Rheinau

Neue Wendung in Sachen Straßennamen Rheinau-Süd

Bei der Umbenennung der historisch belasteten Straßennamen in Rheinau-Süd sollen die Bürger von Rheinau-Süd eine Vorentscheidung treffen und erst danach alle Mannheimer entscheiden können, kündigt OB Christian Specht an

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Konstantin Groß
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Heikle Mission: Im Siedlerheim „Seeblick“ stellt sich Oberbürgermeister Christian Specht (l.) dem Thema „Umbenennung von Straßen in Rheinau-Süd“. © Konstantin Groß

Das Wort von der „Höhle des Löwen“ wird dem heimeligen Siedlerheim „Seeblick“ natürlich nicht gerecht. Politisch jedoch trifft es die Sache exakt, als an jenem Abend der Oberbürgermeister nach Rheinau-Süd kommt, um auf Einladung von CDU-Ortsverbandschef Christoph Hambusch über Themen zu diskutieren, die vor Ort die Menschen bewegen. Und das ist natürlich vor allem - und daher eine geschlagene Stunde lang - die Straßenumbenennung. Dabei positioniert sich Christian Specht erstmals öffentlich - mit Vorschlägen, die von der bisherigen Beschlusslage abweichen.

Und die ist klar: Anfang 2022 entschiedet der Gemeinderat mit breiter Mehrheit - nur drei der 49 Mitglieder votieren dagegen! -, die nach den Kolonialverbrechern Theodor Leutwein, Adolf Lüderitz und Gustav Nachtigal sowie dem Hitler-Verehrer Sven Hedin benannten Straßen in Rheinau-Süd umzubenennen. Die neuen Namen sollen gefunden werden, indem alle Bürger Mannheims Vorschläge einreichen und - nach fachlicher Überprüfung durch das Marchivum - dann auch alle darüber abstimmen dürfen. Zunächst ist das für Ende 2023 zugesagt. Dazu jedoch kommt es bislang nicht.

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Denn seit August hat Mannheim einen neuen Oberbürgermeister: Christian Specht von der CDU. Der ist zwar ebenso wie sein Vorgänger Peter Kurz von der SPD eindeutig darin, dass die vier jetzigen Namen verschwinden müssen: „Die Bezeichnung einer Straße ist immer eine Auszeichnung“, macht er klar: „Und wir wollen Menschen, die Blut an ihren Händen haben, nicht ehren durch einen Straßennamen.“ Die jetzigen seien daher „eine Schande für die Stadt“: „Wir wollen ja auch keine Himmler-Straße“, sagt er unter Hinweis auf den berüchtigten SS-Chef. „Gerade in der jetzigen Zeit“ komme es darauf an, durch andere Namen „ein Zeichen zu setzen“.

Zudem weist Specht die vor Ort herrschende Kritik zurück, Rheinau-Süd alleine müsse in Mannheim die Last der Aufarbeitung der Geschichte tragen. „Auch andere Straßen werden betroffen sein, im Norden“, erinnert Specht; aktuell wird ja die Umbenennung der Johann-Schütte-Straße auf der Schönau diskutiert. Und Specht macht klar: „Das, was der Arbeitskreis Kolonialgeschichte macht, ist wichtig, auch wenn man nicht mit allem übereinstimmt.“

Doch was das konkrete Prozedere der Neubenennung angeht, da hat Specht eine andere Meinung als sein Vorgänger. „Man hätte es von Anfang an ganz anders machen können“, kommentiert er das bisherige Vorgehen: „Es ist das Verfahren, das ich so vorgefunden habe.“ Aber: „Ich nehme die Korrekturen dort vor, wo ich sie für sinnvoll erachte.“

