Ludwigshafen. Der Rohrlachbunker im Ludwigshafener Hemshof ist ein echter Blickfang und beliebtes Fotomotiv. Das liegt in erster Linie an seiner außergewöhnlichen Fassadengestaltung. Denn im Jahr 1979 wurden die Außenwände des ab 1941 errichteten Bauwerks von Freiwilligen aufwendig bemalt. Die Bilder zeigen städtische Alltagsszenen, Hausfassaden, Menschen auf der Straße, Ladengeschäfte.
Auch das Schaufenster einer Bäckerei oder Konditorei ist zu sehen. Mit einem kleinen Detail, das jetzt eine Rassismus-Debatte auslöst. Denn in der Auslage ist ein „Sarotti-Mohr“ abgebildet, die ehemalige Werbefigur der Schokoladen-Marke Sarotti, ein dunkelhäutiges Männlein mit Turban und Plusterhose. Jetzt fordert die Freie Linke im Ortsbeirat der Nördlichen Innenstadt, dass die Abbildung übermalt werden soll.
Das Thema dürfte Mannheimern nur allzu bekannt vorkommen, denn vor einigen Jahren gab es die gleiche Diskussion schon um einen „Sarotti-Mohren“ im Capitol. Dort befindet sich über der Bar Leuchtreklame mit zwei Figuren und dem Schriftzug „Sarotti“. Als Konsequenz aus dem damaligen Shitstorm wurde die Werbung für einen längeren Zeitraum künstlerisch verhüllt. Unter anderem sollte das ein Symbol dafür sein, dass Alltagsrassismus häufig unter den Teppich gekehrt wird. Entfernen wollte das Capitol die Werbung damals nicht.
Freie Linke begründet Antrag zum "Sarotti-Mohr": Problematische Darstellung eines Sklaven
„Die Freie Linke ist erstaunt, dass es bisher niemandem aufgefallen ist, was für eine fragwürdige Karikatur im Mittelpunkt des Gemäldes steht“, schreibt Stadtrat Bernhard Wadle-Rohe in seinem Antrag zur Sitzung am Donnerstag, 2. Mai. Das Problematische an dem „Sarotti-Mohren“ sei nicht nur die verzerrte Darstellung mit „kohlrabenschwarzer“ Hautfarbe, sondern vor allem die Tatsache, dass ein Sklave gezeigt werde, der „schön brav grinsend andere bedient“, so Wadle-Rohe.
Die Figur selbst und der Begriff „Mohr“ gelten nach Überzeugung des Antragstellers als „Inkarnation des Rassismus der Kolonialzeit des 19. Jahrhunderts und stehen im Kontext grausamer Verbrechen aus der Zeit der gewalttätigen Eroberung von Kolonien in Afrika und Übersee“. Selbst wenn sie einst eine gut gemeinte Verniedlichung gewesen sein sollte, so sei sie heute „abstoßend und politisch extrem unkorrekt“, betont Wadle-Rohe. Gerade im Hemshof als „multikulturellem Musterviertel“, wie Wadle-Rohe sagt, sei eine solche Darstellung nicht mehr akzeptabel. Sein Vorschlag: Die Malerinnung soll den „Sarotti-Mohren“ übermalen.
Rohrlachbunker befindet sich im Eigentum der Stadt Ludwigshafen - so positioniert sie sich
Zuständig für eine Umsetzung wäre die Stadt Ludwigshafen, in deren Eigentum sich der ehemalige Wohnbunker, in dem ausgebombte Ludwigshafener Familien im Krieg ein Quartier fanden, befindet. Die Verwaltung wird in jedem Fall das Votum des Ortsbeirats am Donnerstag abwarten. „Der Bereich Gebäudewirtschaft wird sich mit dem Stadtarchiv und dem Denkmalschutz in Verbindung setzen, um die Angelegenheit zu erörtern und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen prüfen, wenn dies vom Ortsbeirat gewünscht wird“, schreibt Rathaussprecher Christophe Klimmer auf Anfrage dieser Redaktion.
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Joannis Chorosis (CDU), Vorsitzender des Beirats für Migration und Integration in Ludwigshafen, sieht keine Notwendigkeit für eine Änderung des Wandbilds. „Man sollte die Kirche im Dorf lassen“, beschwichtigt er. „Das ist ein Kunstwerk, das vor mehreren Jahrzehnten ohne rassistischen Hintergrund gemalt wurde.“
"Sarotti-Mohr" auf Bunker in Ludwigshafen: Das sagt die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland zu dem Thema
Ganz anders sieht das die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD), die bundesweit die Interessen von dunkelhäutigen Menschen in Gesellschaft und Politik vertritt. „Die ISD unterstützt es, dass solche rassistischen Darstellungen aus dem öffentlichen Raum verschwinden“, sagt Sprecher Tahir Della auf Anfrage. Beispiele wie dieses zeigten, wie stark und selbstverständlich Rassismus einst in der Gesellschaft vorgeherrscht habe.
Della glaubt auch nicht, dass es solcher Überbleibsel vergangener Zeiten bedürfe, um die Verbrechen von damals nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. „Wir setzen uns für einen offenen Dialog darüber ein“, sagt er. Das Ganze müsse aber auch von politischen Entscheidungsträgern mitgetragen werden, um die Zivilgesellschaft bei ihren Bemühungen zu unterstützen. Diese Position vertrat die Initiative auch im Jahr 2018 schon, als das Thema rund um das Mannheimer Capitol aufkam.
Den „Sarotti-Mohren“ gibt es heute im Übrigen auch bei der Marke Sarotti nicht mehr. Seit 2004 heißt die Werbefigur Sarotti-Magier der Sinne, wirft Sterne in die Luft, statt ein Tablett zu tragen und hat eine goldene Hautfarbe.
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[3] https://www.ak-bunkermuseum-lu.de/luftkrieg/bunkerstandorte/nord-und-hemshof/rohrlachbunker
[4] https://isdonline.de/
[5] https://www.sarotti.de/