Bruchsal/Germersheim. Nach einem Brief mit Kritik an den Haftbedingungen in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal vor einigen Wochen sind jetzt zwei Videos aufgetaucht, in denen sich der geflüchtete Mörder Aleksandr Perepelenko als unschuldiges Justizopfer darstellt.
Der 43-Jährige, der Ende Oktober bei einem Ausflug an den Germersheimer Sollachsee entkam und seitdem auf der Flucht ist, betont in den Schnipseln, dass er das Gesetz respektiere und achte. In seinem Fall habe der „Rechtsstaat komplett versagt“. Deshalb werde er um die Wiederaufnahme seines Verfahrens kämpfen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Pforzheim bestätigte die Existenz der Videos, die mehreren Medienhäusern zugespielt worden waren, am Mittwoch auf Anfrage.
Behörden wollen mutmaßliche Perepelenko-Videos prüfen
Zum Inhalt äußerte sich der Sprecher nicht. Die Clips würden nun von der Staatsanwaltschaft und dem Landeskriminalamt (LKA) geprüft und als Beweismittel aufgenommen. „Das alles wird bei unseren Bemühungen zur Wiederergreifung des Flüchtigen berücksichtigt“, sagte er.
Wie mehrfach berichtet, gelang dem Deutsch-Kasachen Perepelenko am 30. Oktober bei einer begleiteten Ausführung mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern in einem Naherholungsgebiet die Flucht. Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) hatte zuletzt bei einer Regierungsbefragung erläutert, dass er mit einem Spielzeugflugzeug gespielt hatte und dabei eine Gelegenheit nutzte. Die beiden Justizvollzugsbeamten seien offenbar nicht nah genug an dem Häftling dran gewesen.
Für Schlagzeilen hatte auch gesorgt, dass die JVA-Bediensteten während des Ausgangs mit dem Gefangenen einen Baumarkt besucht hatten. Denn kurz nach seiner Flucht entledigte sich Perepelenko mit Hilfe eines nicht näher definierten Werkzeugs seiner elektronischen Fußfessel. Die Bewacher hätten jedoch laut JVA glaubhaft versichert, dass während des Aufenthalts im Baumarkt kein Werkzeug gekauft oder gestohlen worden sei.
Die Flucht ist laut Gesetz nicht gesondert strafbar
Auch nach inzwischen mehr als fünf Wochen gelang es den Behörden noch nicht, den im Jahr 2012 wegen Mordes an einem 44-jährigen Ukrainer zu einer lebenslangen Haft verurteilten Mann zu ergreifen. Ein gesondertes Strafverfahren droht Perepelenko nach Angaben des Sprechers der Staatsanwaltschaft wegen seiner Flucht nicht, sollte er gefasst werden. „Die Flucht als solche ist nicht gesondert strafbar“, sagt er. Denn das Ausbrechen und das Fliehen sind nach dem deutschen Strafrecht grundsätzlich nicht verboten. Begründet wird das damit, dass das Streben nach Freiheit laut Grundgesetz untrennbar mit der Menschenwürde verknüpft ist.
Bei einer künftigen Einschätzung eines Gerichts, ob die restliche Haftstrafe möglicherweise zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, werde dieses Verhalten aber sicherlich berücksichtigt, so der Sprecher. Perepelenko befand sich laut Thomas Weber, Leiter der JVA Bruchsal, seit April 2011 in Haft. 15 Jahre seiner lebenslangen Freiheitsstrafe wären Ende Oktober 2028 verbüßt - zwischenzeitlich wurde noch eine weitere Haftstrafe vollstreckt. Bereits im Jahr 2003 war Perepelenko wegen Totschlags verurteilt worden.
JVA-Bedienstete nach Flucht von Perepelenko weiterhin im Dienst
Auf Nachfrage bestätigt Anstaltsleiter Weber, dass Disziplinarverfahren gegen die beiden Bediensteten laufen. Sie befinden sich jedoch weiterhin im Dienst. Unmittelbar nach der Flucht seien die Ausführungen für Häftlinge der JVA Bruchsal vorübergehend ausgesetzt worden. Den "rechtlichen Vorgaben entsprechend" sollen sie jedoch in absehbarer Zeit wieder aufgenommen werden, so Weber.
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