Sparprogramme

Schrumpfkurs für BASF-Stammwerk Ludwigshafen

Warum BASF Anlagen schließt und tausende Stellen abbaut - und sich der Vorstand trotzdem zu Ludwigshafen bekennt.

Von 
Bettina Eschbacher
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Pannengeplagtes Milliardenprojekt: Die TDI-Anlage im BASF-Werk Ludwigshafen wird stillgelegt. TDI wird für die Produktion von Polyurethan, einem Spezialkunststoff, verwendet. © BASF

Das Ludwigshafener BASF-Werk ist gleich doppelt von zwei Sparprogrammen der BASF betroffen. Am Freitag nannte der Chemiekonzern die Details. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:

Was steckt hinter den beiden Sparprogrammen?

Bei dem einen, bereits im Herbst angekündigten Sparprogramm geht es um die Verschlankung der Verwaltung, vor allem im Stammwerk Ludwigshafen, in dem viele Steuereinheiten sitzen. Bei dem zweiten Programm geht es um strukturelle Maßnahmen. Dafür hat der BASF-Vorstand den Standort Ludwigshafen, einer „gründlichen Analyse“ unterzogen. Anlagen, die nicht mehr profitabel genug sind, werden geschlossen. Insgesamt fallen dadurch 2500 Stellen in der Ludwigshafener Belegschaft (BASF SE) weg. Zusammen mit weiteren Effizienzmaßnahmen will der Konzern so künftig eine Milliarde Euro im Jahr einsparen.

Wie stark ist die Produktion von den Einschnitten betroffen?

Grob gesagt sind rund zehn Prozent der Anlagenstruktur in Ludwigshafen betroffen sowie 700 Stellen in der Produktion. Die Anlagen werden komplett zurückgebaut. 250 Millionen Euro wurden Ende 2022 dafür abgeschrieben, 300 Millionen Euro könnten noch dazukommen. Durch diese Maßnahmen werde der Standort wieder wettbewerbsfähiger, betonte Vorstandschef Martin Brudermüller bei der Bilanzpressekonferenz. Weil es laut Brudermüller viele offene Stellen im Werk gibt, könnten die meisten betroffenen Mitarbeiter neue Jobs finden.

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Welche Anlagen werden stillgelegt?

Die Caprolactam-Anlage, eine der beiden Ammoniak-Anlagen am Standort sowie damit verbundene Düngemittelanlagen. Die Kapazität der Caprolactam-Anlage in Antwerpen/Belgien reiche aus, um die Nachfrage für den Eigenbedarf und den europäischen Markt in Zukunft zu decken. Die Ammoniak-Herstellung ist sehr energieintensiv - hier schlugen die explodierenden Gaspreise besonders durch. Die Produktion war bereits gedrosselt worden.

Die Produktionskapazitäten für Adipinsäure werden reduziert, die Anlagen für Cyclohexanol und Cyclohexanon sowie Schwersoda geschlossen. Adipinsäure für das Europa-Geschäft wird künftig aus dem französischen Chalampé kommen.

Die TDI-Anlage sowie der Anlagen für die Vorprodukte DNT und TDA. Die TDI-Anlage war mit rund einer Milliarde Euro die teuerste Einzelinvestition im Werk. Sie wurde nach vielen technischen Problemen erst 2017 richtig in Betrieb genommen. Die europäischen BASF-Kunden werden zukünftig aus Geismar/USA, Yeosu/Südkorea und Schanghai/China mit TDI beliefert.

Wie begründet der Vorstand die Schließungen?

Mit einer gesunkenen Nachfrage in Europa, Überkapazitäten und natürlich den stark gestiegenen Energie- und Versorgungskosten im vergangenen Jahr. 3,2 Milliarden Euro zahlte BASF zusätzlich, vor allem für Erdgas. Ein großer Teil entfiel auf das Werk in Ludwigshafen. Dass es so viele Anlagen betrifft, hängt mit dem Verbund-Prinzip zusammen. Die Anlagen sind eng vernetzt, wird ein Rohstoff nicht mehr hergestellt, betrifft das auch andere Produktionen. Ein Sonderfall ist die pannengeplagte TDI-Anlage: Sie habe nie die Erwartungen erfüllt, sagte Standortleiterin Melanie Mass-Brunner.

Und wie wirkt sich das Sparprogramm für die Verwaltung aus?

Weltweit fallen 2600 Stellen weg, allein 1800 davon in Ludwigshafen - in Unternehmens- und Service-Bereichen, in Forschung und Entwicklung (F&E) sowie in der Konzernzentrale. Es entstehen im Zuge dieses Programms zwar auch 900 neue Arbeitsplätze, allerdings in Berlin und Madrid. Dort werden Serviceleistungen in „Hubs“ konzentriert.

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Welche Rolle wird das Stammwerk künftig spielen?

„Der Standort Ludwigshafen wird eher schrumpfen“, räumt Maas-Brunner ein. Die Wettbewerbsfähigkeit in Europa und vor allem in Deutschland hat sich innerhalb des Konzerns stark verschlechtert. Europa macht nur noch ein Drittel des operativen Ergebnisses aus. Und in der zweiten Jahreshälfte war der Beitrags Deutschlands sogar negativ. Brudermüller macht die massiv gestiegenen Energiekosten als besondere Belastung aus, kritisiert aber auch eine Überregulierung in der EU. Dennoch betont er: „Ludwigshafen wird der größte und am stärksten integrierte Standort in der BASF-Gruppe bleiben.“ Er werde sich in Zukunft jedoch stärker auf die Versorgung des europäischen Marktes konzentrieren. Maas-Brunner verwies darauf, dass man weiterhin jedes Jahr rund zwei Milliarden Euro in das Werk investiere. Der Standort werde im Konzern eine zentrale Rolle bei der Transformation hin zur CO2-neutralen Produktion spielen.

Hält der Vorstand an der vieldiskutierten China-Strategie fest?

Ja. China gilt als der wichtigste Wachstumsmarkt für die Branche. Der Konzern baut weiter an seinem neuen Verbundstandort in China, der zehn Milliarden Euro kostet. Brudermüller äußert sich aber nicht dazu, ob Vorständin Saori Dubourg wegen Kritik an dieser Strategie überraschend das Unternehmen zum Monatsende verlässt.

Wie läuft das Geschäft des Chemiekonzerns?

Die Milliarden-Mehrkosten wegen der hohen Gaspreise belasteten das Ergebnis für 2022. Hinzu kamen auch außergewöhnlich hohe Wertberichtigungen wegen des Rückzugs der Beteiligung Winterhall-Dea aus Russland. Die fielen geringer aus als erwartet, brachten aber dennoch einen Konzernverlust von 627 Millionen Euro. Für das laufende Jahr rechnet BASF mit einem Umsatz von 84 Milliarden bis 87 Milliarden Euro und einem operativen Ergebnis von 4,8 Milliarden bis 5,4 Milliarden Euro - deutlich weniger als 2022.

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

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