Ludwigshafen/Mannheim. Der nach einem Arztbesuch am Klinikum Ludwigshafen geflüchtete Strafgefangene aus der JVA Mannheim ist weiter auf der Flucht. Auch am Freitag suchte die Polizei mit Hochdruck nach dem 25-Jährigen, der am Donnerstag auf spektakuläre Weise seinen Bewachern entkommen war. Weder er noch sein Komplize, der ihm die Flucht ermöglichte, konnten bislang gefasst werden.
In Ludwigshafen entflohener Häftling: Das sagt das Ministerium
Am Freitagabend veröffentlichte das Justizministerium Baden-Württemberg, das nach der zweiten Flucht eines Häftlings innerhalb weniger Wochen massiv in die Kritik geraten ist, auf Anfrage eine Stellungnahme. Darin wird nochmals detaillierter auf die Umstände eingegangen, die am Donnerstagmorgen in der Bremserstraße vor dem Krankenhaus zur Flucht führten.
„Der Gefangene Yusuf A. wurde zu einer Folgebehandlung in der Kieferklinik Ludwigshafen vorgeführt. Zu dem Termin wurde er von zwei Bediensteten begleitet“, teilt eine Sprecherin mit. Nach der Behandlung sei er zum Transportfahrzeug zurückgebracht worden. „Dabei war er mit Handfesseln an einen Bediensteten gefesselt. In der geöffneten Tür des Fahrzeugs ist die Fesselung an den Bediensteten gelöst worden, damit der Gefangene in das Fahrzeug einsteigen konnte“, heißt es weiter.
Häftling flieht von Klinikum Ludwigshafen auf Motorroller
In diesem Moment habe sich der Häftling losgerissen und sei in Richtung einer Person gerannt, die sich „nicht erkennbar von hinten“ auf einem Motorroller genähert habe. Der eine Bedienstete sei dem Häftling sofort gefolgt, dann aber aus geringer Entfernung von dem Rollerfahrer mit einer Schusswaffe bedroht worden. Ein Schuss in die Luft habe der Drohung Nachdruck verliehen.
Die Frage, wie der Fluchthelfer über den Arzttermin informiert sein konnte, sei noch nicht abschließend aufgeklärt, erklärt die Sprecherin. Als unmittelbare Reaktion sei aber am Freitag ein Erlass versandt und die Justizvollzugsanstalten im Land ergänzend zu den bestehenden Vorgaben angewiesen worden, dass Informationen rund um Arzt- und Gerichtstermine von Häftlingen „über das absolut zwingende Mindestmaß hinaus im Vorfeld nicht bekannt gegeben werden“. Auch bei Ausführungen von Gefangenen, die verfassungsrechtlich vorgeschrieben seien, solle sich die Information auf ein Minimum beschränken.
Die erforderlichen Sicherungsvorkehrungen vor einer Aus- oder Vorführung würden immer im Einzelfall durch die Justizvollzugsanstalt geprüft, teilt das Ministerium weiter mit. Dabei geht es etwa um die Zahl der Bewacher, die Art der Fesselung und mehr. „Es handelt sich hier um eine Ermessensentscheidung der Justizvollzugsanstalt, die unter Abwägung aller Umstände im Einzelfall zu treffen ist“, so die Ministeriumssprecherin.
Entflohener Häftling schon 25 Mal ausgeführt
Im vorliegenden Fall sei die Begleitung durch zwei Bedienstete und die bereits beschriebene Fesselung an den Händen und an einen Beamten angeordnet worden. „Die beiden Bediensteten waren nicht bewaffnet, da es bei dem Gefangenen, der seit Juli 2021 bereits insgesamt 25 Mal zu Arzt-, Klinik- und Gerichtsterminen ausgeführt worden war, bislang keinerlei Vorkommnisse gab.“ Seit Juli 2021 befindet sich der 25-Jährige in Untersuchungshaft, im Oktober 2022 wurde er zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.
Laut dem Stuttgarter Justizministerium laufen nach den beiden geglückten Fluchten von Strafgefangenen - Ende Oktober war der verurteilte Mörder Aleksandr Perepelenko aus der JVA Bruchsal bei einer Ausführung nach Germersheim entkommen - derzeit Prüfungen im Zusammenhang mit den Sicherungsvorkehrungen. Diese könnten darauf abzielen, den Anstalten noch konkretere Vorgaben zu machen oder weitere „organisatorische und technische Maßnahmen“ zu ergreifen, „um das Risiko einer Entweichung weiter zu verringern.“
Grundsätzlich würden Ausführungen, wo möglich, vermieden. „Dafür bauen wir insbesondere die Telemedizin, die jetzt in ganz Baden-Württemberg im Einsatz ist, konsequent aus“, so die Sprecherin.
SPD und FDP fordern lückenlose Aufklärung der Flucht
Eine lückenlose Aufklärung der Vorgänge forderte am Freitag nach den Landtagsfraktionen von SPD und FDP auch die Ludwigshafener SPD. Parteichef David Guthier bezeichnete die Flucht als „absolut inakzeptabel“. Er habe sich mit einigen Fragen direkt an das Ministerium gewendet.
Unterdessen sind verschiedene Behörden in den Fall-Komplex eingebunden. Während die Mannheimer Staatsanwaltschaft für die Fahndung zuständig ist, hat die Frankenthaler Staatsanwaltschaft die Ermittlungen bezüglich des Fluchthelfers übernommen. Gegen ihn läuft ein Verfahren wegen Gefangenenbefreiung.
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