Interview

Finanznot: Warum Ludwigshafen trotz BASF so hoch verschuldet ist

Durch die Firma Biontech war Mainz plötzlich schuldenfrei. Warum das mit Ludwigshafen und der BASF nicht vergleichbar ist und welche Probleme vor Ort bestehen, erklärt Kämmerer Andreas Schwarz

Von 
Julian Eistetter
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Der weltgrößte Chemiekonzern BASF hat sein Stammwerk in Ludwigshafen. Dennoch schiebt die Stadt einen gigantischen Schuldenberg vor sich her. © Bernhard Zinke

Ludwigshafen. Die Kommunalaufsicht hat bei der Ludwigshafener Haushaltsplanung die Daumenschrauben angezogen. Sparen ist angesagt. Keine einfache Situation für Kämmerer Andreas Schwarz (SPD), der im Interview über die aktuelle Lage spricht.

Herr Schwarz, in Ihrem Profil auf der städtischen Webseite steht, dass eine Stadt nicht kaputtgespart werden darf und Ludwigshafen als lebenswerte Stadt am Rhein gestärkt werden muss. Die Realität sieht anders aus. Warum?

Andreas Schwarz: Da stoßen zwei Sichtweisen aufeinander. Die eine ist meine Sichtweise, die ich auch bei der Antrittsrede vertreten habe, als ich gesagt habe, dass ich nicht als Sparkommissar gekommen bin. Da stehe ich auch voll dahinter. Diametral entgegen steht natürlich Haushaltsrecht. Wir sind gezwungen, einen ausgeglichenen Haushalt darzustellen - oder zumindest alles dafür zu tun, in diese Richtung zu gehen. Und das ist ein Spannungsfeld, das sich schwierig auflösen lässt.

Wie schwierig ist es auch für Sie persönlich, getätigte Aussagen dann nicht umsetzen zu können?

Schwarz: Es ist schwierig. Ich erkenne ja an vielen Ecken, dass es an Geld fehlt, das wir klug einsetzen wollen. Wir haben erhebliche Aufwendungen im Sozial- und Jugendbereich bei den Pflichtaufgaben. Das ist schon mal unser Hauptproblem. Aber darüber hinaus würden wir auch gerne an der einen oder anderen Stelle gezielt im Sozial- und Jugendbereich noch Maßnahmen in Gang setzen. Wir haben bei Gebäuden seit vielen Jahren einen Instandhaltungsstau und schieben den vor uns her. Wenn wir da weiter sparen, verschieben wir Lasten in die Zukunft. Das sind keine guten Entwicklungen. Da sind wir aber in Verhandlungen mit der Kommunalaufsicht.

Jetzt kommen herbe Einschnitte in das gesellschaftliche Leben hinzu. Wie ist das den Bürgerinnen und Bürgern zu vermitteln?

Schwarz: Es ist schwer zu vermitteln, weil wir mit den Maßnahmen unterschiedliche Gruppen in der Bevölkerung treffen, die alle ihre Interessenlage haben. Ich kann alle Briefe und Bedenken nachvollziehen, die da kommen. Wir sind eh schon nicht sehr üppig ausgestattet mit Finanzmitteln, und wenn wir dann noch weiter kürzen, dann ist das mit erheblichen Einschnitten verbunden.

Schon bei Ihrem Amtsantritt hat Ludwigshafen einen enormen Schuldenberg vor sich hergetragen. Es war klar, dass die Aufgabe knifflig wird. Sind Ihre Erwartungen noch „übertroffen“ worden?

Schwarz: Ich bin nicht naiv an die Aufgabe, die Herausforderung Ludwigshafen drangegangen. Dass die Kommunen, gerade was die Haushaltslage angeht, auf einer schwierigen Kurve unterwegs sind, war mir klar. Was noch hinzu kam zu der grundlegenden Entwicklung, sind die erheblichen Krisen, die nochmal zusätzliche Belastungen für Städte und Kommunen mit sich bringen. Die Ukrainekrise etwa mit den erheblichen Preissteigerungen und der Folge erheblicher Tarifforderungen, die nun im Raum stehen. Unsere Gewerbetreibenden vor Ort sind auch durch die Krisen der letzten Jahre unter Druck geraten. Deshalb ist auch unsere Ertragsseite nicht auf dem Niveau, wie wir es früher gewohnt waren. Das engt die Spielräume zusätzlich ein.

Dazu passt die Frage, die immer wieder aufkommt, wenn es um die Finanzlage von Ludwigshafen geht: Wie kann die Stadt mit einem Unternehmen wie der BASF überhaupt so verschuldet sein? Seit der Mainzer Haushalt durch Biontech quasi über Nacht konsolidiert wurde, ist die Frage besonders oft zu hören. Können Sie aufklären?

