Mannheim. Zwei Teddybären und einen Roller bekommt ein Mädchen als das 15 000. Kind, die Lieferung und Montage eines Rollladens der 100 000. Besucher: Mit solchen Geschenken feiert der Maimarkt vor 75 Jahren seinen Erfolg. Erstmals nach zehn Jahren Pause wegen des Zweiten Weltkriegs findet da wieder vom 1. bis 15 Mai 1949 die traditionsreiche Verbraucherausstellung statt, und zwar im - seinerzeit noch halb zerstörten - Rosengarten.
Der Maimarkt als "Zeichen zunehmender Normalisierung"
Das soll „ein weiteres Zeichen zunehmender Normalisierung“ sein, schreibt die Stadtverwaltung im April 1949 in ihrem Amtsblatt. Denn normal ist noch nichts in der damaligen amerikanischen Besatzungszone - erst ein paar Wochen später, mit der Unterzeichnung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949, wird die Bundesrepublik Deutschland gegründet. Man sieht noch viel Schutt vom Krieg, zerstörte Gebäude, leere Grundstücke und Menschen leben in Bunkern, da Wohnungen fehlen.
Hinter dem erhalten gebliebenen vorderen Teil vom Rosengarten haben Bomben den riesigen Nibelungensaal vernichtet. Aber dort sind die Brocken nun weggeräumt und auch die Trümmerstelle an der Ostseite beseitigt.
In Tullastraße und Stresemannstraße stehen Zelte
Schon im Advent 1948 hat im Rosengarten - beziehungsweise dem Teil, der übrig geblieben war - erstmals wieder ein Weihnachtsmarkt stattgefunden. Organisiert worden war er von der Freiburger Firma „Haus für Wiederaufbau und Wirtschaftswerbung“, als deren örtlicher Ausstellungsleiter Fritz Glunk fungierte. Dem hat man nun auch den ersten Nachkriegsmaimarkt übertragen, aber nur vorübergehend. Erst 1962 bekommt er mit seinem Kollegen Kurt Langer, Vater der heutigen Maimarkt-Chefin Stefanie Goschmann, endgültig den Zuschlag.
1949 ist indes noch vieles ein Provisorium. Das Rosengarten-Restaurant wird in letzter Minute wieder hergerichtet. Im Rosengarten werden der Musensaal und das Foyer, Wandelhalle genannt, genutzt. Der Vorplatz zählt ebenso zur Ausstellung wie die Tullastraße und die Stresemannstraße, die eigens gesperrt werden, um Platz für ein 100 Meter langes Zelt und seitlich für ein Bierzelt mit Kaffeeterrasse und Weinstube zu schaffen. Die Hallen seien „mit einem Fußboden versehen, worauf bisher selbst die großen Ausstellungen des Rheinlandes verzichten mussten“, hebt die Stadt hervor - vier Jahr nach Kriegsende ist immer noch die Zeit des Mangels.
Geschichte des Maimarkts Mannheim: Die „Rennwiese“ halten noch Amerikaner besetzt
Aber die Rationierung sei „so gut wie überwunden“, sagt der amerikanische Stadtkommandant Oberst Hugh Mair bei der feierlichen Eröffnung mit einem Streichquartett vom Nationaltheater, die im Ufa-Palast in N 7 stattfindet. Bald könne die Bewirtschaftung knapper Produkte ganz aufgehoben werden. Immerhin - es gibt beim Maimarkt „Würstchen ohne“, wie es in einer Ankündigung heißt, also ohne Lebensmittelmarken/Bezugsscheine. Ganz abgeschafft werden die aber erst 1950.
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Noch länger dauert etwas anderes: Oberbürgermeister Fritz Cahn-Garnier bedauert bei der Eröffnung, dass die früher traditionell zum Maimarkt durchgeführten Pferderennen nicht stattfinden können, weil die Rennwiese (seit 1975 Freizeitwiese Luisenpark) nicht zur Verfügung stehe. Das ist eine vorsichtige Umschreibung dafür, dass die amerikanischen Truppen sie besetzt halten, dort erst einen Sport-, dann einen Golfplatz einrichten. Auch der Schlachthof, vor dem Krieg und ab 1950 wieder Schauplatz des Maimarkts, ist 1949 noch großteils in der Hand der Besatzungsmacht.
Maimarkt Mannheim endlich wieder richtiges Volksfest
Aber immerhin ein Pferdemarkt mit 19 Händlern und 283 Pferden kann am Schlachthof auch 1949 schon stattfinden. Und auch sonst sei der Maimarkt wieder ein richtiges Volksfest, freut sich der Oberbürgermeister über „verheißungsvolle Fortschritte für das Mannheimer Ausstellungswesen“ - wenn auch mit mehreren Standorten.
Die Schausteller bauen auf dem „Weißen Sand“ (heute Neckarufer-Bebauung Nord) ihre Buden auf, und das Nationaltheater (damals in K 1) beteiligt sich mit Sondervorstellungen, am 1. Mai sogar zwei Aufführungen hintereinander: „Wiener Blut“ und „Wilhelm Tell“. Sämtliche Vorstellungen seien während der Maimarkttage besser als sonst besucht gewesen, meldet das Haus.
Aber der Maimarkt steht im Mittelpunkt des Interesses, weist er mit 315 Ausstellern doch mehr als doppelt so viele wie der Weihnachtsmarkt 1948 auf. Handel, Handwerk und Industrie dominieren, zu 70 Prozent Mannheimer Firmen. Und man spürt bei den angebotenen Waren die Zeit des Wiederaufbaus. Ein Ziegelhohlblock wird als Neuheit angepriesen. Die Kaffeemühle „Meisterstück“ gibt es für 5,90 der seit 1948 neuen D-Mark, eine Aluminiumschüssel für 98 Pfennig. Und sie ist richtig neu, nicht aus alten Stahlhelmen gemacht wie gleich nach dem Krieg manche Schüssel.
Keramische Waren habe ein „Schwerkriegsverletzter“ im Angebot, wird hervorgehoben. Ess- und Kochgeschirr, neue Bürstenwaren und Messing-Wasserkessel werden angekündigt sowie Werkzeuge „in friedensmäßiger Ausführung“, Dampfkessel und Nähmaschinen. Pelze werden als „frisch von der Rauchwarenmesse Frankfurt“ beworben. Tennisbälle indes sind noch zu knapp, da heißt es bedauernd: „Nur auf Bezugsschein!“
Mannheimer Maimarkt: Gute Absätze bei Boilern und Jauchefässern
Besonders die Möbelindustrie verzeichne gute Umsätze, verlautet bei der Bilanz. Auch bei Staubsaugern, Kühlschränken und Metzgereimaschinen (lange eine Spezialität des Maimarkts) ist von gutem Absatz die Rede. „Selbst Artikel am Rande des großen Konsums, etwa Boiler oder Jauchefässer, zeitigen gute Abschlüsse“, so die Aussage.
Als absolute Besonderheit gilt, dass es im Freigelände sogar Autos zu bestaunen gibt - den Borgward neuesten Typs; eine Bremer Lkw- und Auto-Firma, die 1961 Insolvenz machte. Aber auf dem ersten Nachkriegsmaimarkt ist mit einem neuen Borgward die Großgarage Stoffel und Schüttler da, „die erste und vorläufig einzige Reparaturwerkstatt Mannheims, die bereits friedensmäßig wieder einen Tag- und Nachreparaturdienst eingeführt hat“, wie eigens angekündigt wird.
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