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Das betrifft konkret das Abstimmungsprozedere. Beschlusslage bisher ist, dass alle Mannheimer über jene 18 Vorschläge abstimmen können, die nach fachlicher Prüfung durch das Marchivum übrig geblieben sind. Das stößt vor Ort in Rheinau-Süd auf Unverständnis. „Berechtigt“, wie Specht findet: „Warum entscheidet jemand auf der Blumenau oder in Sandhofen über einen Straßennamen in Rheinau-Süd?“ Und daher macht er für sich klar: „Die Erstentscheidung soll hier fallen.“

Der Hauptausschuss des Gemeinderates berät daher kommenden Dienstag über einen Antrag der Verwaltung, dass aus besagten 18 Vorschlägen die Bürger von Rheinau-Süd acht auswählen dürfen, unter denen jedoch zwei Frauennamen gesetzt sind. Nur diese „Short List“ mit den acht Namen wird allen Mannheimern zur Abstimmung vorgelegt. CDU, Mannheimer Liste und FDP unterstützen die Idee der „Short List“ in wortgleichen Anträgen.

Zudem fordern diese drei Fraktionen ebenfalls wortgleich, den „Taufbezirk“ der Straßen, bislang für „Naturforscher und Repräsentanten des transkulturellen Austauschs“, um See-Namen zu erweitern. Dies jedoch ist nicht Teil der von Specht unterzeichneten Vorlage; auf deren Seite 7 „empfiehlt die Verwaltung keine Änderung der Taufbezirke und damit auch keine Berücksichtigung der Vorschläge mit Bezug auf den angrenzenden Taufbezirk Seen.“ Persönlich meint Specht, „dass das Thema Taufbezirk nicht so gefestigt ist, wie es Ihnen dargestellt worden ist.“ Im Rat, so heißt es am Abend, fehle aber eine Mehrheit für Seen.

„Können wir nicht einfach warten bis nach der Wahl?“, fragt ein Anwohner unter Anspielung auf die für Juni erwartete Stimmung: „Jetzt läuft das ja schon so lange. Ob wir ein halbes Jahr länger warten, spielt da jetzt auch keine Rolle mehr.“ Dies lehnt Specht jedoch ab: „Ich bin kein Freund von Entscheidungen abhängig von Stimmungslagen.“

Doch sein Vorschlag zu dem veränderten Prozedere reicht den meisten Anwesenden nicht aus: „Wir können aus einer Liste Namen auswählen, die schon vor zweieinhalb Jahren auf dem Flyer vom Kolonialverein drauf standen, mit ein, zwei Abweichungen“, bringt ein Teilnehmer die Kritik auf den Punkt.

Auch von ihrer Forderung nach See-Namen wollen die Anwohner nicht ablassen. Sie argumentieren mit Problemen, die Personennamen auch künftig bringen könnten. „Wir tappen wieder in eine Falle“, formuliert ein Teilnehmer: „Wir sollten unseren Kindern ersparen, in 20 Jahren ähnliche Diskussionen führen zu müssen“, sagt der Mann und nennt ein Beispiel: „Vor 15 Jahren wäre niemand dagegen gewesen, dass wir hier eine Straße umbenennen in Xavier-Naidoo-Allee“, sagt er: „Das würde heute vielleicht ein bisschen anders aussehen.“ Und er schließt daraus: „Beim Bodensee wird es solche Probleme einfach nicht geben.“

Unzufrieden mit der geplanten Neuregelung des Prozederes ist aber übrigens auch der Arbeitskreis Kolonialgeschichte. In einer Presseerklärung äußert er sich „empört über den Versuch, das Verfahren zur Namensfindung zu entdemokratisieren.“ Die „Short List“ führe dazu, dass zehn der 18 von der Mannheimer Bevölkerung eingereichten Vorschläge dieser nicht mehr zur Abstimmung vorgelegt werden. Dies bedeute, „der Stadtgesellschaft als Ganzes die Möglichkeit demokratischer Einflussnahme zu entziehen.“

Die Entscheidung über das Prozedere und die See-Namen treffen die Stadträte am Dienstag in der Sitzung des Hauptausschusses.

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