Steinruck-Nachfolge

OB-Wahlen in Ludwigshafen: Der übersehene Kandidat der SPD

Martin Wegner ist Genosse und in der Stadt tief verwurzelt. Jetzt will er Oberbürgermeister werden. Doch die SPD schickt einen Mann ins Rennen, den kaum einer kennt.

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Stephan Alfter
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Damals sprach man mehr miteinander: Im Jahr 2016 posierten der jetzige unabhängige OB-Kandidat Martin Wegner (links), die frühere Bundestagsabgeordnete Doris Barnett und David Guthier gemeinsam für ein stimmiges SPD-Bild. © SPD Ludwigshafen

Ludwigshafen. Ungefähr ein Dreivierteljahr, bevor der heutige Ludwigshafener SPD-Stadtverbandsvorsitzende David Guthier 1989 – damals als David Schneider – in der Pfalz geboren wurde, da feierte im noch real existierenden DDR-Fernsehen der Kinderfilm „Kai aus der Kiste“ Premiere. Ob Guthier das Machwerk jemals gesehen hat, ist nicht bekannt. Aber weil man auch im vereinten Deutschland schonmal von dem Phänomen gehört hatte, dürfte relativ klar sein, was Guthier an jenem Tag gedacht hat, als das SPD-Mitglied Martin Wegner seine Kandidatur als Oberbürgermeister für Ludwigshafen bekannt gegeben hat: Kai aus der Kiste? Ja, aber irgendwie auch nicht, wie sich zeigen wird. Denn Wegner hatte Guthier, dem vermeintlich starken SPD-Mann der in Ludwigshafen, schon ein Jahr zuvor ziemlich deutliche Hinweise gegeben.

Seit dem Jahr 1984 ist Martin Wegner Sozialdemokrat und seit 1995 lebt er in Ludwigshafen. Und wie er selbst sagt, will er die Zugehörigkeit zur ältesten Partei Deutschlands für den Fall ruhen lassen, dass er am 21. September das Rennen ums Rathaus gewinnt. Ein neutraler OB wolle er sein. Die Chancen dafür, so erzählt man es sich in Ludwigshafener Genossen-Kreisen, stehen gar nicht so schlecht.

Hielt die SPD-Führung Martin Wegner für ungeeignet?

Ein echter Genosse als Gewinner der OB-Wahl? Für den Führungszirkel der SPD um David Guthier wäre das eine schlechte Nachricht und ein schlechtes Zeugnis zugleich. Und zwar deshalb, weil ihr vor mehreren Wochen aus dem Hut gezauberter Kandidat dann das Votum um die Nachfolge der inzwischen parteilosen Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck verloren hätte. Stolz präsentierte ihn die Führungsriege um Guthier Mitte Januar im ehemaligen Hallenbad in der Pettenkoferstraße. Jens Peter Gotter heißt er. Und fast vermittelte es im Januar den Eindruck, als qualifiziere Gotter schon die Tatsache, dass er ein früherer Schulfreund von Christian Schreider ist. Ein Macher, ein Manager, ein Schaffer, wie auf der Homepage des Unternehmers zu lesen ist.

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Aber eben auch einer, den bis zu diesem Tag fast niemand in der SPD kannte. Und einer, der zwar Ludwigshafener DNA hat, aber offensichtlich lieber in Speyer lebt. Schreider, bis vor kurzer Zeit noch Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion, empfahl den Mann, der erst kurz zuvor in die SPD eingetreten war – und Guthier nahm ihn. So ähnlich lief das ab im Spätjahr 2024. Guthier selbst, dem als Chef wohl das Erstzugriffsrecht auf eine OB-Kandidatur oblag, erzählte bei der Vorstellung Gotters, dass er seit Sommer 2024 mit einer Handvoll Leuten telefoniert habe, die als Kandidaten infrage gekommen seien. Er selbst lehnte aus familiären Gründen ab. Mit Martin Wegner, dem Mann, der seinen Hut nun als Unabhängiger in den Ring wirft, telefonierte er nicht.

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Dieses Gespräch hatte nämlich schon einige Monate zuvor stattgefunden, wie Wegner jetzt preisgibt. Anfang 2024 habe er Guthier mitgeteilt: „Ich ziehe eine Kandidatur in Erwägung.“ Und da anschließend nichts geschah, musste der Rechtsanwalt davon ausgehen, dass man ihn – zumindest im engen SPD-Führungskreis um Guthier, Schreider und den Landtagsabgeordneten Gregory Scholz – für ungeeignet hielt. Wegner ließ sich dann Zeit, während die Gerüchteküche brodelte. Jetzt will er Klaus Blettner (CDU), Joachim Paul (AfD) und Gotter (SPD), von denen bisher niemand von den Mitgliedern legitimiert wurde, ums OB-Amt kämpfen.

Martin Wegner ist der bekanntere Bewerber

Auf den ersten Blick scheint festzustehen: Wegner ist in Ludwigshafen deutlich bekannter als Gotter, wenngleich er bisher ämtertechnisch nicht oft in Erscheinung getreten ist. Meist stand der Rechtsanwalt eher hinter dem Vorhang, wenn die Lichter angingen. Acht Jahre lang war er SPD-Unterbezirksvorsitzender in der Vorderpfalz. Zum Schwergewicht machte ihn das aber nicht. Dass er stellvertretender Landesvorsitzender des SPD-nahen VdK in Rheinland-Pfalz war, wissen viele nicht. In Ludwigshafen ist er nach eigener Aussage Mitglied in rund 15 Vereinen. Und offensichtlich beliebt.

Ihn will die SPD ins Rennen ums Rathaus schicken. Die Mitglieder haben Jens Peter Gotter bisher aber nicht nominiert. Das soll am 9. Mai in Ruchheim geschehen. © SPD Stadtverband

Nach der Bekanntgabe seiner Kandidatur gratulierten ihm in den sozialen Netzwerken einige, die der SPD-Stammklientel eindeutig zuordenbar sind. Auf Facebook gab es aber auch andere Stimmen – wie etwa jene des Ludwigshafener SPD-Beigeordneten und Kämmerers Andreas Schwarz: Er kritisierte Wegner dafür, sich dem parteiinternen Prozess nicht gestellt zu haben. Inzwischen hat Schwarz seinen Kommentar jedoch gelöscht. Auch SPD-Stadtrat Markus Lemberger fordert Wegner dazu auf, sich intern zur Wahl zu stellen, sodass nur ein „SPD“-Kandidat ins Rennen geht. Das scheint aber ausgeschlossen zu sein. Gleichzeitig gratulierten pfälzische SPD-Urgesteine wie Klaus Huter aus Wachenheim Wegner zur Kandidatur.

Als wir Gotter am Montag in einem Speyerer Café fragen, ob er sich einen Verzicht vorstellen könne, verneint der Politik-Novize. „Ein Rückzug kommt für mich nicht infrage“, so Gotter. Er sagt zu der Konstellation aber auch: „Freuen kann sich darüber keiner in der Partei.“ Dass umgekehrt Wegner am 9. Mai bei der Nominierungsversammlung der SPD in Ruchheim erscheint, schließt er selbst aus, wirbt aber dennoch um die Unterstützung der Genossen. Nehmen sich am Ende also zwei SPD-Kandidaten die Stimmen weg? So sieht es aus. Die Gefahr ist daher, dass der OB-Sitz am Ende jemandem zufällt, den die „etablierten“ Parteien gerne vermeiden würden. Zum Beispiel der andere Kai, der zwar nicht aus der Kiste, aber aus Koblenz kommt.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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