Ludwigshafen. „Der Traum vom Tante-Emma-Laden ist ausgeträumt“. Bettina Stier, Projektleiterin bei der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft (WEG) Ludwigshafen, wählt deutliche Worte. Gemeinsam mit dem Bereich Stadtentwicklung und der Ludwigshafener Kongress- und Marketinggesellschaft hat die WEG sich die Nahversorgungssituation in den Ludwigshafener Stadtteilen angeschaut und einen Ist-Zustand erhoben - mit einem für viele sicherlich wenig überraschenden, aber dennoch ernüchternden Resultat: „Es gibt einen großen Rücklauf bei inhabergeführten Bäckerein und Metzgereien“, berichtet Stier. Von dem traditionellen Bild eines Ortskerns müsse man sich schleunigst verabschieden, um neue Perspektiven entwickeln zu können.
Die Problemlagen seien sehr vielfältig, in den einzelnen Stadtteilen aber immer ähnlich, erläutert die Projektleiterin. „Die Wochenmärkte haben nur noch wenige Anbieter, die Zahl der Geschäfte und der klassischen Gastronomie ist rückläufig.“ Dagegen gebe es immer mehr Take-Away-Imbisse, Wettbüros und Lokale mit Spielgeräten - eine Entwicklung, die „unerwünscht“ sei. Es gebe immer weniger Treffpunkte, soziale Strukturen würden einbrechen und die soziale Nähe abnehmen. Das hänge auch mit einer Diversifizierung der Lebensentwürfe sowie einer Veränderung der Arbeitswelt zusammen.
Das sind die Gründe für die Entwicklung
Das Ladensterben gehe einher mit seit Jahren abnehmender Selbstständigkeit. seit Jahren abnehmende Selbstständigkeit. „Es gibt fast gar keine neuen Einzelhändler mehr“, sagt Stier. Auch das Handwerk sei betroffen. Hinzu komme die Digitalisierung, die auch vor dem Lebensmittelhandel keinen Halt mache. So werden in Deutschland aktuell jährlich rund 260 Milliarden Euro für Lebensmittel, Getränke und Tabak ausgegeben, der Online-Anteil beträgt vier Milliarden Euro. Bis zum Jahr 2030 soll er laut einer Studie aber bereits zehn bis 15 Prozent ausmachen, so Stier.
Zahlen zur Nahversorgung in Ludwigshafen
- Die Verkaufsfläche für Nahrungs- und Genussmittel sowie Drogeriewaren betrug in Ludwigshafen im Jahr 2022 insgesamt 81.300 Quadratmeter. Seit dem Jahr 2009 bedeutet das ein Minus von zehn Prozent.
- 68.500 Quadratmeter entfallen auf Lebensmittelgeschäfte, 12.800 auf Drogeriemärkte.
- Der Umsatz im Bereich Nahrungsmittel und Drogeriewaren lag 2022 in Ludwigshafen bei 577,9 Millionen Euro. Ein Plus von 26,8 Prozent im Vergleich zur letzten Erfassung 2009. Die Einwohnerzahl stieg seitdem um 11,3 Prozent auf 176 431.
Viele ethnische Lebensmittelläden
Insgesamt ist die Nahversorgungssituation in Ludwigshafen noch in Ordnung, zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung, die die Stadt für die Fortschreibung des Einzelhandelskonzepts in Auftrag gegeben hat. In der Stadt gibt es zwei SB-Warenhäuser, elf Vollsortimenter, 30 Discounter und 38 ethnische Lebensmittelmärkte, die Waren aus der Türkei, aus Italien oder anderen Ländern anbieten. Der Großteil der Geschäfte konzentriert sich jedoch auf den Innenstadtbereich. In Ruchheim etwa gibt es einen einzigen Lebensmitteldiscounter, in Maudach einen kleinen Vollsortimenter.
Flächen für die Ansiedlung neuer Supermärkte fehlen in der Regel, wie Stier berichtet. Für Anlieferung, lohnende Verkaufsflächen und Parkplätze werde eine Menge Raum benötigt, den gebe es höchstens an den Ortsrändern. Eine Belebung der Stadtteilzentren kann so also auch nicht herbeigeführt werden.
Leerstände halten sich in Stadtteilen in Grenzen
Doch wie dann? An zu vielen Leerständen sind die Probleme laut Stier jedenfalls nicht unbedingt festzumachen. „So viel haben wir da in den Stadtteilen gar nicht gefunden“, sagt sie. In Maudach sei etwa ein Supermarkt zu einer Tierarztpraxis geworden, auch anderswo ziehen Dienstleistungen ein oder es wird Wohnraum geschaffen. Dass auch unerwünschte Nutzung stattfindet, sei auf lokaler Ebene „de facto nicht zu verhindern“, so die Projektleiterin.
Ihrer Ansicht nach müsse die Mitte des Stadtteils neu gedacht werden. Denn ein lebendiger Ortskern sei nicht nur eine Reihe von Läden. Die soziale Dimension müsse viel mehr in den Vordergrund gerückt sowie Möglichkeiten für Begegnung und Austausch geschaffen werden. „Eine Paketabholstation in der Ortsmitte, ein Bankautomat, eine Poststelle, eine Bäckerei mit Café, eine Drogerie, eine Apotheke, Ärzte und Physiotherapie - das sollten wir mindestens anstreben“, so Stier. Dass dies viel Energie koste, zeige sich derzeit in Ruchheim, wo seit Monaten versucht werde, eine Poststelle anzusiedeln.
OB Steinruck: „Umdenken erforderlich“
„Unser Ziel ist eine direkte Versorgung in fußläufiger Nähe“, sagt Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD). Die Verwaltung werde, so gut es geht, dahingehend steuernd eingreifen. Sie betont jedoch auch, dass beispielsweise Wochenmärkte auch deshalb aussterben, weil die Menschen ihren Salat lieber günstiger im Aldi kaufen. „Verbraucherinnen und Verbraucher müssen die Angebote dann auch nutzen, wenn sie diese wollen“, betont die Rathauschefin. „Da ist ein Umdenken erforderlich.“
Letztlich sei es die Entscheidung jedes Einzelnen. „Wenn man lieber von zuhause aus etwas bestellt, dann ist das so. Wir können eine Stadt nicht an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger vorbei bauen.“ Ein Endergebnis der aktuellen Untersuchung soll Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres vorliegen.
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