Expertin klärt auf

Finanznot in Ludwigshafen: Warum BASF und Biontech nicht vergleichbar sind

Der weltgrößte Chemiekonzern BASF sitzt in Ludwigshafen. Dennoch ist die Stadt hoch verschuldet. Biontech hat Mainz dagegen einen Geldsegen beschert. Eine Finanzexpertin erklärt, wo die Unterschiede liegen

Von 
Julian Eistetter
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Im Stammwerk der BASF in Ludwigshafen arbeiten rund 30 000 Menschen. Die Gewerbesteuer ermöglicht der Stadt dennoch keinen ausgeglichenen Haushalt. © B. Zinke

Ludwigshafen. Ludwigshafen will und muss raus aus der Finanzmisere. Am Mittwoch, 15. März, soll im Stadtrat eine Strategie beschlossen werden, mit der in zehn Jahren ein ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden kann. Für die hoch verschuldete Stadt wird das mit einer enormen Kraftanstrengung und schmerzhaften Einsparungen verbunden sein.

Die Debatte lief schon in diesem Jahr fast aus dem Ruder, die Fronten verhärteten sich. Und immer wieder stellten sich dabei folgende Fragen: Wie kann eine Stadt wie Ludwigshafen als starker Industriestandort derart in eine finanzielle Schieflage geraten? Warum ist Mainz durch den Erfolg des Impfstoff-Herstellers Biontech quasi über Nacht schuldenfrei und Ludwigshafen krebst trotz BASF und anderer Unternehmen herum? Eine Annäherung.

Mainz und Ludwigshafen mit anderen Voraussetzungen

Désirée Christofzik kennt sich mit kommunalen Finanzen und steuerpolitischen Fragen aus. Sie ist Inhaberin des Lehrstuhls für Finanzwissenschaft an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Im Gespräch mit dieser Redaktion erläutert sie, dass eine Gegenüberstellung der Landeshauptstadt und der Chemiestadt am Rhein an einigen Stellen hinkt.

„Ludwigshafen hat eindeutig höhere Lasten zu tragen. Diese ergeben sich beispielsweise daraus, dass der Anteil von Kindern an der Bevölkerung hier viel höher ist. Das bringt Kosten für Bildung und Betreuung“, sagt die Professorin. Daneben sei die Hartz IV-Quote in Ludwigshafen höher als in Mainz.

BASF agiert internationaler - das beeinflusst die Steuern

Neben diesen unterschiedlichen Grundvoraussetzungen seien aber auch die angesprochenen Unternehmen „schlecht vergleichbar“, betont Christofzik. „Die BASF ist ein viel stärker international agierender Konzern“, so die Finanzexpertin. Dies wirke sich erheblich auf die Steuerabgaben aus, die dann letztlich in den Stadtkassen landen.

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„Wenn man in die Berichte schaut, sieht man, dass die BASF den Großteil ihrer Steuern auf Gewinne im Ausland zahlt, nicht im Inland“, sagt Christofzik. Ein Blick in die Zahlen zeigt etwa, dass von den konzernweit 87,3 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2022 lediglich rund 15 Milliarden in Deutschland erzielt worden sind.

Weltweit seien im Jahr 2022 Ertragssteuern in Höhe von knapp 1,9 Milliarden Euro gezahlt worden, teilt ein BASF-Sprecher auf Anfrage mit. „Wir bitten um Verständnis, dass wir die insgesamt in Deutschland gezahlte Gewerbesteuer nicht separat ausweisen.“

Größter Anteil der Gewerbesteuer entfällt auf Ludwigshafen

Wie viel Gewerbesteuer die BASF wo zahlt, ist also nicht bekannt. Die Informationen unterliegen - wie bei anderen Unternehmen auch - dem Steuergeheimnis. Auf Nachfrage teilt der Sprecher mit, dass im Jahr 2022 allein in Deutschland 54 Kommunen dem „gewerbesteuerlichen Organkreis der BASF“ angehörten. Dabei seien alle Produktionsstandorte Tochtergesellschaften der BASF.

„Die Verteilung der Gewerbesteuern im Organkreis der BASF erfolgt nach dem Verhältnis der an den einzelnen Standorten gezahlten Löhne und Gehälter“, erklärt er. „Der Großteil des Gewerbesteueraufkommens entfällt damit auf Ludwigshafen.“ Am Stammwerk mit mehr als 30 000 Mitarbeitern sei der Lohnanteil „naturgemäß am größten“.