Schwarz: Tiefgehend aufklären kann ich das natürlich nicht, denn es gibt ja ein Steuergeheimnis. Und dafür gibt es auch gute Gründe. Biontech - das ist eine Ausnahmesituation. Die arbeiten in einer ganz anderen Branche und mit einer ganz anderen Anlagenintensität. Ich hoffe für Mainz, und letztlich für das ganze Land, dass das Wunder von Mainz möglichst lange anhält. Die BASF ist in einer der Branchen, die durch die Entwicklungen der letzten Jahre erheblich unter Druck geraten sind. Wir sehen ja aktuell mit dem Stellenabbau auch, dass das Unternehmen entsprechend darauf reagiert.

Es gibt dennoch immer wieder kritische Stimmen, die fordern, man müsse den Konzern stärker zur Kasse bitten. Das sehen Sie anders?

Schwarz: Stärker zur Kasse bitten heißt ja im Klartext, dass wir den Gewerbesteuer-Hebesatz weiter erhöhen. Da liegen wir im Vergleich auf einem vernünftigen Niveau. Wenn wir die Hebesätze jetzt erhöhen würden, dann treffen wir ja nicht nur die großen Unternehmen wie die BASF, sondern auch die kleinen und mittelständischen, die jetzt gerade mal auf dem Weg aus dem Tal der Tränen heraus sind. Das halte ich momentan für keinen guten Weg.

Der Ton in der Spardebatte wurde zuletzt rauer. Es kam zum Zerwürfnis zwischen Stadtspitze und Stadtrat. Wie bewerten Sie die Stimmungslage?

Schwarz: Alle sind nervös und hoch angespannt. Ich erkenne aber bei vielen Gesprächen in den Gremien und mit den Fraktionen, dass jeder weiß, dass wir uns gemeinsam dieser Herausforderung stellen müssen. Wir ringen um den besten Weg. Und uns ist allen klar, dass wir uns nicht auf den eigenen Sparwillen verlassen können, sondern noch weitere Unterstützung brauchen. Die Diskrepanz zwischen einem ausgeglichenen Haushalt und unserer jetzigen Situation ist so groß, das können wir nicht aus eigener Kraft bewerkstelligen.

Schätzen Sie das Vorgehen der Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck, die auf Konfrontationskurs ging und radikale Sparvorschläge machte, als richtig ein?

Schwarz: Ich will das nicht bewerten. Dass alle Akteure ihren Beitrag leisten müssen oder auch schon in der Vergangenheit früher auf die Entwicklung hätten reagieren können, das ist richtig. Man hätte es vielleicht nicht so akzentuiert vortragen müssen, aber es hat uns alle nochmal wachgerüttelt. Und die Ideen, wo man sparen kann, dürfen alle diskutiert werden. Nicht alles wird aber politisch mehrheitsfähig sein, und nicht alles ist rechtlich möglich.

Gute Nachrichten gab es zuletzt auch endlich mal. Das Land übernimmt die Hälfte der Liquiditätskredite der Stadt. Warum bringt das nicht mehr Spielraum?

Schwarz: Es sind zwei große Maßnahmen, die sich positiv für die Stadt auswirken. Einmal die Neugestaltung des Kommunalen Finanzausgleichs, der uns aktuell auch mehr Einnahmen im Haushalt generiert. Und natürlich sind wir froh, eine Möglichkeit zu sehen, von diesem immensen Schuldenberg runter zu kommen. Gleichzeitig ist dadurch der Druck auf die Konsolidierung der Kommunalhaushalte noch einmal angewachsen. Es ist ja nachvollziehbar, dass man niemandem Schulden erlassen möchte, der weiterhin unverändert welche auftürmt. Aus dieser Falle muss man herauskommen und gemeinsam mit Land und Bund Wege finden.

Was erwarten Sie vom Bund?

Schwarz: Nach dem hälftigen Schuldenerlass des Landes wäre es unsere Aufgabe, die anderen Liquiditätsdarlehen zurückzuzahlen - wofür uns die Mittel fehlen. Deshalb wäre es natürlich schön, wenn der Bund - so wie es im Koalitionsvertrag steht - die zweite Hälfte der Schulden erlassen würde. Das würde den Druck von dieser Seite wegnehmen, was die Bedienung der Kreditverpflichtung anbelangt.

Von welcher Summe reden wir da dann noch?

Schwarz: Das sind rund 600 Millionen Euro.

Der Blick in die Glaskugel. Wann kann Ludwigshafen wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen?

Schwarz: Ich habe ein Eckwertepapier vorgeschlagen, über das der Stadtrat am 15. März entscheiden soll. Damit verpflichten wir uns als Verwaltung und Rat gemeinsam, in einem Zehnjahreszeitraum den Haushalt im Plan auszugleichen. Das ist eine Riesenherausforderung. Wir wollen das ausgehend machen von dem Plan, den wir im März verabschieden. Da müssen wir noch ganz schön kämpfen, intelligente Sparideen entwickeln und umsetzen, brauchen Hilfe und hoffen auf eine Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Situation, damit wir auf diesem Pfad zum Ziel kommen.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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