Ost/Käfertal - Bezirksbeirat übt harte Kritik an den fehlenden Plätzen für die Kinderbetreuung – besonders auf Franklin

Ein „Riesenbedarf“ ist völlig ungedeckt

Von 
Peter W. Ragge
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Noch eine große Baustelle, aber schon von über 4000 Menschen bewohnt: das Neubaugebiet Franklin nördlich von Käfertal. © Michael Ruffler

„Existenzgefährdend für Familien“ nannte Bezirksbeirätin Melanie Seidenglanz (SPD) die Lage, „katastrophal“ schimpfte gar ihre Kollegin Rotraud Schmidt (Linke) und Christian Hötting (CDU) forderte: „Wir brauchen so schnell es geht Lösungen – dringend!“ Doch die wird es nicht geben. Käfertal bleibt wohl noch auf längere Zeit der Stadtbezirk mit der schlechtesten Versorgung von Plätzen in Kindertagesstätten. Das wird sich auch 2022 nicht ändern.

Nur zwei neue Gruppen

Die Stadt kann für das nächste Jahr nur zusagen, dass sie ihre bestehende Kindertagesstätte in der Ladenburger Straße erweitert und „Little Franklin“ 2022 um eine Gruppe vergrößert werden soll – mehr klappt nicht. Neben der Franklin-Grundschule plane man zwar eine provisorische Kindertagesstätte mit Containern. Das solle „möglichst kurzfristig“ erfolgen, sagte Andrew Ballantyne, der städtische Koordinator für den Ausbau von Krippen- und Kitaplätzen, in der virtuellen Sitzung des Bezirksbeirats. Dann musste er aber einräumen, dass auch dies zwölf bis 15 Monate bedeute: „Eine gewisse Vorlaufzeit brauchen wir.“

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Das Problem ist, dass die genaue Zahl der fehlenden Plätze und die Strategie dagegen noch völlig offen sind. Die Standortkonzeption für den Stadtteil sei derzeit „verwaltungsintern in der Bearbeitung“, sagte Ballantyne. Danach ist üblich, dass das Papier in einem aus Vertretern der Gemeinderatsfraktionen und des Bezirksbeirats bestehenden Lenkungsausschuss beraten wird. Doch das Ziel, bis Ende 2021 für alle Stadtbezirke eine solche Konzeption vorzulegen, sei „leider nicht einzuhalten“ gewesen: „Es gab verschiedene Unwägbarkeiten“, nannte er als Begründung. Für Käfertal solle das Konzept nun bis Frühjahr 2022 in die Gremien eingebracht werden.

„Falsch priorisiert“

Die Bezirksbeiräte reagierten darauf mit spürbarer Ungeduld. Melanie Seidenglanz wies darauf hin, dass sich gerade im Neubaugebiet Franklin viele junge Familien angesiedelt hätten, die auf Kinderbetreuung dringend angewiesen seien. „Sonst müssen Elternteile Arbeitszeiten reduzieren, aber sie haben da ein Eigenheim erworben“, wies die SPD-Sprecherin auf das Dilemma vieler Familien hin: „Wir bekommen da sehr viele Beschwerden!“ Christian Hötting (CDU) warf der Verwaltung vor, sie habe offenkundig „falsch priorisiert“, wenn es für ein rapide wachsendes Neubaugebiet wie Franklin keine Ausbaukonzeption der Kindertagesstätten gebe. Ein Stadtteil mit einem derart hohen Defizit an Plätzen müsse „bevorzugt behandelt“ werden. Wenn er höre, dass selbst ein Provisorium zwölf bis 15 Monate Vorlaufzeit brauche, „zweifle ich an der Sinnhaftigkeit vieler Abläufe“. „Wir als Bezirksbeiräte sind doch vor Ort und bekommen die ganze Kritik ab“, ergänzte Michael Mayer (CDU).

Spielplatz-Sorgen

  • Der Bezirksbeirat hat den neu angelegten Spielplatz an der Wasserwerkstraße in der Nähe des Basketballfeldes als „großen Gewinn und gelungen“ gelobt. Aber er gab die Kritik vieler Eltern weiter, dass es dort an heißen Sommertagen nur schwer auszuhalten ist und Schatten fehlt.
  • Die MWSP-Projektentwicklungsgesellschaft antwortete, am Spielplatz Wasserwerkstraße seien fünf neue Bäume gepflanzt und vorhandene Bäume integriert worden. Man prüfe aber, „ob zur Optimierung weitere Bäume gepflanzt werden können“.
  • Am Spielplatz „American Landscape“ seien 29 Bäume gesetzt worden, die man als ausreichend betrachte.
  • Fehlende Bänke würden bis zum Frühjahr aufgestellt.

Rotraud Schmidt (Linke) wies darauf hin, dass der Bezirksbeirat schon lange warne, dass etwa 40 Prozent der Kinder im Stadtteil keinen Betreuungsplatz hätten: „Das ist etwas, was mir total stinkt!“, so Schmidt. „Vollkommen berechtigt und nachvollziehbar“ nannte Ballantyne die Kritik der Bezirksbeiräte. Der Vorwurf, die Verwaltung habe falsch geplant, sei aber „unzutreffend“. Es gebe einfach ein „Umsetzungsproblem“. Teils fehle das nötige Personal, weshalb etwa die Inbetriebnahme einer fertigen Einrichtung eines freien Trägers – Reha Südwest – auf Franklin bisher nicht erfolgt sei. Die Nutzung des L-Gebäudes auf Sullivan habe sich „wegen baurechtlicher Vorgaben als nicht möglich“ erwiesen. Beim ehemaligen Gehörlosenzentrum bei der früheren Elementary-School der Amerikaner liefen Gespräche, dort eine Kinderbetreuung einzurichten. Und im „H“-Hochhaus sei ebenso ein Kindergarten geplant.

Urteile ändern nichts

„Wir haben insgesamt 340 Plätze in der Realisierung“, zählte Ballantyne auf. Dabei suche man auch vorübergehende und kreative Lösungen. „Aber wir müssen europaweit ausschreiben, das dauert seine bestimmte Zeit“, erklärte er. Schnelle Abhilfe werde man „nicht schaffen können“, bedauerte er. Daran änderten auch Gerichtsentscheidungen nichts, wenn Eltern auf eine Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz klagen, sagte Ballantyne. „Was wir nicht haben, können wir nicht zur Verfügung stellen“, antwortete er auf Fragen der Bezirksbeiräte zu entsprechenden „MM“-Berichten. Natürlich bleibe den Eltern der zivilrechtliche Weg, Schadensersatz einzuklagen.

Auch an den Rändern von Käfertal sieht es nicht besser aus. Melanie Seidenglanz verwies auf die Speckwegsiedlung, wo es ebenso einen „Riesenbedarf“ gebe. Laut Ballantyne soll an der Korbangel eine dreigruppige Einrichtung eines freien Trägers entstehen („Das Auswahlverfahren läuft) und an der Ebert-Schule eine bis zu 13- oder gar 14-gruppige Einrichtung. Aber einen Zeitplan nannte er nicht. Am Nordrand von Spinelli ist zwar eine siebengruppige Kindertagesstätte im ersten Bauabschnitt geplant, fertig indes wird sie erst Ende 2023 – die ersten Familien solle aber schon im Frühjahr 2023 hier einziehen.

Redaktion Chefreporter

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