Ludwigshafen. Gerd Ott hat sein Leben lang angepackt. Seit dem Tag, als er den kleinen Fleischer-Fachhandel an der Ecke Bahnhofstraße/Maxstraße in der Ludwigshafener Innenstadt erstmals betrat. Im Alter von 14 Jahren begann er dort eine Lehre. Vor mehr als einem halben Jahrhundert war das, und die Welt noch eine andere.
54 Jahre später sitzt Ott nun an seinem Schreibtisch im Hinterzimmer. Auf der Werbetafel zur Straße prangt inzwischen schon lange sein Name. Vom Gesellen ist er zum Meister geworden und schließlich zum Chef. Sein gesamtes Berufsleben hat der 68-Jährige in der kleinen Metzgerei verbracht, 36 Jahre davon als Inhaber. Zum Ende des Monats ist nun Schluss. Ott hat genug gearbeitet, wie er berichtet. Der Körper macht langsam nicht mehr mit. Er kann nicht mehr. Ein Nachfolger wird sich für den Laden nicht finden. In der Innenstadt endet am 31. August eine Ära.
Rat der Großmutter
„Bu, lern’ Metzger, dann hast du immer was zu essen“ - dieser Satz seiner Großmutter hat Gerd Ott schon früh in seinem Leben geprägt. „Danach wollte ich nichts anderes mehr werden“, berichtet er, und die kindliche Freude von damals scheint für einen kurzen Augenblick in seine Augen zurückzukehren. Heute kann er sagen, dass sich der Rat der Oma bewahrheitet hat. „Es war eine tolle Zeit, ich habe die Arbeit immer geliebt“, berichtet er. Deshalb kann er auch Menschen nicht verstehen, die jetzt zu ihm sagen, im Ruhestand könne er ja endlich noch etwas leben. „Die Metzgerei war mein Beruf und mein Leben“, entgegnet er dann.
In den mehr als fünf Jahrzehnten im Betrieb hat Ott einiges mitgemacht. Früher seien die Mitarbeiter der Metzgerei sonntags noch selbst Schweine kaufen gegangen, die dann montags in Worms eigenhändig geschlachtet wurden. „Das war ein absoluter Knochenjob“, erinnert sich der gebürtige Edigheimer.
Deshalb war er nicht unglücklich, als mit der Zeit die Händler das Schlachten übernahmen und das frische Fleisch morgens zur Metzgerei lieferten. Weniger anstrengend sei der Job dadurch aber auch nicht geworden. „Auch weil der Anspruch an sich selbst immer höher wurde“, berichtet er. Wo früher noch wenige Wurstsorten angeboten worden seien, da habe sich die Anzahl bis heute verfielfacht.
Besonders gerne erinnert sich Ott an die ersten zehn Jahre als Chef der Metzgerei. „Da haben wir die besten Geschäfte gemacht, da hat es regelrecht gebrummt“, berichtet er. Damals hatte er zwölf Angestellte, heute sind es nur noch vier. Die Zeit der kleinen Fleischgeschäfte scheint wie bei den Bäckereien vorbei zu sein. „Wir erleben natürlich eine große Konkurrenz durch die Supermärkte“, sagt Ott.
Generell sei die Entwicklung der Ludwigshafener Innenstadt nicht förderlich für den Betrieb gewesen. „Früher kamen noch Kunden von außerhalb, die dann noch andere Erledigungen in der Stadt gemacht haben. Das gibt es heute kaum noch.“ Mittlerweile lebt Ott von seinen Stammkunden und von Betrieben im Umfeld, die seine Metzgerei mit Frühstücksbrötchen beliefert.
Schwierige Zeiten gab es für den Metzger mehrfach zu meistern. Etwa, als im Jahr 2000 mit der BSE-Krise die Rinderseuche Deutschland erreichte. „Sowas merkt man in dieser Branche natürlich sofort“, berichtet der 68-Jährige. Gleiches gelte für die Geflügelpest. Seitens des Staats hätte sich Ott dabei mehr Unterstützung erhofft. „Aber es is’, wie’s is’“, sagt der Metzgermeister, der als gläubiger Mann und ehemaliger Presbyter davon ausgeht, dass nichts ohne Grund geschieht.
„Lasse mich nicht verbiegen“
Auch das in den vergangenen Jahren zunehmend veränderte Bewusstsein in Sachen Fleischkonsum und der Trend zum Vegetarismus gerade bei jungen Menschen haben sich an der Ladentheke bemerkbar gemacht. „Das ist aber alles völlig okay, solange man mich in Ruhe lässt“, sagt Ott. Auf den Trend aufzuspringen und selbst vegetarische Wurst oder ähnliches anzubieten, sei für ihn aber nie in Frage gekommen. „Ich bin mit Herz und Blut Metzger, dazu stehe ich, da lasse ich mich nicht verbiegen“, sagt er.

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In seiner Familie war Gerd Ott der erste Metzger - und er wird wohl auch der letzte sein. Seine fünf Kinder sind inzwischen alle erwachsen und haben andere Karrieren eingeschlagen. Dass einmal einer der vier Söhne oder die Tochter die Metzgerei übernehmen könnten, sei eigentlich nie wirklich Thema gewesen. „Man braucht eine Begeisterung, um das zu machen“, sagt Ott.
Die Kinder hätten zwar regelmäßig im Laden geholfen, seien aber auch von der Schufterei abgeschreckt gewesen. „Ich fange seit mehr als drei Jahrzehnten morgens um halb fünf Uhr an und stehe bis abends um 18 Uhr oder 18.30 Uhr im Laden“, berichtet Ott. Dabei hilft ihm seit 36 Jahren auch seine Frau Ulrike, die als gelernte Altenpflegerin „ins kalte Wasser“ gesprungen sei.
Eigentlich wollte Ott arbeiten, bis er 70 Jahre alt ist. „Vergangenes Weihnachten habe ich dann gemerkt, dass es nicht mehr geht“, sagt der Ludwigshafener, der mit seiner Frau in einer Wohnung über der Metzgerei in der Bahnhofstraße lebt. Die Kinder kamen als Nachfolger nicht in Frage und auch kein anderer Metzger wird den Betrieb übernehmen, so Ott, der nur Pächter und nicht Eigentümer der Räume ist. „Wir hatten hier Bestandsschutz, jemand neues müsste viel Geld investieren.“
Und so endet die Metzger-Ära in eineinhalb Wochen, sehr zum Bedauern vieler Kunden. „Wir bekommen viele Briefe und kleine Geschenke. Beispielsweise einen sehr guten Whiskey mit einem Zettel, auf dem steht, dass wir immer die Nummer 1 sein werden“, sagt Ott und die Rührung ist im anzusehen.
All die freundschaftlichen Gespräche mit den Kundinnen und Kunden wird Gerd Ott vermissen, wenn er am 31. August den Laden letztmals abschließt. Und damit ein Kapitel seines Lebens, das ihn mehr als ein halbes Jahrhundert begleitet und geprägt hat.
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