Interview zur Bürgermeisterwahl

Ilvesheimer Kandidat Tschitschke: "Ein Bürgermeister muss vor Ort sein"

Günter Tschitschke will Rathauschef in Ilvesheim werden. Im Interview mit dem „MM“ sagt er, was er vorhat - und kritisiert, dass viele vermeintlich kleine Dinge aktuell nicht mehr angegangen werden

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Hans-Jürgen Emmerich und Torsten Gertkemper-Besse
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Günter Tschitschke bedauert, dass „ein Eiscafé am Kreisverkehr“ der attraktivste Ort in der Gemeinde sei. © Marcus Schwetasch

Herr Tschitschke, warum wollen Sie Bürgermeister werden?

Günter Tschitschke: Weil ich in den letzten Jahren festgestellt habe, dass wir im Gemeinderat eher planen, als Pläne in die die Tat umzusetzen. Ilvesheim hat einen gewissen Charme, den es früher mal hatte, verloren. Viele kleine Dinge, über die sich die Leute aufregen, werden nicht mehr angepackt. Diese kleinen Dinge und Probleme will ich wieder verstärkt in den Vordergrund stellen. Ilvesheim braucht auch einen Bürgermeister vor Ort, der sich um die Ilvesheimer Belange kümmert. Das muss Vorrang haben.

Sie sind selbst schon 24 Jahre im Gemeinderat. Warum haben Sie da nichts geändert?

Tschitschke: Der Bürgermeister legt die Tagesordnung fest. Was ich bemängele, ist, dass wir im Gemeinderat Entscheidungen treffen, oftmals, ohne im Vorfeld alle Infos dazu erhalten zu haben. Einige Vorlagen informieren nicht hundertprozentig vollständig. Ein Bürgermeister muss offen mit dem Gemeinderat besprechen, wo man anpacken kann.

Haben Sie ein Beispiel dazu?

Tschitschke: Als ich im vergangenen Jahr längere Zeit die Vertretung des Bürgermeisters gemacht habe, habe ich im Zuge der Haushaltsaufstellung auch den Feuerwehrausschuss geleitet. Die hier vorgetragenen Infos der Wehr habe ich dann an den Gemeinderat weitergegeben, und der war darüber sehr froh. Mit dieser Transparenz kann der Rat letztlich besser umgehen.

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Sie sind ja ehrenamtlicher Stellvertreter des Bürgermeisters und Mitglied des Gemeinderates. Sehen Sie darin einen Vorteil oder einen Nachteil?

Tschitschke: Das sehe ich absolut als Vorteil. Als Stellvertreter habe ich auch das Ohr am Puls der Zeit und in der Verwaltung. Vielleicht höre ich mehr, vielleicht sagt man mir mehr. Diese Tätigkeit und die Arbeit im Gemeinderat führen zu einer enormen Erfahrung, die mir nur dienlich sein kann. Ich habe in diesen 24 Jahren zwei Bürgermeister erlebt. Das hat mir gezeigt: Es gibt verschiedene Arbeitsstile, und ich habe meinen eigenen Stil.

Beschreiben Sie uns den Tschitschke-Stil in einem Satz.

Tschitschke: Komplette Information an den Gemeinderat, absolute Transparenz. Bei den Friedhöfen wird das Thema jetzt kurz vor der Wahl in Angriff genommen. Es ist erstaunlich, wie plötzlich alles geht. Wir müssen uns um die Dinge kümmern, nicht nur darüber reden.

Sie sind schon 62. Ist das nicht ein Nachteil?

Tschitschke: Nein. Ich sehe mein Alter nur als Vorteil. Ich fühle mich jünger, als ich von der Zahl her bin. Ich bin gesund, ich bin erfahren, ich plane weit über 62 hinaus.

Sie könnten sogar noch eine zweite Amtszeit anhängen…

Tschitschke: Richtig, dieses Gesetz tritt demnächst in Kraft. Ich lasse deshalb völlig offen, ob ich nach acht Jahren aufhöre oder nicht. Ich kann in den kommenden acht Jahren etwas bewegen, und ich will das auch.

Wo sehen Sie die Stärken von Ilvesheim?

Tschitschke: Unsere größte Stärke sind sicher unsere Vereine. Allein die Spielvereinigung hat über 1700 Mitglieder. Da gibt es ein enormes ehrenamtliches Engagement, das die Gemeinde gar nicht ersetzen könnte. Und damit meine ich alle Vereine. Wir müssen sie deshalb pflegen. Ich verstehe nicht, dass manche da kürzen wollen.

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Wo sehen Sie die größten Schwächen in Ilvesheim?

Tschitschke: In Ilvesheim Nord haben wir eine ganz schlechte Situation. Hier ist durch die Einkaufsmöglichkeiten zwar die Grundversorgung gesichert, aber alles andere ist schlecht besetzt. Kein Bäcker, kein Metzger, keine Bank. Die Einwohnerzahl stagniert. Aber wir müssen für Neubürger auch etwas tun. Wir brauchen Attraktivität. Wir haben keine Bäder mehr. Es gibt eine tolle Kinder- und Seniorenbetreuung, aber für Jugendliche tun wir definitiv zu wenig.

Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zu einem Jugendgemeinderat?

Tschitschke: Das will ich nicht grundsätzlich ablehnen, aber das haben wir 24 Jahre lang vergeblich versucht. Ohne eine weiterführende Schule ist das noch schwieriger. Ich werde auf jeden Fall einen Jugendbeauftragten im Rathaus installieren, der ansprechbar ist. Wir haben für die Jugend einen Bauwagen angeschafft, aber der steht schon ewig auf dem Bauhof. Man sollte den Mut haben, mit der Jugend zusammen einen Grillplatz zu installieren. Und noch etwas: Wir leben auf einer Insel und haben keinen Zugang zum Neckar. Um von der Natur zu lernen, muss ich auch hineingehen können.

Wie wollen Sie das Kombibad umsetzen?

Tschitschke: Auf dem schnellsten Wege. Auf mein Drängen hin, haben die Freien Wähler den Antrag gestellt, dass das Bad umgesetzt wird, sobald die Mehrzweckhalle fertig saniert ist. Ansonsten würden wir heute noch herumfriemeln. Das wurde mit großer Mehrheit beschlossen. Auch die Bürger haben klar entschieden. Ich vergleiche das mit 1973, als es um die Eingemeindung von Ilvesheim ging. Hätten wir das damals nicht so konsequent umgesetzt, würden wir heute zu Mannheim gehören.

Die Verzögerung liegt aber auch an der Entscheidung, zuerst die Mehrzweckhalle zu sanieren. Und die haben Sie als Freie Wähler mitgetragen.

Tschitschke: Richtig, das hat das Bad um ein Jahr verzögert. Das war der Anfang von Corona. Im Zuge der Haushaltsgespräche haben wir das um ein Jahr zurückgestellt. Ich sehe das nicht als gravierenden Fehler, die sind schon früher gemacht worden. Die Grünen haben von Anfang an gesagt, dass sie das Projekt trotz der Grundsatzentscheidung bei jeder einzelnen Abstimmung behindern werden. Bürgermeister Metz hat gezögert, und dann haben sich durch die Kommunalwahl die Verhältnisse im Gemeinderat geändert. Zum Schluss wurden durch den Ukraine-Krieg die Baukosten in die Höhe getrieben. An den derzeitigen Baukosten der Mehrzweckhalle sehen wir, dass sich der Trend wieder weitgehend zurückentwickelt. Wir müssen aber auch ganz anders mit Energie umgehen und haben deshalb eine Wärmeplanung in Auftrag gegeben. 2015 hätten wir dieses Kombibad garantiert mit Gas beheizt, heute werden wir das nicht mehr tun.

Günter Tschitschke

Alter: 62 Jahre

Beruf: selbstständiger Werbemittelkaufmann

Ausbildung: Einzelhandelskaufmann im Kaufhof-Konzern

Ehrenamt: Gemeinderat der Freien Wähler, Stellvertretender Bürgermeister, Ehrenrat beim KV Insulana, Mitglied in mehreren Vereinen

Partei: Freie Wähler

Homepage: tschitschke.de

Telefon: 0151/70 82 81 11

Mail: kandidat.guenter@tschitschke.de

Halten Sie das Projekt Kombibad überhaupt noch für stemmbar?

Tschitschke: Absolut. Wir sind die finanziell siebtstärkste Gemeinde im Rhein-Neckar-Kreis. Wir haben einen soliden Haushalt und 10,6 Millionen Euro liquide Mittel. Das können wir nicht auf der hohen Kante liegen lassen, sonst verschwindet es irgendwann in der Kanalisation. Natürlich wird dafür auch ein gewisser Teil für die Sanierung der Mehrzweckhalle abfließen.

Sie haben gerade auch von einer Belebung des Ortskernes gesprochen, können Sie dazu noch etwas mehr sagen?

Tschitschke: Das Eiscafé Leone ist heute unser attraktivster Punkt, gelegen an einem Kreisel und an der verkehrsreichsten Stelle im Ort. Wir schauen zu, wie die L 597 gebaut wird und die Neckarbrücke entsteht. Wenn diese Straße 2026 eröffnet wird, wird unsere Schlossstraße deutlich weniger befahren sein. Die müssen wir beleben, da muss die Ortsmitte von Ilvesheim hin. Da brauchen wir Cafés und Radwege. Wir haben als Freie Wähler den Antrag schon lange gestellt. Das Geld steht im Haushalt, aber es wird einfach nicht ausgegeben. Wir müssen die Dinge in die Hand nehmen. Ein Markttag allein reicht da nicht. Wir brauchen einen runden Tisch.

Wie stehen Sie zu den Ergebnissen der Klausurtagung in Sachen Wohnungsbau?

