Stadtrat

Finanznot in Ludwigshafen - stehen die Hochstraßen jetzt auf der Kippe?

Ludwigshafen muss sparen, sonst wird der Haushalt für 2023 nicht genehmigt. Im Stadtrat am Montag ging es dabei auch um die Hochstraßen - mit unerwarteten Worten von OB Jutta Steinruck

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Julian Eistetter
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Klare Forderung von Demonstranten vor der Stadtratssitzung: Keine Kürzungen im sozialen Bereich, dafür ein Stopp der Planungen für die Stadtstraße. © Julian Eistetter

Ludwigshafen. 20 bis 30 Personen haben sich am Montagnachmittag vor dem Pfalzbau in der Ludwigshafener Innenstadt versammelt. Sie halten Pappschilder und Transparente in den Händen, mit denen sie für den Erhalt des Sleep Inns und gegen massive Kürzungen von Mitteln im Sozialbereich protestieren. Die Streichung des Übernachtungsangebots für Drogensüchtige und Obdachlose ist einer von vielen Punkten einer Sparliste, die die Verwaltung am Montag dem Stadtrat vorgelegt hat. Über fast alle Bereiche hinweg wurde der Rotstift angesetzt, so soll der Jahresfehlbetrag für 2023 von 98 auf 29 Millionen Euro gedrückt werden.

Kurz vor Sitzungsbeginn ließ auch Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck eine weitere Vorschlagsliste einstellen. Es folgte eine teils emotionale Debatte, bei der die Rathauschefin auch erstmals die Umsetzung der Hochstraßenprojekte in Frage stellte.

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Hintergrund des Ganzen ist die Kritik der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) am ersten Haushaltsentwurf der Verwaltung für 2023. Dieser wurde wegen des enormen Defizits als nicht genehmigungsfähig eingestuft, weitere Einsparbemühungen wurden angemahnt. „Das Schreiben der ADD war ein Weckruf - unsanft und hart, aber notwendig“, sagte Steinruck in ihrer Rede vor den Räten. „Es muss ein Kurswechsel stattfinden. Bei uns, beim Bund, beim Land und bei der ADD“, erklärte sie.

Bund und Land hätten der Stadt über Jahre hinweg Aufgaben übertragen, ohne die Verwaltung mit entsprechenden finanziellen Mitteln auszustatten, kritisierte die OB. So habe sich ein massives Defizit aufgebaut. Gleichzeitig nahm sie jedoch auch den Stadtrat in die Pflicht. „Seit dem Jahr 1989 wurden hier immer nicht ausgeglichene Haushalte beschlossen. Auch wir müssen jetzt Sparwillen zeigen, da sind Sie alle gefragt“, sagte sie in Richtung der Fraktionen.

Eigenanteil bei den Ludwigshafener Hochstraßen noch zu leisten?

Gut gemeinte Anträge und Beschlüsse, die den Menschen in der Stadt das Leben erleichtern sollten, würden sich nun rächen. „Und die ADD hat diese Haushalte zu lange durchgewinkt, obwohl sie nicht ausgeglichen waren. Sie ist zu spät aufgewacht. Und der Schuldenberg ist Jahr für Jahr gewachsen.“

Um eine Grundlage für eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung zu schaffen, habe die Verwaltung nun eine von den Dezernenten erarbeitete Sparliste vorgelegt, die kurzfristig Abhilfe verschaffen würde. Auch die OB selbst legte noch eine Liste vor, die eher einen perspektivischen Ansatz verfolgt. „Wir haben unsere Arbeit gemacht, jetzt müssen Sie Ihre Hausaufgaben erledigen“, sagte Steinruck zum Rat.

Auf die Sparvorschläge der Dezernenten selbst habe sie keinen Einfluss, sie könne lediglich Vorschläge machen. Gerade das Baudezernat müsse die großen Investitionen gemeinsam mit dem Stadtrat aber nochmals genau anschauen, mahnte sie. „Im Hinblick auf die massive Kostensteigerung bei den Hochstraßen ist zu hinterfragen, ob der Eigenanteil für die Stadt zu leisten ist“, betonte sie und ließ damit erstmals in der Öffentlichkeit Zweifel an der Umsetzung des Großprojekts erkennen.

Bislang hatte sie die Fortsetzung immer als alternativlos im Sinne der Region und der Wirtschaft bezeichnet. „Wir sind nun aber an einem Punkt, an dem wir alles auf den Tisch legen müssen. Und der Stadtrat muss dann entscheiden, ob wir weitermachen oder aussteigen“, verdeutlichte sie. Wie mehrfach berichtet, waren die erwarteten Kosten für das Gesamtprojekt von anfangs 500 Millionen Euro auf rund 1,5 Milliarden Euro gestiegen, von denen die Stadt nach derzeitigem Stand etwa 15 Prozent selbst tragen müsste.

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OB: Druck nun beim Ludwigshafener Stadtrat

„Es tut mir leid, den Rotstift ansetzen zu müssen, aber wir haben keine andere Wahl“, sagte Steinruck. Nun liege der Druck beim Stadtrat, der jetzt in den Beratungen rückmelden müsse, bei welchen Sparmaßnahmen er mitgehen kann und bei welchen nicht. „Und dann müssen wir hoffen, dass ein genehmigungsfähiger Haushalt vorliegt, denn sonst geht in Ludwigshafen irgendwann gar nichts mehr.“

Bei den Fraktionen sorgten die Worte der OB an der einen oder anderen Stelle für Murren. „Sie haben diesen Haushalt versemmelt“, warf ihr etwa CDU-Fraktionschef Peter Uebel vor. Hans-Uwe Daumann (Grüne im Rat) bemängelte das „chaotische Verfahren“ im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen, und Thomas Schell (FDP) hätte sich gewünscht, dass die Fraktionen frühzeitiger eingebunden worden wären. Raik Dreher (Forum und Piraten) zeigte sich „geschockt“ von manchem Sparvorschlag, und auch Hans-Joachim Spieß (Bürger für LU) kritisierte, dass diese vor allem die sozial Schwachen träfen.

Steinruck erwiderte, dass es sich nicht um ihre „persönliche Wunschliste“ handele, sondern um eine zwingende Notwendigkeit. Gleichzeitig solle durch die drastischen Streichungen ein Signal an Bund und Land gesendet werden. „Denn wenn die Sparliste so erfüllt wird, dann haben wir keine lebenswerte Stadt mehr“, sagte sie mit Blick auf die Einschnitte unter anderem für Kultur- und Freizeitstätten.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur