Pandemie - Nach Ausbruch im Neckarauer Haus am Park noch 23 Personen infiziert / Derzeit drei Cluster in der Stadt / Angehöriger erhebt Vorwürfe

114 Corona-Fälle in Mannheimer Seniorenheimen

Von 
Eva Baumgartner , Steffen Mack und Lea Seethaler
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In diesem Neckarauer Pflegeheim hat es den aktuell größten Corona-Ausbruch mit insgesamt 73 Infizierten gegeben. © Michael Ruffler

Mannheim. Nach dem Corona-Ausbruch im Haus am Park in Neckarau sind Stand Dienstagnachmittag noch 23 Personen infiziert. Elf von ihnen sind Bewohner, davon sieben geimpfte. Zehn der Infizierten sind Mitarbeitende, davon drei ungeimpft. Das teilte Marion Seigel, Pressesprecherin der BeneVit Gruppe, zu der das Heim gehört, auf Anfrage mit. Seit Donnerstag habe man keine neuen Infektionen bei den Bewohnern festgestellt.

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Von den fünf verstorbenen Bewohnern waren vier ungeimpft: „Jeder Bewohner, der mit dem Corona-Virus verstirbt, ist für uns ein Todesfall, der nur schwer auszuhalten ist“, wird Kaspar Pfister, Geschäftsführender Gesellschafter der BeneVit-Gruppe, in einer Mitteilung zitiert. „Die Frage, ob wir das hätten verhindern können, bleibt unbeantwortet und steht doch unausgesprochen im Raum. Den Angehörigen gilt unser tief empfundenes Mitgefühl.“

Niedrigste Impfquote

Insgesamt gibt es in Mannheimer Seniorenheimen aktuell 114 positiv getestete Fälle, 38 davon beim Personal. Die verteilen sich laut Stadtsprecherin Beate Klehr-Merkl auf vier Einrichtungen, unter ihnen drei Cluster. Das größte habe 73 Infizierte aufgewiesen. Dabei dürfte es sich um das Haus am Park handeln, von dem bislang 62 Fälle bekannt waren. Dazu kann Klehr-Merkl jedoch aus datenschutzrechtlichen Gründen nichts sagen. Allgemein gebe es auch einige vollständig Immunisierte unter den positiv Getesteten, schwere Krankheitsverläufe träten aber besonders bei Ungeimpften auf.

Das Haus am Park hat, wie berichtet, die niedrigste Impfquote bei Mitarbeitenden und Bewohnern der gesamten BeneVit Gruppe. Man habe jedoch „sehr viel“ unternommen, um Bewohner und Mitarbeiter von der Sinnhaftigkeit der Impfung zu überzeugen: Von Aktionen bis Prämien, Schulungen, Aufklärungen durch Ärzte und vielem mehr sei das „gesamte Register eingesetzt“ worden. „Wir können aber leider niemanden zwingen. Die Gründe sind vielfältig und können nur spekuliert werden. Faktische Gründe gibt es nicht“, so Seigel. Nahezu alle Infektionen entstünden bei BeneVit direkt oder indirekt durch ungeimpfte Personen, heißt es weiter. Pfister äußerst sich deshalb hinsichtlich der Impfquote in Deutschland besorgt und fordert „eine Impfpflicht für alle in der Pflege Tätigen und eine Impfpflicht für Bewohner, die in Senioreneinrichtungen neu aufgenommen werden.“ Außerdem wolle er ein „Ende der Diskussion um die Drittimpfung, egal ob für Bewohner und Mitarbeiter oder auch für die gesamte Bevölkerung primär zum Schutz Dritter. Das muss jetzt endlich umgesetzt werden!“

Infektionsweg noch nicht geklärt

Wie das Virus ins Heim kam, ist noch nicht geklärt: „Im Fokus stehen derzeit zwei Vermutungen: Ein Angehöriger, welcher den Test vor dem Besuch verweigert hat, da er zweifach geimpft war, keine Symptome hatte, und wir zwei Tage nach dem Besuch erfahren haben, dass er an Corona erkrankt ist“, schildert Pressesprecherin Marion Seigel. „Und eine ungeimpfte Mitarbeiterin, mit negativem POC-Test vor Dienstbeginn, bei der später auch eine Infektion festgestellt wurde. Aber es ist und bleibt eine Vermutung, und selbst wenn - wir können einen Angehörigen mit Vollimpfschutz nicht zu einem Test zwingen.“ Zudem könne ein Test negativ sein - die Infektion aber Stunden später noch im Dienst entstehen und trotz FFP2-Maske eine Übertragung erfolgen. Aktuell kann die Einrichtung von Besuchenden betreten werden - mit Testung vor jedem Besuch in der Einrichtung und FFP2-Maske, so Seigel. Eine Drittimpfung aller Bewohner soll jedenfalls so schnell wie möglich erfolgen: „Nach der akuten Infektion versuchen wir so schnell wie möglich Ärzte zu finden, die eine Drittimpfung durchführen“, erklärt Seigel.

Noch acht im Krankenhaus

Den 23 infizierten Mannheimer Heimbewohnern geht es indes „relativ gut“, sie werden in den nächsten Tagen aus der Quarantäne entlassen, haben alle einen aktuellen negativen PoC-Test, heißt es von BeneVit. Doch acht Bewohner befänden sich noch im Krankenhaus.

Zur aktuellen Praxis bei der Quarantäne übt Pfister Kritik: Er wünscht sich im Interesse seiner Bewohner folgendes Vorgehen: „Bei erkrankten Bewohnern, die genesen sind, also symptomfrei und mit einem negativen PoC-Schnelltest, sollte ein PCR-Test verpflichtend sein. Und sofern dieser negativ ist, müsste die Quarantäne vorzeitig beendet werden dürfen.“ Leider werde dieser Test derzeit von den Gesundheitsämtern aus Kostengründen abgelehnt. „Zimmerquarantäne ist aber eine seelische Qual für unsere Bewohner, und solange die Kostenübernahme nicht geklärt ist, übernehmen wir selbst diese Kosten.“

Angehörige der Menschen, die im Haus am Park in der Rottfeldstraße untergebracht sind, kritisieren unterdessen, dass beim Umgang mit dem dortigen Corona-Ausbruch zu spät reagiert worden sei. Holger M. (Name von der Redaktion geändert) erklärt im Gespräch mit dieser Redaktion, dass er bereits am Freitag, 15. Oktober, von den Infektionen im Haus am Park erfahren habe. Besucher seien an diesem Tag darauf hingewiesen worden. Er kritisiert zudem, dass seine Familie erst am 28. Oktober eine Information vom Gesundheitsamt über den Corona-Ausbruch erhalten habe - obwohl alle Kontaktdaten am 15. Oktober durch das Einchecken mit der LUCA-App aufgenommen worden seien. „Es ist doch erschreckend, dass das Gesundheitsamt einem Corona-Ausbruch in einem Mannheimer Pflegeheim offensichtlich nicht sofort nachgeht und das Pflegeheim sich selbst überlässt“, so Holger M.

Inzidenz wieder gesunken

Das Mannheimer Gesundheitsamt hat am Dienstag (bis 16 Uhr) 52 neue Corona-Fälle registriert.

Damit ist die Inzidenz erstmals seit zwölf Tagen wieder etwas zurückgegangen. Sie liegt jetzt bei 159,2.

Bei vollständig Geimpften beziffert das Landesgesundheitsamt die Inzidenz mit 49,4, bei den übrigen ist sie mit 381,3 fast acht Mal so hoch.

Städtische Impfangebote gibt es an diesem Mittwoch von 12 bis 18 Uhr im Bürgerservice Vogelstang (Freiberger Ring 6) sowie von 16 bis 19.30 Uhr beim Adler-Heimspiel vor der SAP Arena. sma

Zu spät reagiert?

Er wirft dem Gesundheitsamt vor, zu lax mit dem Ausbruch umgegangen zu sein, es habe „zu spät“ reagiert. „Die Wohneinheit wurde nach den positiven internen Antigen-Tests am 16.10. vom Haus selbst isoliert.“ Am 20. Oktober hätten die Angehörigen vom Haus erfahren, dass ein Großteil der Bewohnerschaft und Beschäftigten positiv getestet sei - und alle Bewohner allein in Zimmer-Quarantäne verbleiben müssten. „Wir sind stinksauer, dass hier mit dem Leben der Menschen gespielt wird“, findet der Angehörige. Er betont, dass er mit der Arbeit und der Betreuung im Pflegeheim sonst „sehr zufrieden“ sei.

Die Vorwürfe des Angehörigen M. verweist Klehr-Merkl erneut darauf, aus Datenschutzgründen nichts zu konkreten Fällen sagen zu können. Generell gelte jedoch bei Clustern in Seniorenheimen, dass das Gesundheitsamt wegen der Vulnerabilität der Bewohner schon beim Auftreten der ersten Fälle konsequent die Infektionsquelle suche, die Einhaltung der Hygieneregeln prüfe und gegebenenfalls Begehungen vornehme, betont die Stadtsprecherin.

Redaktion Eva Baumgartner gehört zur Lokalredaktion Mannheim.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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