Unternehmen kennen legale Mittel und Wege

Laut Désirée Christofzik gibt es jedoch durchaus legale Mittel und Wege für Unternehmen, ihre Steuerabgaben zu gestalten. Dabei spielen insbesondere eigenständige Tochtergesellschaften eine Rolle. Eine von der Grünen-Fraktion im Europaparlament in Auftrag gegebene Analyse hatte bereits im Jahr 2016 ergeben, dass Unternehmen wie die BASF durch Tochtergesellschaften im Ausland, etwa Belgien oder den Niederlanden, größere Steuerzahlungen umschiffen - völlig legal.

Der Straßenname ist Programm: Biontech mit Hauptsitz in Mainz sorgte für einen Geldsegen in der Landeshauptstadt. © dpa

Doch zurück nach Ludwigshafen und zum Vergleich mit Mainz. Betrachtet man die von Betrieben entrichtete Gewerbesteuer, so ist wichtig zu wissen, dass sich deren Summe nach dem Ertrag, also dem Gewinn des Unternehmens bemisst. Die Höhe des Steuersatzes legen die Kommunen selbst fest. In Ludwigshafen liegt der Hebesatz bei 425 Punkten, Mainz hat ihn von 440 auf 310 Punkte gesenkt.

In den Vor-Corona-Jahren erzielte Ludwigshafen stets höhere Gewerbesteuereinnahmen als Mainz. Im Jahr 2018 waren es 200,5 Millionen Euro (Mainz: 178), 2019 dann 179,8 Millionen (Mainz: 150,5). 2020 folgte dann der Einbruch auf 79 Millionen Euro (Mainz: 168,1).

Warum Corona Ludwigshafen mehr traf

Laut Christofzik hängt die hohe Diskrepanz im Jahr 2020 mit der unterschiedlichen Wirtschaftsstruktur in den Städten zusammen. Das überwiegend produzierende Gewerbe in Ludwigshafen sei stärker von Corona betroffen gewesen.

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf die Ergebnisse der Unternehmen. Im Jahr 2020 schloss die BASF nämlich mit einem Verlust von 1,1 Milliarden Euro ab, was einen Großteil des drastischen Gewerbesteuereinbruchs in Ludwigshafen erklären dürfte. Im Jahr 2021 erzielte die BASF einen Gewinn von 6,5 Milliarden Euro - der weltweit besteuert wurde. Verluste aus dem Vorjahr minderten über Verlustvorträge auch noch die Steuerzahlungen. Biontech fuhr durch seinen Erfolg mit dem Corona-Impfstoff im selben Jahr einen Gewinn von 10,6 Milliarden Euro ein, für den das Unternehmen vorrangig an drei Standorten in Deutschland, neben dem Hauptsitz in Mainz noch Marburg und Idar-Oberstein, Gewerbesteuern entrichtete.

Steuerbelastung für Unternehmen in Deutschland hoch

Wie sich die Situation in Mainz künftig entwickeln wird, sei schwer vorherzusagen, meint Finanzexpertin Christofzik. Das werde wesentlich davon abhängen, wie sich Biontech weiter entwickele. So hat das Pharmaunternehmen bereits angekündigt, einen Teil seiner Forschung nach Großbritannien verlagern zu wollen. „Steuern sind ein Einflussfaktor für Unternehmen. Und die Steuerbelastung ist im internationalen Vergleich sehr hoch in Deutschland“, sagt Christofzik.

Die Erhöhung der Gewerbesteuer ist für sie mit Blick auf Ludwigshafen nicht der richtige Weg, da ist sie sich mit Kämmerer Andreas Schwarz (SPD) einig. „Das ist ein schwieriges Instrument zur Haushaltskonsolidierung. Wenn man die Hebesätze erhöht, führt das nicht 1:1 zu Mehreinnahmen“, sagt die Professorin mit Blick auf mögliche Ausweichreaktionen von Unternehmen.

Welche Stellschrauben hat die Stadt Ludwigshafen?

Viele Stellschrauben, an denen Ludwigshafen drehen könnte, sieht Christofzik indes nicht. Als besseres Instrument, die Einnahmen unmittelbar zu erhöhen, bewertet sie die Grundsteuer. Diese war in Ludwigshafen jedoch erst vor einem Jahr angehoben worden - und sie betrifft letztendlich alle Bürgerinnen und Bürger in finanziell ohnehin schon schwierigen Zeiten, wie Kritiker sagen. Für Ludwigshafen wird also wohl nur der mühsame Weg der jährlichen Einsparungen bleiben. Schritt eins am Mittwoch kommende Woche.

Auf die BASF kann sich Ludwigshafen nach deren Angaben dabei weiter verlassen. „Die BASF bekennt sich zum Standort Ludwigshafen. Das gilt auch im Hinblick auf unsere Verantwortung als Arbeitgeber und Steuerzahler“, so der Sprecher. Das Bekenntnis gelte auch ausdrücklich für die Einhaltung aller steuerlichen Vorschriften und Gesetze.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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