„Mutig“, findet Marchivum-Chef Ulrich Nieß die Entscheidung von Capitol-Chef Thorsten Riehle, die umstrittene Sarotti-Werbetafel für kurze Zeit künstlerisch zu verhüllen. Der Historiker ist Mitglied des Gremiums, das sich über viele Monate hinweg in intensiven Gesprächen mit dem Sarotti-Mohren im Capitol auseinandergesetzt hat.
Schon kurz nachdem die Rassismus-Debatte im Oktober 2018 aufgekeimt war, hatte Nieß selbst den Vorschlag gemacht, das Ganze mit einem Augenzwinkern aufzugreifen. „Ich schlug Thorsten Riehle damals vor, einen Mohren weiß anzumalen, so dass es einen schwarzen und einen weißen gibt“, berichtete Nieß, der diese Verarbeitung als selbstironischen Denkanstoß verstanden wissen will. Daraus sei schließlich die Idee der temporären Transformation entstanden. Ob die aktuelle Verhüllung ihre gewünschte Wirkung haben wird, müsse man nun abwarten, meint Nieß. „Klar ist: Es wird keine Lösung geben, die es allen recht macht. Wir können uns nur alle in Gelassenheit üben.“
Im Gespräch bleiben
Riehle hatte am Mittwoch zum Beginn der „Aktionstage gegen Rassismus“ die vom künstlerischen Leiter des Capitols, Georg Veit, verpackte Werbeanlage präsentiert. Man wolle damit Gespräche um Alltagsrassismus aufrechterhalten, erklärte er. Den Sarotti-Mohren komplett aus dem Capitol zu verbannen, komme für ihn nicht infrage, betonte er: „Dann würde bald keiner mehr über dieses wichtige Thema sprechen.“ Riehle kündigte an, nach geraumer Zeit die Leuchtreklame wieder zu enthüllen, um sie bei den nächsten „Aktionstagen gegen Rassismus“ erneut von einem anderen Künstler gestalten zu lassen.
Markus Corcelli plädiert dafür, dass es bei dieser einmaligen Kunstaktion bleibt. „Ich hoffe, der Sarotti-Mohr wird bald wieder ausgepackt, und dann ist gut“, sagt er: „Die Diskussion ist Blödsinn. Nur wer etwas Schlechtes sehen will, sieht etwas Schlechtes. Ich finde es gut, dass die Werbefigur stehen bleibt. Die Aufmerksamkeit sollte man jetzt herunterfahren.“
Ungeeignet für Diskussion
Vonseiten der Stadt möchte man die künstlerische Umgestaltung des Sarotti-Mohren nicht kommentieren. Sofern sich Institutionen und Einrichtungen gegen ein tolerantes Zusammenleben wenden, äußere sich die Stadt. Das resultiere unter anderem aus der „Mannheimer Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt“, der sich die Stadt verpflichtet hat. Da das Capitol den Diskurs über den Sarotti-Mohren seit einiger Zeit offensiv, respektvoll und wertschätzend und damit im Sinne der Mannheimer Erklärung führe, bestehe für die Stadt kein Anlass, die aktuelle Diskussion weitergehend zu kommentieren und zu bewerten, heißt es in einem schriftlich verfassten Statement des Pressesprechers.
Juristin Ruhan Karakul ist ebenfalls Mitglied des Gremiums um den Sarotti-Mohren und kritisiert das Vorgehen im Capitol: „Ich finde nicht, dass die präsentierte ,Lösung’ im Sinne einer rassismusfreien Gesellschaft ist, da durch die Enthüllung Rassismus reproduziert ist. Eine Figur, die Kolonialrassismus darstellt, ist keine geeignete Grundlage, um über Rassismus zu diskutieren. Daher hatte ich mich im Beratungsgremium für eine Abhängung ausgesprochen. Die Figur gehört ins Museum und nicht in eine Kultureinrichtung.“
Projektkoordinatorin Patricia Okello ist schwarz, ihre Hautfarbe sei allerdings nicht der Grund, weshalb sie sich in die Diskussion einschalte, betont sie: „Es geht hier um eine Ungerechtigkeit, und das ist nicht in Ordnung.“ Beim Sarotti-Mohren handele es sich nicht um Alltagsrassismus, erklärt Okello, es werde Symbolpolitik betrieben, und dabei werde die Aufarbeitung vollkommen vernachlässigt.
Ihrer Meinung nach müsste die Leuchtreklame über der Bar des Capitols entfernt werden und die konkrete Aufarbeitung beginnen. Und wie könnte die aussehen? „Ich stelle mir zum Beispiel Workshops über die Kolonialgeschichte vor, eine Betrachtung im Kontext der heutigen Zeit mit der Möglichkeit zum Perspektivenwechsel“, sagt Okello. Die Figur künstlerisch umzugestalten, hält sie nicht für den richtigen Weg: „Das ist für mich kein Bekenntnis zu den Verbrechen, die in der Kolonialzeit passiert sind.“
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