenzt und attackiert, weil sie als „wichtigste Opposition“ den Finger in Wunden von Versäumnissen und Fehlentscheiden lege. 

Eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn ist am Rheinauer Ring nicht zu überhören beziehungsweise zu übersehen,  dass um die 200 Menschen gegen die AfD protestieren und skandieren.

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Das „Offene Antifaschistische Treffen Mannheim“ hatte seine Demo,   an der sich auch „Omas gegen rechts“ beteiligen, ordnungsgemäß angemeldet.  Polizei schirmt Männer, Frauen, auch Familien, die Plakate hochheben und „Nieder mit den Nazis“  rufen, von jener Fußgängerseite des Rheinauer Rings ab, die zum Bürgersaal führt. Im Hintergrund beobachtet Bürgermeister Thorsten  Riehle die Szene. Der Sozialdemokrat hat nebenan im Nachbarschaftshaus das Fest für „Vielfalt und Demokratie“ besucht.

AfD-Stadtrat Rüdiger Ernst spricht über leere Stühle

Als AfD-Stadtrat Rüdiger Ernst im Saal den Abend eröffnet, sind so manche Tische und Stühle unbesetzt.  Der Spitzenkandidat der „Liste 4“ für die   Kommunalwahlen   mutmaßt, dass   Sympathisanten wie Mitglieder, die eigentlich kommen wollten, die Zufahrt zum Bürgersaal nicht gefunden hätten.  Ernst dankt dem Trägerverein des Nachbarschaftshauses, dass dieser der AfD   die Örtlichkeit wieder zur Verfügung gestellt hat – „trotz massiven Drucks“.  Eine Stunde zuvor hat das Protestbündnis angekündigt,   dafür sorgen zu wollen, dass es AfD und   Nachbarschaftshausverwaltung auf der Rheinau  „schnellstmöglich ungemütlich“ werde.  „Die Antifa hat für uns schon fast so etwas wie Lokalkolrit“, kontert Rüdiger Ernst später im Saal. Aber davon lasse sich seine Partei nicht  beeindrucken.  Dass man  den  „linksextremistischen Sumpf“  austrocknen und sich im Gemeinderat gegen städtische Fördermittel für das „JUZ“  (Jugendzentrum Friedrich Dürr) einsetzen wolle, das ist an dem Abend mehrfach zu hören.

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Im Vorfeld der Kommunalwahl geht es vor allem darum, dass sich jene neun Männer und drei Frauen vorstellen, die   auf den zwölf ersten Listenplätzen kandidieren.  Dass bestimmte Themen   immer wieder auftauchen, liegt nahe. Und manch eine Botschaft prangt in Großbuchstaben auf Plakaten. Beispielsweise: „Straßen sanieren statt umbenennen“. Auf den Tischen liegen Flyer aus, die sechs kommunalpolitische Komplexe als Anliegen „in Kürze“ zusammenfassen.  Ganz oben  „Wirtschaft, Wohnen & Energie“. Das Thema  „Klima“ taucht in der Schwerpunktauswahl nicht auf – dafür in Redebeiträgen.  Spitzenkandidat Ernst findet kommunale Zuschüsse für   Mehrwegwindeln oder Lastenfahrräder im Sinne einer Klimarettung als Geldverschwendung und argumentiert, Mannheim trage mit 0,0000 Prozent zum Weltklima bei.

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Die auf dem Flyer postulierte Forderung „Kein Millionengrab Stadtbibliothek  - Parkhaus N2 erhalten“ greift auch  Stadtrat Rainer Kopp (Platz 2) auf. Der  54-Jährige fürchtet, dass die für das  „rote Prestigeobjekt“   veranschlagten 75 Millionen Euro ins Uferlose steigen könnten und plädiert dafür, das Geld zum Sanieren von Schulen und Straßen zu nutzen.  Überhaupt zieht sich durch die Polit-Statements der Kandidierenden das Credo: „Parkplätze schaffen statt vernichten“.   Und das  „Nein“  zur   Moschee in Käfertal wird bei der Veranstaltung genauso vehement vertreten wie der Ruf nach mehr Sauberkeit.   Wolfgang Raiber (Listenplatz 8) schildert, dass er als langjähriger Anwohner des Markplatzes  miterlebt habe, wie sich „das Gesicht der Stadt dramatisch veränderte“, wie die Innenstadt zum vermüllten „Brennpunkt“ wurde. 

Zerstörung von Wahlplakaten: AfD will weitere aufhängen

Dass es auch persönliche Erfahrungen sind, die   das Wahlprogramm spiegeln, zeigt die Forderung  „Entbürokratisierung der Tätigkeit als Tagesmutter“ unter dem Stichwort  „Familie, Bildung, Soziales“.  Mediensachbearbeiterin Silke Koch (Platz 5)  erzählt, dass sie  15 Jahre begeistert als Tagesmama tätig war  –  „bis mir die bürokratischen Vorschriften zu viel wurden“.

Es ploppen ebenfalls Themen auf, die in dem Programm „Mannheim, aber normal!“ nicht zu finden sind.  Beispielsweise die Zerstörung von Wahlplakaten. Von einem „50-prozentigen Verlust“ spricht der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jörg Finkler  (Platz  4) und lässt wissen:  „Wir werden für jedes abgerissene Plakat  zwei weitere aufhängen.“

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Als Spitzendkandidat Ernst die Gastrednerin ankündigt, betont er, dass die einstige CDU- Bundestagsabgeordnete   auch kommunalpolitische Erfahrung gesammelt hat  -  von 1977 bis 1990 als Stadtverordnete in Frankfurt.  Erika Steinbach   betont, als Mitglied der AfD und nicht als Vorsitzende der parteinahen Desiderius-Erasmus-Stiftung zu sprechen. Mit ihrer   einstigen politischen Heimat geht sie hart ins Gericht.  Unter Beifall erklärt sie:  „Die CDU ist als Opposition ein Totalausfall!“  Von „Demokratieverachtung “ der Regierenden zeuge, so die Gastrednerin,   dass jene Partei, die echte Opposition betreibe, auf „nicht-rechtsstaatliche Weise“  attackiert werde. „Das ist keine Selbstbejammerung, sondern Realität.“ Mit Blick auf die Europa-Wahl erklärt Steinbach: „Wir wollen keinen EU-Superstaat“.  Zwar lehne die AfD europäische Zusammenarbeit keineswegs grundsätzlich ab und befürworte einen gemeinsamen Markt, gleichwohl gelte es, sich  „der Aushöhlung der Nationalstaaten“ entgegenzustemmen und für  „die Vielfalt europäischer Kulturen“ einzutreten“. Weil Europa vor Ort anfange, sollten Themen wie Flüchtlinge und Einwanderung auch in der Kommunalpolitik wachsam begleitet werden.  Die Langzeit-Politikerin, die einst ein Violin-Studium absolvierte, schließt ihren Vortrag verblüffenderweise mit dem Fontane-Zitat: „Wer schaffen will, muss fröhlich sein.“

Vielleicht ist ja der eine oder die andere froh, als nach Ende Veranstaltung sowohl die Demonstranten hinter der Absperrung, die wie Einsatzwagen der Polizei   verschwunden sind.  

Freie Autorin

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