Mannheim. Michael Grötsch hat nach zwei Mal acht Jahren als Bürgermeister für Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Kultur zu seiner Verabschiedung eingeladen. Und so versammeln sich am Samstagabend im Atrium der Kunsthalle 240 Männer und Frauen, die den Christdemokraten begleitet haben. Auch wenn der Jurist Ende Februar sein Amt an Nachfolger Thorsten Riehle (SPD) übergibt, so sagt der 66-Jährige keineswegs Mannheim Adieu - auch nicht der Kommunalpolitik, schließlich kandidiert er für den Gemeinderat.
Christian Specht tritt zwar als Oberbürgermeister ans Mikrofon, gleichwohl verbindet ihn mit seinem Parteikollegen die Ära als Kämmerer. Er erinnert an die „Mission impossible“ - wie das neu zugeschnittene Dezernat II anfangs genannt wurde. Dem Neuen aus Dresden sollte gelingen, die für eine Großstadt einzigartig kühn verknüpften Felder Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Kultur so zu verbinden, dass sich Synergieeffekte entwickeln.
„Produktive Reibung“ mit Ex-OB Peter Kurz
Specht lässt in seinem Rückblick das „nicht einfache Verhältnis“ zwischen dem ebenfalls 16 Jahre wirkenden Alt-OB Peter Kurz (SPD) und dem Dezernenten Grötsch aufblitzen und spricht von einer „produktiven Reibung auch bei Interessenskonflikten.“ Kurz nimmt es sichtlich entspannt zur Kenntnis. Angesichts einer Leistungsbilanz, die der scheidende Bürgermeister und sein Team in zwei Rechenschaftsberichten auf insgesamt 258 Seiten dokumentiert haben, präsentiert das Stadtoberhaupt exemplarisch einige Projekte: die Gründung von Jobcentern, den Aufbau von Flüchtlingsunterkünften, das Fördern der Start-up -Szene, den Ausbau des Medizincampus, den Neubau der Kunsthalle, die Finanzierungszusage seitens des Bundes für das Nationaltheater.
Und dass Grötsch beim Feuerio als „Lieblingsbürgermeister“ gelte, komme nicht von ungefähr, schließlich machte er sich für die Fasnacht als „verankertes Brauchtum“ stark. Und sein Sinn für Humor habe dazu beigetragen, bei der Mess „den Fassbieranstich zu perfektionieren“.
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Als „Gedächtnis der Stadt Mannheim“ stellt die Moderatorin des Abends, Isabel Fienhold, den Laudator vor: Ulrich Nieß, der mehr als zwei Jahrzehnte das Stadtarchiv, heute Marchivum, geleitet hat. Launig leuchtet der Historiker aus, wie Grötsch das „Mannheim Gen“ verinnerlicht hat - und was der eher pragmatische Bürgermeister und der analytisch konzipierende OB über Parteigrenzen hinweg erreicht haben. Trotz Gegensätzlichkeit seien beide solcherart Juristen, „die das für Außenstehende Wirrwarr an Verordnungen, Rechtsnormen und Gesetzestexten als einen flexiblen Instrumentenkasten gesehen haben, um etwas, was sie als richtig erkannten, umzusetzen und neue Finanzierungswege zu finden“.
Kurz und Grötsch hätten stets Einigkeit bewiesen, wenn es die Situation erforderte. Als Stärke des gebürtigen Augsburgers, den es 2008 in die Quadrate zog, hebt der Laudator dessen „unaufgeregten Führungsstil“ samt „wertschätzender Kommunikation“ hervor.
Grötsch fällt die Abschiedsansprache schwer
Menschen aus Wirtschaft, Politik, Kultur, Kirche, Gesellschaft und dem eigenen Dezernat kommen ebenfalls zu Wort - in Videobotschaften. So unterschiedlich die Schnipsel ausfallen, gleich einem roten Faden durchziehen sie Dank für Verlässlichkeit, außerdem Anerkennung für bestens vorbereitete und dadurch wohltuend zeitsparend geleitete Sitzungen. Obendrein ist von „modischen Maßstäben“ die Rede. Schließlich gehört zum Markenzeichen von Grötsch, dass Socken und Einstecktuch korrespondieren.
„Schwierig“ kommentiert der scheidende Bürgermeister, als er selbst ans Mikrofon tritt. Es ist spürbar, dass ihm, dem versierten Redner, diese Abschiedsansprache schwer fällt. In seinen Rückblick, insbesondere auf „Herzensprojekte“, verwebt er den Dank an „alle Kollegen“ und betont die „Einheitlichkeit der Verwaltung“. Sein Team, in dem es all die Jahre so gut wie keinen Wechsel gegeben hat, rühmt er als „hundertprozentig verlässlich“.
„Ich bin gekommen, um zu bleiben“ - mit diesen Worten adelt Grötsch Mannheim als seine Dauer-Wahlheimat, auch für Ehefrau Claudia und die drei erwachsenen Töchter, die in die Kunsthalle gekommen sind. Eines stellt der Kommunalpolitiker klar: Nein, er habe nicht vor, sich im Ruhestand spätberufen als Fasnachts-Stadtprinz küren zu lassen - auch wenn Nieß in seiner Laudatio darauf hingewiesen hat, dass Charles aus dem Haus Windsor noch jenseits der Siebzig als Prinz wirkte.
Grötsch hat sich ein Gemälde zum Abschied gewünscht
Dass der Abend so gar nicht das Schicksal mancher Verabschiedungen teilt - nämlich das Herbeisehnen des Buffets angesichts sich ausbreitender Langeweile - ist neben kurzweiligen Reden auch dem eines Kulturbürgermeisters würdigen Programms zu verdanken. Die Band Braveland, die sich gern mit Country, Folk und Rock in unverwechselbarem Sound-Gewand definiert, kündet nicht nur von der Musikstadt im Quadrat, sondern auch von der (im Grötsch-Dezernat beheimateten) Gründerszene - schließlich ist Gitarrist und Sänger Christian Sommer Geschäftsführer von „Next Mannheim“. Und als Verdis „Triumphmarsch“ aus „Aida“ - dargeboten vom Blechbläserensemble und Opernchor des Nationaltheaters - das Atrium erfüllt, spüren so manche Gänsehaut, wie es später die Moderatorin formuliert.
Beim Ausklang gibt es Gelegenheit, sich über die große und kleine Politik auszutauschen und natürlich einen Blick auf eine Abbildung von „Hubba Bubba Bamboo Bubble“ zu werfen. Denn dieses von Dietmar Brixy 2011 geschaffene Gemälde hat sich Grötsch als Abschiedsgeschenk gewünscht, jedenfalls Beiträge dazu.
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