Justiz

Messerattacke in Ludwigshafen - die dramatischen Augenblicke vor den Schüssen

Im Oggersheimer Mordprozess schildern am Mittwoch Zeuginnen, wie sie den Angreifer am zweiten Tatort erlebt haben. Er habe einen „befriedigten“ Ausdruck im Gesicht gehabt, sagt eine

Von 
Julian Eistetter
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Frankenthal/Ludwigshafen. Mit ruhigen, entschlossenen Schritten betritt der Mann den Laden. In der rechten Hand hält er einen Gegenstand, den er hinter dem Arm zu verstecken scheint. Es ist nur zu erahnen, dass es sich um ein Messer handelt. In der Schlange an der Kasse tippt er einen Kunden an, kurz darauf stößt er mit der Hand, in der er den Gegenstand hält, wuchtig gegen den Oberkörper des anderen. Das Opfer wendet sich ab, die linke Hand schnellt zur Brust, wo es getroffen wurde. Zu hören ist nichts.

Auch im Sitzungssaal des Frankenthaler Landgerichts ist es still, während die Vorsitzende Richterin Mirtha Hütt den Videozusammenschnitt aus den Überwachungskameras in der Oggersheimer Rossmann-Filiale abspielt. Er zeigt die letzten Sequenzen eines Gewaltexzesses am 18. Oktober 2022 in Ludwigshafen, bei dem zwei Menschen starben und ein weiterer lebensgefährlich verletzt wurde.

Zeugen berichten: Was in der Rossmann-Filiale passiert ist

Am Mittwochvormittag ist der Prozess gegen einen 26 Jahre alten Somalier fortgesetzt worden, der für die Tat verantwortlich sein soll. Mord und versuchter Mord werden ihm vorgeworfen. Während die Zeugenbefragungen zu dem tödlichen Angriff auf Jonas Sprengart (20) und dessen Kollegen Sascha (35) in der Philipp-Scheidemann-Straße bereits abgeschlossen sind, dreht sich an diesem Verhandlungstag alles um den Komplex in der Rossmann-Filiale, in der der Angreifer letztlich mit drei Schüssen von der Polizei niedergestreckt wurde. Auch diese Sequenz ist von den Überwachungskameras festgehalten worden.

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Der Mann, der in der Schlange vor der Kasse attackiert wird, der 27-jährige Marcel, überlebt den Angriff. Er wohnt dem Prozess als Nebenkläger bei. Am Mittwoch berichten Zeuginnen, wie sie den Angriff wahrgenommen haben.

Eine 20-Jährige, die sich derzeit zur Polizistin ausbilden lässt, steht an diesem Tag als Privatperson hinter dem Opfer in der Schlange. Sie beobachtet, wie der Angreifer den Laden betritt. „Er hat einen ruhigen Eindruck gemacht“, schildert sie vor Gericht. Er habe den Kunden vor ihr angesprochen, nach seiner Nationalität oder Sprache gefragt, so genau weiß sie das nicht mehr. Als dieser dann erwidert habe, er sei Deutscher, habe der Mann ein Messer gezogen „und ihn abgestochen“, so die junge Frau.

Das sagt die Kassiererin der Rossmann-Filiale

Das ganze sei so schnell genangen und unerwartet gekommen, dass sich das Opfer nicht habe wehren können. Sie selbst sei in einer Panikreaktion davongerannt. „Er war hinter mir und ist auch gerannt. Ich hatte den Eindruck, er verfolgt mich“, berichtet die Zeugin. Sie sei in eine Abteilung geflüchtet, und als er an ihr vorbeigerannt sei, aus dem Laden gestürmt. „Ich hatte in dem Moment Todesangst.“ Draußen habe sie gesehen, wie das Opfer wegen des Blutverlusts kollabiert sei und habe andere Leute aufgefordert, einen Krankenwagen zu rufen.

Dass der Täter auch sie angesprochen hat, daran kann sich die Frau nicht mehr erinnern. Die Kassiererin, die ebenfalls als Zeugin geladen ist, will das aber genau gehört haben. „Entschuldigen Sie, dass Sie das ansehen mussten“, habe der Angreifer in gebrochenem, aber gut verständlichen Deutsch gesagt. Auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin, wie der Mann auf sie gewirkt habe, welchen Gesichtsausdruck er gehabt habe, sagt sie: „Er sah leicht glücklich aus, befriedigt. Als wäre er stolz gewesen auf das, was er getan hat.“

Ab wann war die Polizei anwesend?

Am Mittwoch geht es auch um die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Polizei in das Geschehen eingegriffen hat. Eine Zeugin berichtet, dass die Polizei den Laden bereits betreten hatte, als der Angriff geschah. In anderen Schilderungen erfolgte zuerst der Stich, bevor Beamte eingriffen und den Angreifer aufforderten, die Waffe niederzulegen.

Auf den Videos ist zu sehen, wie zunächst zwei Polizisten, dann nach und nach immer mehr mit gezückten Pistolen in den Rossmann kommen. Sie kreisen den Täter ein, der sich im hinteren Bereich des Ladens hinter Regalen versteckt. „Kommen sie nicht näher, sonst schießen wir“, habe ein Beamter laut der Verkäuferin gesagt. Plötzlich stürmt der Angreifer los und wird dann von drei Schüssen getroffen.

Abgegeben hat diese ein 30 Jahre alter Beamter der Polizeiinspektion Ludwigshafen 2. Er war als erstes am Rossmann und hat den Laden betreten. Den Täter habe er an der Kasse stehen sehen, ganz ruhig. Er habe Blickkontakt aufgebaut und ihn angesprochen. „Ich habe ihm gesagt, dass er sich auf den Boden legen soll“, berichtet der Polizist. Da sei der Mann weggerannt. Der Angriff auf Marcel muss nach Aussage des Beamten unmittelbar zuvor erfolgt sein, denn im Augenwinkel habe er den Verletzten noch an sich vorbei auf den Ausgang zugehen sehen.

Mit dem Messer auf Beamten losgestürmt

Als sich der Angreifer hinter den Regalen versteckt hat, habe er ihn „Allahu akbar“ rufen hören – Gott ist groß. „Da wusste ich, dass er nicht einfach rauskommen wird.“ Plötzlich sei der Mann dann mit dem Messer in der Hand auf ihn losgerannt, etwa zwei Meter vor ihm sei er dann durch die Schüsse zu Boden gegangen. Staatsanwältin Esther Bechert betont am Mittwoch, dass der Beamte vorbildlich gehandelt habe – zumal es ihm in kürzester Zeit noch gelungen sei, auf den Hüft- beziehungsweise Beinbereich des Angreifers zu zielen.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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