Tschitschke: Ich stehe da voll dahinter, ich war ja selbst dabei. Auch die Reihenfolge ist richtig. Wir müssen abwarten, was sich in der Sichelkrümme ergibt, wie viele Wohnungen es dort gibt. Die Kanzelbachstraße muss auf jeden Fall überplant werden. Zwei Vereine dort haben heute schon keine Existenzberechtigung mehr. Einer ist überaltert, der andere betreibt schon lange keine Zucht mehr. Ich wage zu bezweifeln, ob er für viele bezahlbar ist, aber Wohnraum kann dort entstehen. Viele Menschen leben in zu großen Wohnungen. Wenn sie keine kleinen, bezahlbaren finden, bleiben sie in ihren großen drin, die dann für Familien fehlen.

Aber das Thema Innenverdichtung sehen viele kritisch. Sie haben Angst vor einer Bebauung der Gärten…

Tschitschke: Natürlich ist das problematisch. Einen alten Baum verpflanzt man nicht so einfach. Ich verstehe, dass es da gewisse Ängste gibt. Aber wenn wir attraktiven Wohnraum wollen, müssen wir etwas tun. Dass da zum Teil von Enteignung gesprochen wird, ist nicht richtig. Diese Ängste muss man den Menschen nehmen.

Wie beurteilen Sie die Anstrengungen zum Klimaschutz in Ilvesheim?

Tschitschke: Wir müssen in allen Bereichen, die uns möglich sind, mehr tun. Wir brauchen große Solarflächen, wir müssen über Windkraft sprechen, über Flusswärme, über Wärmepumpen. Es wird immer heißer, da müssen auch die richtigen Bäume im Ort wachsen, die die Hitze überstehen und Schatten spenden. Wir haben da noch unheimlich viel zu tun. Wir achten verstärkt darauf, dass wir energetisch gut arbeiten, aber wir müssen die gesamte Gemarkung im Auge haben und ein Konzept erstellen. Das ist ein unwahrscheinlich breit gefächertes Feld.

Der Haushalt wird bekanntlich sehr unterschiedlich betrachtet, wie sehen Sie die Finanzlage?

Tschitschke: Ich sehe den Haushalt als gut aufgestellt. Ich stehe voll und ganz dahinter, dass wir als Freie Wähler jeweils zugestimmt haben. Die Diskussion betrachte ich kritisch, weil der Haushalt auch mit falschen Argumenten abgelehnt wird. Ich verstehe, wenn es unterschiedliche Sichtweisen gibt. Aber letztlich geht es immer wieder ums Kombibad. Beschlüsse, die Erträge versprechen, werden abgelehnt, weil sie dieses Projekt mitfinanzieren könnten. Wenn ich über bezahlbaren Wohnraum rede, dann kann ich nicht gleichzeitig die Sichelkrümme ablehnen.

Wenn Sie gewählt werden, haben Sie mindestens einen Mitbewerber mit am Ratstisch sitzen, sehen Sie das als Problem?

Tschitschke: Nein. Ich muss die Leute davon überzeugen, dass ein anderer Weg gegangen werden muss. Ich kann mich auch mit Michael Haug einigen. Das ist mir auch ganz wichtig, dass in diesen Gemeinderat wieder mehr Harmonie einkehrt, und dass man mehr über die Sache streitet. Ich würde dazu alle Fraktionen einzeln einladen. Ein Ergebnis, das demokratisch zustande gekommen ist, muss man akzeptieren. Die Grünen sind gefordert, zu erkennen, dass sie mit fünf Räten nicht mehr in der Opposition sind, sondern Verantwortung mittragen müssen.

Was ist für Sie das wichtigste Projekt?

Tschitschke: Ein wichtiges Kriterium ist für mich die Verwaltung und ihre Erreichbarkeit. Ich will deshalb einen „menschlichen Wegweiser“ im Rathaus installieren. Da muss jemand sitzen, der die Leute auch führen kann. Der wird natürlich mehrere Aufgaben haben. Da fällt für mich auch der Jugendbeauftragte mit hinein. Die telefonische Erreichbarkeit muss gewährleistet sein. Bei der Digitalisierung muss es vorangehen. Die Leute müssen transparenter in die Sitzungsunterlagen reinschauen können. Auch die in Angriff genommene Bürger-App ist wichtig und muss kommen. Die dafür gestellten Mittel stehen seit einiger Zeit bereits zur Verfügung. Geschehen ist aber nichts. Als Abstimmungsmittel ist das nicht geeignet, weil viele Menschen gar kein Smartphone haben.

Wo setzen Sie Ihre Messlatte im ersten Wahlgang?

Tschitschke: Über Prozentzahlen will ich gar nicht spekulieren. Ich kann so viel sagen, dass die Resonanz groß ist. Viele Leute freuen sich, dass ich antrete. Ich glaube, dass ich ein ernstzunehmender Gegner für Amtsinhaber Andreas Metz bin. Deshalb rechne ich auch damit, dass niemand in der ersten Runde die absolute Mehrheit schafft. Wenn ich aber weit hinter den anderen zurückliege, dann trete ich beim zweiten Mal nicht mehr an. Durch ein taktisches Antreten einen anderen verhindern zu wollen, ist nicht mein Ding.

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Thema : Bürgermeisterwahl Ilvesheim 2023

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